Allein allein: Egoismus tötet die Liebe

Zack Minor I unsplash

Ich hasse das Single-Leben und ich möchte nicht allein sein. Warum wollen mir die Menschen in meinem Umfeld immer erklären, dass alleine sein zum Leben dazu gehört und ich nur eine Beziehung führen kann, wenn ich auch alleine glücklich und erfüllt bin. "Du musst auch alleine klar kommen. Du sollst alleine reisen. Und alleine leben. Und auch mal alleine ins Kino gehen. Einfach machen, was dir Spaß macht."

Alleine. Alles. Immer. Wir werden zu Individualisten erzogen, die niemandem wirklich trauen und sich auf niemanden verlassen. Klar sollte man auch unabhängig lebenstauglich sein. Ich habe aber das Gefühl, als sei etwas falsch mit mir, wenn ich das alles nicht will.

Zusammen ist man weniger allein

Klar, kann ich alleine klar kommen, aber viel lieber ordne ich mein Leben und meine Gedanken mit einer vertrauten Person. Ich könnte alleine reisen, aber ich genieße es zu sehr, meine Erfahrungen auf Reisen mit einer Person zu teilen und sie für immer mit den schönen Reise-Erinnerungen zu verknüpfen. Ich habe auch einmal kurzzeitig alleine gelebt. Was natürlich auch Vorteile hatte, aber mir fehlte der Zusammenhalt und das Gefühl am Leben des Anderen teilzuhaben, genauso wie der- oder diejenige an an meinem Leben teil hat. Und wer soll mir sonst die Pommes in den Ofen schieben, während ich halb verhungert auf dem Weg nach Hause bin?

Ich habe das Gefühl, mich dafür rechtfertigen zu müssen, dass ich einfach lieber Gesellschaft habe.

Das Gefühl, von Freunden, vor allem aber im öffentlichen Diskurs, ständig gesagt zu bekommen, wie gut die Einsamkeit für mich sei, beengt mich. Ich habe das Gefühl mich dafür rechtfertigen zu müssen, dass ich einfach lieber Gesellschaft habe. Ich bin überzeugt, dass wir von unserem Wesen her eigentlich keine Individualisten sind. Wir sind nicht dafür gemacht, alleine zu sein. Und direkt nach einer Beziehung spürt man wohl am deutlichsten, was das bedeutet.

Ich denke nicht, dass ich dringend einen Partner brauche, um mein Leben mit jemandem teilen zu können. Ich habe tolle Freunde und eine super Familie. Was ich mich aber frage ist, bleibt denn bei all dem Drang nach Individualismus am Ende überhaupt noch Platz für einen Partner oder eine Partnerin im Leben? Und behindert mein eigener Anspruch an unbedingte Selbstständigkeit mich daran, eine Beziehung aufbauen zu können?

Liebe braucht Platz

Wenn ich mir einen Menschen vorstelle, der schon eine Weile keine Beziehung mehr hatte (dem aber grundsätzlich aber nicht abgeneigt ist), sehe ich natürlich keinen unglücklichen Menschen vor mir. Dieser Mensch hat sich ein eigenes Leben aufgebaut, sich gefunden und ist erfüllt von den Dingen, die ihn glücklich machen. Doch ist es nicht so, dass, je individueller wir unser Leben gestalten, desto weniger sind wir bereit Kompromisse zu machen und uns auf andere Menschen und ihre Eigenheiten einzulassen? “Lebe wie du willst und wo du willst!” wäre der Claim unserer Generation. Doch wo ist dort noch Platz für gemeinsame Entscheidungen. “Lebe wie du und dein Partner es wollen und wo du willst, wenn dein Partner mitkommen mag”?! Das klingt irgendwie weniger verlockend.

Zurück zu den Anfängen

Im Grunde aber bin ich davon überzeugt, dass ich lieber in einer Beziehung wäre, als allein zu sein. Aber ich spüre die Auswirkungen des Individualismus auch in meinem Leben. Während ich in meiner Beziehung Anfang 20 ausnahmslos alles mit meinem Partner geteilt habe, alles Leid und alle Freude, würde ich heutzutage immer entscheiden, ob bestimmte Probleme und Gedanken, Sorgen oder Ängste doch besser bei mir bleiben und ich sie alleine bewältigen kann. Mein Partner soll ja nicht mein seelischer Mülleimer sein. Ich möchte die Zeit mit ihm im eh schon hektischen Alltag auch genießen und einen Gegenwert schaffen. Gleichzeitig wünsche ich mir aber, dass mein Partner mich so gut kennt, wie sonst keiner auf der Welt.

Das ist paradox. Eine Person kann mich niemals richtig kennen, wenn sie die Hälfte meiner Gedanken nicht kennt. Und ist es nicht in gewisser Weise auch bevormundend davon auszugehen, dass sie mit meinen Gedanken vielleicht nicht klar kommen oder ich sie damit überfordern würde? Sollten wir nicht wieder viel mehr teilen können?

Und gleichzeitig ist ein der Trend zu Partnerschaft bis ans Lebensende zu beobachten. Immer mehr Pärchen heiraten wieder und versprechen sich, den Partner oder die Partnerin nie wieder alleine zu lassen. Sie wollen als Team dem Leben in unserer individualisierten und egoistischen Gemeinschaft entgegentreten.

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