Vorstellungsgespräch zur Berliner Wahl 2016: Ramona Pop für Bündnis 90/ Die Grünen

© Erik Marquardt / Grüne Berlin

Auf unsere "Stellenausschreibung" für die Berliner Abgeordneten Wahl hatte Ramona Pop sich als erste gemeldet, die Bewerbungsunterlagen reichte sie dann ein paar Tage zu spät ein. Weil wir uns trotzdem über die Antwort gefreut haben, drücken wir bei der Deadline heute ein Auge zu und begrüßen Ramona Pop vom Bündnis 90/ Die Grünen in unserer zweiten Vorstellungsrunde.

Ramona Pop (38) wurde 2001 mit knackigen 24 Jahren  das jüngste Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, seit 2009 ist sie Fraktionsvorsitzende in Mitte. Laut eigener Aussage qualifiziert sie sich für den Job, weil sie täglich mit Verbänden, Initivativen und vielen BürgerInnen Berlins im Gespräch ist. In ihrer Freizeit schaut sie gerne Castingshows. Ihre Lieblingssendung war vor zwei Jahren  die SPD-Show um den Posten des Regierenden Bürgermeisters "Wem gehört die Stadt".

Das Gespräch

Was können Sie ganz konkret für Berlin tun?

Einen echten Neustart für Berlin gibt es nur mit uns Grünen. Unsere Stadt braucht moderne Mobilität, bezahlbares und lebenswertes Wohnen und einen ÖPNV, der mit der Bevölkerung mitwächst. Wir wollen endlich Brücken, Fahrradwege, Schulen und Krankenhäuser sanieren und nicht die Steuergelder der Berliner*innen beim Staatsoper-Desaster und im Milliardengrab BER versenken. Wir gehen den ökologischen Reformstau an, damit Berlin nicht mehr anderen Städten dabei zusehen muss, wie sie eine moderne Energieinfrastruktur bekommen oder Fahrradweltmeister werden.

Was ist Ihre größte Stärke?

Eine der größten Herausforderungen für Berlin ist die Integration der zu uns geflüchteten Menschen. Ich bin mit zehn Jahren als Spätaussiedlerin nach Deutschland gekommen und habe selbst erlebt, dass gelungene Integration in Deutschland eher Glücksache war. Für mich ist es daher eine Herzensangelegenheit, dass wir hier die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Das gilt zum Beispiel auch für die unsägliche Diskussion um ein Verbot des Doppelpasses, die Frank Henkels CDU nun angezettelt hat.

Was ist Ihre größte Schwäche?

Kaffee und Optimismus. Im Ernst: Ich kann nicht gut Populismus. Ich will, dass die Lösungen, die wir in der Politik suchen, glaubwürdig sind und funktionieren. Das sind vielleicht nicht immer die bequemsten Antworten. Aber Populismus rächt sich, weil es in der Wirklichkeit eben niemals so einfach ist, wie die Populisten behaupten, und die Menschen sich dann zurecht auf den Arm genommen fühlen.

Welche Überzeugung vertreten Sie, die von der Allgemeinheit eher nicht vertreten wird?

Ganz ehrlich: Wer ernsthaft Politik macht, kämpft für die Umsetzung der eigenen Ideen und sucht daher parlamentarische Mehrheiten – statt nur selbstzufrieden von der Oppositionsbank aus zu stänkern.

Viele der Überzeugungen, für die die Grünen in der Vergangenheit gekämpft haben und die früher nicht mehrheitsfähig waren, sind inzwischen Mainstream. Wir werden nicht mehr ausgelacht für eine Welt ohne Atomkraft, für eine Energiepolitik gegen den Klimawandel oder für eine Gesellschaft mit gleichen Rechten auch für Frauen, Lesben oder Schwule.

Aber auch heute geht unser Kampf für eine offene Gesellschaft weiter, in der alle gleichberechtigt miteinander leben können. In der echte Teilhabe möglich ist. Für eine Welt, in der unsere Umwelt sauberer, unsere Wirtschaft nachhaltiger und unsere Stadt grüner ist.

Was war die größte Herausforderung der letzten 6 Monate und wie haben Sie diese gemeistert?

Zugegeben, es ist inzwischen etwas länger als sechs Monate her ... im Dezember 2015 hat das Abgeordnetenhaus den Doppelhaushalt 2016/2017 verhandelt. Wir haben als größte Oppositionspartei den selbstgefälligen Haushaltsentwurf der rot-schwarzen Koalition in den parlamentarischen Beratungen an einigen Stellen besser machen können. Und viele der besseren Ideen, die die SPD sich zueigen gemacht hat, sind eigentlich grüne Vorschläge. Schon vor Jahren haben wir beispielsweise mehr Investitionen in die marode Infrastruktur Berlins gefordert und wurden dafür verspottet. Im laufenden Doppelhaushalt heißt das Investitionsprogramm jetzt SIWA und die SPD verkauft es als ihre Erfindung.

Was haben Sie nicht so gut hinbekommen? Woran lag das?

Dass es in Berlin, wo es seit Jahren eine parlamentarische Mehrheit für eine zukunftsgewandte, ökologische und soziale Politik gibt, keinen Senat mit Grünen und SPD gibt, ist eigentlich ein Witz. Es gab nach der letzten Wahl die Chance, eine rot-grüne Regierung für Berlin zu bilden. Das ist damals an der Wowereit-SPD gescheitert. Deswegen muss Berlin seit 2011 mit der Großen Streit- und Stillstands-Koalition leben. Ich bedaure das und kämpfe für ein Wahlergebnis am 18. September, das es unmöglich macht, den Reformwillen der Berliner Wählerinnen und Wählern erneut zu ignorieren.

Was glauben Sie können Sie besser als Ihre Mitbewerber?

Wir wollen, dass sich Berlin bewegt und sich wieder etwas zutraut. Wir wollen eine neue politische Kultur, in der wir einander zuhören und im Miteinander unsere Stadt gestalten, statt notorisch dem eigenen Koalitionspartner oder – noch schlimmer – den Berliner Bürgerinnen und Bürgern und ihren Initiativen zu misstrauen. Winfried Kretschmann hat das 2011 eine Politik des Gehörtwerdens genannt und zeigt seitdem in Baden-Württemberg erfolgreich, dass wir Grüne es damit ernst meinen. Basta-Politik ist nicht mehr zeitgemäß.

Wo sehen Sie sich selbst in 5 Jahren?

Ich sehe mich in einem Berlin, das seiner Hauptstadtrolle auch menschlich gerecht wird, eine Metropole, die zusammenhält. In einer wachsenden Stadt, die ökonomisch Fahrt aufnimmt, die Hauptstadt der Startups und der grünen Wirtschaft ist. Ich sehe ein Berlin, das in jeder Hinsicht geräuscharm einen Flughafen wie selbstverständlich betreibt, ein Berlin, das stolz ist auf seine moderne Verwaltung, bei der jedeR schnell einen Termin bekommt und sich viele Verwaltungsvorgänge einfach online erledigen lassen. Und nicht zuletzt sehe ich mich in einer europäischen Metropole, die für Freiheit und Vielfalt steht und in der jedeR nach seiner Fasson glücklich werden kann.

Der alte Wowereit-Spruch "Berlin ist arm, aber sexy“ soll übermalt werden. Was schreiben Sie hin?

Ich finde ja, dass „arm, aber sexy“ erst griffig klingt, aber von Anfang an zynisch war gegenüber vielen in der Stadt, denen es nicht so gut geht. Ich bin da eher für Inhalte als für Flapsigkeit und wenn es heißen sollte „Berlin – Stadt Möglichkeiten“ wäre ich damit schon einverstanden.

Wie ist Ihre Gehaltsvorstellung?

Machen Sie sich um mich mal keine Gedanken. Was mir Sorgen macht, ist die Kinderarmut in unserer Stadt. Jedes dritte Berliner Kind wächst in Armut auf, das Durchschnittseinkommen bleibt hinter der galoppierenden Mietentwicklung deutlich zurück und man spricht von der Hauptstadt der prekären Beschäftigung. Dieses Problem haben im Senat weder SPD, CDU noch zuvor die Linkspartei richtig angepackt. Wenn Berlin wirtschaftlich wächst, müssen auch alle davon profitieren.

Und zum Schluss: Haben Sie noch Fragen an uns?

Ich habe eigentlich nur eine Bitte. Ich bin in einer Diktatur aufgewachsen und weiß sehr genau, wie es ist, nichts mitentscheiden zu dürfen. Deswegen empfinde ich jeden Tag aufs Neue Dankbarkeit für unsere offene Demokratie, unseren Rechtsstaat und seine Institutionen. Das ist nichts, was wir leichtfertig auf's Spiel setzen dürfen und wo wir keineswegs den dumpfen Parolen von Rechtspopulisten gleichgültig zuschauen dürfen.

Meine Bitte ist daher, am 18. September ein Zeichen für die Demokratie in unserer Stadt zu setzen und zur Wahl zu gehen!

Vielen Dank.

© giphy

Ein Vergnügen für Berlin

In unseren Ausschreibungen bitten wir die Bewerber immer um ein Vergnügen für Berlin. Ramona Pop wünscht uns:

"Eine lebendige und optimistische Stadt mit bezahlbaren Mieten, einer gesunden Stadtnatur und sauberer Luft zum Atmen – beim Baden in der Spree!"

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