Weißer wird’s nicht – "Diner en Blanc" ist Spießertum für Fortgeschrittene

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Ob ich nicht Lust hätte, zum „Diner en blanc“ mitzukommen, fragte mich jemand. Meine weiße Leinentunika, die weiße Stretchhose und die weißen Moccasins, die habe ich leider im Jahr 2004 gelassen, antworte ich. Könne nicht kommen, würde nicht kommen, man bräuchte mich auch nie wieder fragen. Eine Person weniger im WhatsApp-Gruppenchat. Für alle ein Segen, besonders für mich.

„Diner en blanc“, ich dachte, das gäbe es nicht mehr. Bis ich tatsächlich bei Facebook auf Fotos stoße. Düsseldorf, München, Berlin, ein lauer Juliabend, weiße Zähne, die in den Fokus der Kamera gehalten werden. In allen Städten sieht es aus wie beim Sommerfest der CSU. Das Motto: „Raffaelo – Vollkommen ohne Schokolade“. Weiße Menschen in weißer Kleidung, die, wie letztes Jahr in Berlin, lustvoll im Lustgarten sitzen und aus mitgebrachten Champagnerflöten süffeln. Das Leben genießen, endlich mal, bevor es in zwei Wochen an die Côte d'Azur geht. Und dort feiert man wahrscheinlich, ich ahne Schlimmes, am Nikki Beach weiter.

"In allen Städten sieht es aus wie beim Sommerfest der CSU."

München, 2015, ich scrolle mich durch 60 Bilder, die ich am Ende nicht auseinanderhalten kann. Jetzt wird mir klar, dass es tatsächlich nichts Weißeres als „Diner en blanc“ gibt. 500 weiße Menschen, die Anfang der 2000er mal Premium-Accounts bei Schwarzekarte hatten und heute mit ihren G-Klassen den Weinbergsweg versperren. Großstadtsafari, wie damals der Uropa, Kolonie in Westafrika. Man ist Anfang/Mitte 30, man ist frisch verheiratet, man diniert mit den engsten Freunden an einer langen Tafel und hat die Kinder bei der polnischen Nanny in der Stadtmaisonette gelassen. Was kann denn bitte geiler sein als ein „Diner en blanc“? Also, mir fallen auf Anhieb 85 Dinge ein.

Die Suchergebnisse bei Google führen an oberster Stelle zur Referenzpage. Sie heißt, ich freue mich wie ein Kullerkeks, „White Dinner Deutschland“. White Dinner Deutschland. Das muss man sich mal wie ein Wachtelei auf der Zunge zergehen lassen. Herrlich. Am 20. August findet eins in Hamburg Elmsbüttel statt. Vor meinem inneren Auge sehe ich Claudia Effenberg und Silvie Meis in ihren weißen Tunikas unterm Tisch knutschen, der englische Rasen hinterlässt grellgrüne Flecken auf ihren Arschbacken. Es könnte nicht schöner sein. Man ist, white white Baby, unter sich.

"Dieser inszenierte Flashmob ist in seiner Spießigkeit kaum zu übertreffen."

Versprochen werden sich Exklusivität, Spontanität und Chichi. Ganz unaufgeregt natürlich. L'état c'est nous – der Sonnenkönig könnte beim „Diner en blanc“ schamhaft in die Lehre gehen. Denn was als spontanes Picknick im Freien beworben wird, endet immer, ohne Ausnahme, als Renaissancegemälde, auf dem sich heitere Weiber gegenseitig die Feder zum Kotzen in den Hals stecken. Dieser inszenierte Flashmob ist in seiner Spießigkeit kaum zu übertreffen. Da wird selbst Berlin, das deutsche Enfant terrible, für einen Abend zu seinem bösen Zwilling aus Düsseldorf.

Ob ich also zum „Diner en blanc“ kommen möchte? Da sehe ich leider schwarz für uns.

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