11 Gründe, warum ich Listen gleichzeitig liebe und hasse

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Mit Listen jedoch ist es so eine Sache. Meistens finden wir sie ziemlich toll und praktisch, sonst wären wir nicht die Listen-Profis, die wir sind. Wer so viele Listen schreibt und liest, kennt auch die Kehrseite der Aufzählungen. Autorin Juliane hat deshalb zusammengetragen, was an Listen super und was manchmal zum Haareraufen an ihnen ist. Und das alles in Form einer, wer hätte es geahnt, Liste!

1. Listen sind praktisch

Ob Fahrradrouten im Sommer, Weihnachtsgeschenke im Winter, ob Listen über Dinge, die mir zu einer besseren Allgemeinbildung verhelfen oder Listen, die mich von genau dieser durch die derzeit besten Serien abhalten – Listen sind toll. Sie helfen mir dabei, den Alltag zu sondieren und ihm zu einer Linearität zu verhelfen, wie sie in unseren Parallelwelten zwischen Büro und Bar kaum möglich ist. Listen sortieren die Welt, und das ist dringend nötig! Wohin fahre ich eigentlich in den Urlaub? Welches Buch lese ich als nächstes? Und überhaupt, wo gehe ich eigentlich gleich essen?

2. Listen sind verdammte Besserwisser

Wie, Potsdam sei das neue Porto und meine Lieblingsbäckerei habe die schlechtesten Croissants der Stadt? Wer, bitteschön, schreibt denn diese Listen? Listenschreiber nehmen sich das Recht heraus zu bewerten, was besser, was schlechter, was gegenwärtig, was hingegen vorbei ist. Die Grundlage, auf der das geschieht, kann einem nur schleierhaft sein. Ich lasse mir doch von einer Liste nicht sagen, wo ich Urlaub mache! Und ein Croissant von Gegenüber nehme ich mir gleich mit!

3. Listen sind persönliche Wegweiser

Wieso regen mich manche Listen so dermaßen auf? Natürlich weil sie nicht nur meine eigenen Bewertungen nicht wiedergeben, nein, sie stellen sie auch noch in Frage. Das ist zwar eine Frechheit, im Grunde genommen aber eine ziemlich hilfreiche. Provokationen sollte man schließlich nutzen, um schlau zu werden. Bloß weil die objektiv besten Croissants auf dem letzten Platz der Stadt-Croissants liegen, ist das kein Angriff auf meine Geschmacksknospen.

4. Listen sind Spielverderber

Wobei, wenn jetzt alle listenhörigen Listenleser nach Potsdam fahren, bleibe ich doch besser bei Porto. Klar will ich wissen, was wo passiert. Aber doch nicht dabei sein, um alles in der Welt! Man sollte froh sein, wenn gute Orte, schicke Bars und leckere Bäckereien keine Presse kriegen. Dann bleiben immerhin die Trottel weg. Zumindest lebt man in dem Glauben, bis einem der erste Trottel in der munkeligen Lieblingskneipe über den Weg läuft, die in garantiert keiner Liste empfohlen wurde.

5. Listen sind gut zur Meinungsbildung

Natürlich interessieren mich die neue Bestsellerliste und die besten Bartender Europas. Deswegen muss ich aber nicht jeden ihrer Tresen abgrasen. Ich kann all das lesen, registrieren und trotzdem machen, was ich immer machen wollte. Ich kann einfach den Roman lesen, den die FAZ jüngst so zerrissen hat. Und es macht mir nichts, denn ich bin ein selbständiger und -denkender Mensch und kann entsprechend handeln. Ich mache nun nichts mehr (nicht) bloß wegen einer Liste. Das muss doch möglich sein. Das kann ich doch! Kann ich doch...

6. Listen sind gut für Chaoten

Manchmal kann man aber auch nicht. Oder will nicht. Beispiel: ein Katertag. Da ist es wichtig, dass man was zu essen bekommt. Wenn dann auch noch das Wetter schön ist und man partout nicht im Bett bleiben kann, ohne sich schlecht zu fühlen, ist eine Liste das beste deiner dunklen dumpfen Welt. Und es gibt für alles Listen, also auch für Katerfrühstück in deiner Stadt. Eitelkeit hin oder her, da streckt man die schlaffe Hand hilfreich gen Liste und möchte an die Hand genommen werden. Und an einen Tisch gesetzt. An solchen Tagen sind Listen die überlebenswichtige Krücke für ein matschiges, verpeiltes oder sonst wie unzurechnungfähiges Hirn.

7. Listen machen abhängig

Wer ständig auf Listen guckt, gerät in die Gefahr, die Listenwelt nie mehr zu verlassen. Schlimmer noch, so manch einer steckt gar so tief im Listensumpf, dass Listen gar von eigener Hand angelegt werden. Da gibt es dann Meta-Listen darüber, welche Listen wann angefertigt werden. 1. Liste der in Frage kommenden Online-Dates 2. Liste der möglichen Gerichte für das Abendessen 3. Einkaufsliste dafür...

8. Listen machen frei

Was jedoch einmal gelistet ist, erhält Einzug in einen neuen Existenzmodus. Was gelistet ist, ist quasi bereits wahr. Zumeist klar positioniert zwischen einer noch höheren Priorität und einem Nachfolger, ist ein jeder Listenpunkt so sicher verwahrt, dass man sich um die wichtigeren Dinge im Leben kümmern kann. Chaos verbreiten, zum Beispiel. Eine Liste ist der bürokratische Spielplatz, auf dem sich die formalen Lebensinhalte tummeln können, während ihr Besitzer friedlich daneben sitzt und ein Buch liest.

9. Listen sind kein Journalismus

Listen provozieren mich nicht nur, weil sie abgedruckte Klugscheißer sind, nein, sie stellen auch meinen journalistischen Beruf in Frage. Journalisten schreiben Texte. Texte bestehen aus einer Aneinanderreihung von Sätzen, die, wenn's denn richtig gut läuft, in einem Gesamtzusammenhang stehen, der komplexer ist als eine bloße Aufzählung. Wenn nun Menschen mit geisteswissenschaftlicher und journalistischer Ausbildung Geld für die Erstellung von Listen bekommen, habe ich Angst vor einer Welt, in der Geisteswissenschaftler und Journalisten für Geld Listen erstellen.

10. Listen sind Kunst

Schön wär's, wenn alle anständig ausgebildeten Menschen eine gute Liste erstellen können – ist nämlich nicht so. Für eine Liste muss man Gedanken in Stichworte pferchen, ohne dabei ihre Reihenfolge zu missachten. Es muss eine Dramaturgie aufgebaut werden, so dass eine Dialektik verfolgt wird, ohne absehbar zu werden. Eine Liste muss, wenn sie mit Gewissen erstellt sein will, ausgearbeitet und kuratiert werden, sie muss erlebt und geschrieben, muss aktuell oder ein Evergreen sein. Und da wohnt sie, die Eier legende Wollmilchsau.

11. Listen sind, was du draus machst

Listen sind eine eigentümliche Sache. Auf dem existenziellen Marsch zum Status des Texts auf halber Strecke liegengeblieben, obliegt ihrer Erstellung ein Prozess, der an Komplexität nicht zu unterschätzen ist. Und damit ist es keineswegs damit getan, 11 Bücher zu lesen oder 11 Croissants zu essen und sich dabei zu sehen, ob die Listenschreiber dieser Welt ähnlicher Meinung sind. Listen sind, was du draus machst – ob das eine Reise nach Potsdam, die schönste Einkaufsliste der Welt oder das elfmalige Hinterfragen des eigenen Verhaltens beim Lesen von Listen ist.

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