ARTVERGNÜGEN #106 – Unsere 11 Kunsttipps für den April 2017

April, April, er weiß genau, was er will. Er will den Frühling. Er will Frühlingsgefühle. Er will die Menschen auf den Straßen. Dafür tut er einiges, bringt uns zum Beispiel das Gallery Weekend und mit ihm zig fabelhafte Ausstellungen. Wir zeigen euch ein paar davon und ein paar, die nichts mit dem Großevent zu tun haben. Amüsiert euch gut und strahlt mit der Sonne um die Wette.

© Sarah Schönfeld, "Hero’s Journey (Lamp)", 2014

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Alchemie. Die Große Kunst.*

Die Große Kunst. Mit jenem selbstbewussten Untertitel protzt die neue Ausstellung im Kulturforum. Alchemie steht im Grunde für die Umwandlung einfacher in edle Stoffe wie Gold, aber auch pharmazeutische Hilfsmittel. Insofern ist Alchemie in der Tat eine große Kunst. Und ihr Schöpfungsmythos, haben die Kuratoren bemerkt, ist dem Akt des heutigen künstlerischen Schaffens gar nicht so unähnlich. Das unter anderem will die Ausstellung mit 200 Exponaten zeigen, darunter Illustrationen, Edelsteine, falsches Edelmetall und Skulpturen von auch zeitgenössischen Künstlern wie Alicia Kwade, Jeff Koons und Anselm Kiefer.

  • Kulturforum Potsdamer Straße 50, 10785
  • 5. April – 23. Juli 2017 | Dienstag, Mittwoch und Freitag: 10–18 Uhr, Donnerstag: 10–20 Uhr, Samstag & Sonntag: 11–18 Uhr, Montag geschlossen
  • Eintritt 12 Euro, ermäßigt 6
© "Frau Schulz mit drei ihrer 14 Kinder, Weihnachten 1986", Harf Zimmerman

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Harf Zimmermann "Hufelandstraße"*

Die Hufelandstraße sei “schöner als erwartet, aber auch fremder. Sie liegt im alten Osten – doch der ist aus ihr gewichen.“, statuierte unser ehemaliger Ministerpräsident Joachim Gauck. Ihre inzwischen sanierten Fassaden zeugen tatsächlich nicht mehr von dem, was war. In den 80ern trug der die Greifswalder Straße und den Volkspark Friedrichshain verbindende Kilometer den Beinamen “Kurfürstendamm des Ostens”. Hier wohnten Künstler, Schauspieler, Handwerker und Parteifunktionäre nebeneinander. Sie fotografierte Harf Zimmermann, später Mitbegründer der OSTKREUZ Agentur, 1987 vor und in ihren Wohnungen und Geschäften. Ein sehenswertes Zeitzeugen-Projekt für jene wie uns, die sich an Damals-Heute-Slideshows im Netz nicht satt sehen können.

  • C/O Berlin Hardenbergstraße 22, 10623 Berlin
  • 29. April – 2. Juli 2017 | Montag – Sonntag: 10–20 Uhr | Eröffnung: Freitag, 28. April 2017, 19 Uhr
  • 10 Euro, ermäßigt 6
© "Teach Us To Outgrow Our Madness", 1995, Galerie Thomas Schulte

3
Alfredo Jaar "Shadows"

Bei dieser Familie steht niemand im Schatten des Anderen: weder der Sohn – Musiker Nicolas Jaar – in dem des Vaters, noch der Vater – Künstler und Filmemacher Alfredo Jaar – in dem des Sohnes. Beide beziehen in der jeweiligen Kunstform politisch Stellung und das mit Nachhall. Mit "Real Pictures" (1995) schuf Alfredo Jaar das wirksamste Foto, das niemals gezeigt wurde. Motive, die er kurz nach dem Genozid in Ruanda aufgenommen hatte, verschloss Jaar in Boxen; die unmenschlichen Szenen beschreibt er, statt sie zu zeigen. Was die Fantasie mit dem Betrachter anstellt, ist wie ein Peitschenhieb. Wer zu so einem Meisterwerk im Stande ist, qualifiziert sich auf Lebenszeit für jede Top 11 Empfehlungsliste.

© Kemang Wa Lehulere, Installationsansicht "Kemang Wa Lehulere: Bird Song"

4
Kemang Wu Lehulere "Künstler des Jahres"

Kemang Wu Lehulere, “Künstler des Jahres” der Deutschen Bank, gilt als einer der bedeutendsten Künstler Südafrikas. Seine Performances, Videos und Kreidezeichnungen machen auf die schwarze Geschichte seines Landes aufmerksam und dabei vor allem seiner Kulturproduzenten wie Gladys Mgudlandlu. Mgudlandlu zeichnete überwiegend Bilder von Landschaften und am Liebsten von Vögeln, wofür sie hart kritisiert wurde: Ihre Kunst lenke vom schreienden Problem ihres Landes ab, von der Apartheid. Ihr Name taucht heute kaum mehr in den Büchern auf. Unbequeme Geschichte wurde ausgelöscht. Mit dem Prozess des Überschreibens arbeitet Wu Lehulere formell wie auch inhaltlich. Wiederkehrendes Motiv dieser Ausstellung ist übrigens Mgudlandlus Vogel.

© Fabian Knecht

5
Fabian Knecht "Isolation"

Fabian Knecht machte sich 2014 zur Legende, als er das Dach der Neuen Nationalgalerie unter Feuer setzte. Fabian Knecht ist Teil des von Olafur Eliasson geleiteten Instituts für Raumexperimente; entsprechend fallen seine Projekte meist spektakulär aus und grenzen nicht selten als oft vandalierender Akt ans Illegale. Das aber so poetisch und humorvoll, dass niemand wirklich hart durchgreifen möchte.

6
Gallery Weekend

Dass in dieser Ausgabe so viele Openings auf den 28. April fallen, hat einen Grund: Es ist wieder Gallery Weekend! Alle wissen, was das heißt. Für Neu-Berliner und Gäste eine kurze Erklärung: Über 50 Galerien eröffnen an diesem Wochenende im April neue Ausstellungen, es gibt hier und da die Chance auf ein Glas Sekt und alles fühlt sich an wie ein stadtweites Frühlingsfest mit kunstvoller Dekoration.

© Schlesinger

7
Ariel Schlesinger "Elvira"

Ariel Schlesinger vereint das handwerkliche Know-how eines Erfinders mit der abstrakten Denke eines Konzeptkünstlers – quasi Daniel Düsentrieb trifft Duchamp. In seinen skulpturellen Arbeiten haucht er starren Objekten Leben ein. Auf den ersten Blick vor allem ästhetisch ansprechend, enthüllt ein echter Schlesinger auf den zweiten Blick ein meist sehr überlegtes, nicht selten politisch motiviertes, vielschichtiges Konzept.

  • Galerija Gregor Podnar Lindenstraße 35
  • Eröffnung: Freitag, 28. April 2017, 18–21 Uhr
© Candice Breitz

8
Candice Breitz "Love Story"

Empathie gilt inzwischen als DIE Kompetenz der Führungskraft von Morgen. In ihrer neuen 7-Kanal-Videoinstallation erkundet Candice Breitz, was Mitgefühl bedeutet und wo es seine Wurzeln hat. Für "Love Story" lud die Kanadierin Akteure vor die Kamera, die vor einer unterschiedlich begründeten Unterdrückung aus ihrem Land geflohen sind. In einem Teil der Ausstellung werden ihre persönlichen Geschichten von bekannten Schauspielern vorgetragen – darunter Alec Baldwin und Julianne Moore. Durch diese inszenierte Form der Berichterstattung hinterfragt Breitz, wie Aufmerksamkeit in unserer heutigen Welt eigentlich gelenkt und Nachrichten selektiert werden.

© Jens Ziehe

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Shirana Shahbazi "First Things First"

Shirana Shahbazi macht Stillleben wie die alten Meister, nur in modern. Und mit modern meinen wir: knallig, poppig, geometrisch, artifiziell. Installationen baut sie vor farbenfrohen Hintergründen auf und fotografiert diese ab, was dann im Ergebnis direkt so im Lifestyle-Magazin landen könnte. Die Iranerin stellt damit das Natürliche dem Konstruierten gegenüber und vereint die Epochen der Kunstgeschichte in einem Bild. Die Ausstellung "First Things First" zeigt mit einer Auswahl an 35 Arbeiten eine Art Medley ihres Schaffens der letzten zehn Jahre.

  • Kindl – Zentrum für Zeitgenössische Kunst Am Sudhaus 3, 12053 Berlin
  • Bis 2. August 2017 | Mittwoch – Sonntag: 12–18 Uhr
  • 5 Euro, ermäßigt 3
© Anri Sala "Ravel Ravel Unravel", 2013

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Anri Sala und Angela Bulloch bei Esther Schipper

Die Galerie Esther Schipper zieht einmal um die Ecke, vom Schöneberger Ufer in die Potsdamer Straße, in die Etage über Blain|Southern. Eingeweiht werden die neuen Räume von den Künstlern Anri Sala und Angela Bulloch. Erstgenannter ist bekannt durch seinen Beitrag zum französischen Pavillon der Venedig Biennale 2013. Da zeigte er Aufnahmen eines neu arrangierten Klavierstücks des französischen Komponisten Maurice Ravel. Video und Musik sind wiederkehrende Medien bei Salas. Angela Bulloch befasst sich lieber mit Systemen, Mustern und Regeln und der Beziehung von Mathematik und Ästhetik. Klingt nach einem spannenden Gegensatz: die Poetik eines Sala und die Wissenschaft einer Bulloch unter einem Dach.

© Omsk Social Club, Inform_Exform_Reform Matter Sample, 2016

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A New Prescription For Insomnia

Kuratorin GeoVanna Gonzalez möchte eine nicht-kommerzielle Ruhezone inmitten des Kunstevents Gallery Weekend schaffen. Der schöne Schein soll bei HORSEANDPONY abgeworfen und das Wahre gezeigt werden. Schluss mit dem ständigen Anschein wahren, Schluss mit dem ständigen Druck "online" und dabei zu sein. Endlich wieder ruhen! Eskapismus! Ausbruch! Eine Gruppenausstellung mit Arbeiten von Paul Barsch, Adam Brody, Omsk Social Club, Julia Colavita, Michele Gabriele, Silas Parry, Zoë Claire Miller, Miller Robinson, Mark Stroemich und Lorenzo Sandoval.

  • HORSEANDPONY Fine Arts Altenbraker Straße 18, 12053 Berlin
  • Eröffnung: Sonntag, 30. April 2017, 18–22 Uhr | Closing: Sonntag, 21. Mai 2017, 18–22 Uhr mit einem Live-Set von Mark Stroemich

*Diese Tipps sind gesponsert.

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