Wie es ist, wenn die Eltern wieder anfangen zu daten

© Clem Onojeghuo/ unsplash

Als Scheidungskind der ersten Stunde kann ich es mir gar nicht vorstellen, dass meine Eltern jemals ein Liebespaar waren. Vielmehr sind sie, seit ich denken kann, so etwas wie beste Freunde. Es überrascht mich also gar nicht so sehr, als ich letzte Woche mit meiner Mama telefonierte und sie mir ganz euphorisch erzählte, dass mein Papa sich mit einer neuen Frau treffe und sie nun hoffe, dass diese Frau endlich die "Richtige" für ihn sei. Von ihrer Euphorie ließ ich mich sofort anstecken und freute mich mit ihr, dass mein Papa endlich jemanden getroffen hat, den er mag.

Früher hat mich die elterliche Neugier an meinem Liebesleben genervt. Heute übertreffe ich sie vermutlich sogar noch.

Neugierig wie ich bin, will ich jetzt am liebsten sofort alles wissen: Wie haben sie sich kennengelernt, woher kommt sie, was macht sie, wie sieht sie aus, wie alt ist sie? Und am wichtigsten: Wurde sie dem Familienclan schon vorgestellt? Plötzlich erinnere ich mich an Gespräche mit meinen Eltern, wie ich ihnen das erste Mal von meinem neuen Freund erzählte. Mich hat die elterliche Neugier immer tierisch genervt. Jetzt übertreffe ich sie sogar noch.

So viel weiß ich schon: Kennengelernt hat die Neue bisher noch niemanden, aber sie fahren schon bald gemeinsam in den Urlaub – es wird ernst.

Als ich anderen davon erzähle, sind die meisten ziemlich überrascht, dass ich gemeinsam mit meiner Mama den neuesten Datinggossip meines Papas bequatsche und wir uns darüber freuen. Ich schätze, es ist nicht sonderlich üblich, dass getrennte Elternpaare noch so einen guten Draht zueinander haben und aus dem Status "verheiratet" in "beste Freunde" übergehen. Es ist ja auch eine zu schöne Vorstellung, die in der Realität in den seltensten Fällen funktioniert. Dazu kommt, dass es für viele vielleicht auch ein komisches Gefühl ist, den Eltern plötzlich beim Daten zuzusehen. Zum Beispiel wenn die Mutti – wie bei einer Kollegin geschehen – fragt, was sie denn in ihr Online-Dating-Profil eintragen solle und ihr beim nächsten Gespräch vom ersten Mal mit dem Neuen erzählt. Eltern sind da ja irgendwie offener und weniger verklemmt wie wir, als wir Kinder es waren.

Ich freue mich, wenn mein Papa aufgeregt ist und nicht weiß, was er auf eine Nachricht seiner Liebsten antworten soll.

Man hat ja auch zumindest als Kind oftmals noch unbewusst die Hoffnung, dass es irgendwann doch wieder zwischen den Eltern funkt. Spätestens wenn man selbst die erste Beziehung hinter sich hat, merkt man aber selbst, dass es wieder weitergehen muss und die nächste große Liebe gar nicht so weit weg sein kann.

Umso glücklicher bin ich, wenn mir meine Eltern erzählen, dass sie jemanden kennengelernt haben. Ich freue mich, wenn mein Papa aufgeregt ist und nicht weiß, was er auf eine Nachricht seiner Liebsten antworten soll, wenn er meine Schwester bittet, ihm sein Hemd zu bügeln, damit er sich für sein Date schick machen kann. Und wie schön ist es, die Aufgeregtheit vor den ersten Dates bei seinen eigenen Eltern beobachten zu können – wo doch dieser Moment meist den Eltern und ihren Kindern vorbehalten ist.

Zurück zur Startseite