Schwaben-Bashing ade – Berlin, such dir neue Feindbilder!

Eigentlich dachte ich, ich wäre in Berlin trotz meiner schwäbischen Herkunft mittlerweile völlig assimiliert, abgebrüht und immun gegen die üblichen Anfeindungen in Richtung der Bewohner meiner Heimat. Denn zumindest in meinem Umfeld und wahrscheinlich sogar in meiner Generation von Exilschwaben in Berlin merkt man keinen großen Unterschied mehr, ob eine Person aus Reutlingen, Osnabrück oder Greifswald kommt. Wir arbeiten in den gleichen Agenturen, lesen dieselben Online-Magazine und haben wahrscheinlich durch unser Auslandssemester irgendwo gemeinsame Freunde in Barcelona.

Wenn ich dann aber mal wieder on- oder offline einen Kommentar zu Ohren bekomme, indem völlig ohne Zusammenhang "Die ist bestimmt Schwäbin!" oder "Scheiß Schwaben!" gerufen wird, dann fällt mir immer noch fast die Brezel aus dem Mund. Was soll das denn? Seit wann ist die Herkunft aus einem bestimmten Bundesland zum Synonym für alles Schlechte und Nervige an Menschen geworden? Kann sich Berlin vielleicht mal andere Feindbilder suchen? Kandidaten gibt es ja zur Genüge!

Ein bisschen Wind of Change würde dem lahmen, völlig ausgelutschten Schwabenhass definitiv gut tun.

Was ist zum Beispiel mit Sachsen? Die versteht man mindestens so schlecht wie Schwaben und sie sind definitiv schlechter gekleidet. Und bei der Entscheidung zwischen "Lügenpresse" und Spätzlepresse ist letztere eindeutig vorzuziehen. Oder was ist mit Ostfriesen? Die waren früher schon immer gern genommene Zielscheibe und spätestens mit den Otto-Filmen hat sich ihr Ruf von unterdurchschnittlicher Intelligenz tief im kollektiven Gedächtnis verankert, sodass man leicht wieder daran anküpfen könnte. Gute Kandidaten wären auch die Zugereisten aus Hannover: Die bringen nichts mit, die bieten nichts an, keinen lustigen Dialekt, keine kulinarischen Delikatessen, aber dafür haben sie großes Elend wie zum Beispiel die Scorpions. Ein bisschen Wind of Change würde dem lahmen, völlig ausgelutschten Schwabenhass jedenfalls gut tun.

Die Probleme in dieser Stadt sind leider nicht auf schwäbischem Boden gewachsen, sondern das Ergebnis jahrzehntelanger gemeinschaftlicher Idiotie.

Oder ganz naheliegend gedacht: Berliner, warum kehrt ihr nicht vor eurer eigenen Tür? Warum nicht einfach mal rundheraus zugeben, dass ihr zwar Hauptstädter seid, aber damit keineswegs die besseren Menschen? Die Probleme in dieser Stadt sind leider nicht auf schwäbischem Boden gewachsen, sondern das Ergebnis von gemeinsamen Fehlentscheidungen und jahrzehntelanger gemeinschaftlicher Idiotie. Befolgt doch zum Beispiel den Rat, der hierzuorts gerne in Seminaren für junge Führungspersönlichkeiten gelehrt wird: Es hilft nicht, nach einem Schuldigen für ein Problem zu suchen, es ändert weder an der Gegenwart noch an der Zukunft etwas. Stattdessen wäre es sinnvoller, konstruktiv die bestehenden Missständen anzugehen, statt sie auf den Schultern von uns arglosen, friedfertigen Häuslebauern abzuladen.

Denn ihr könnt uns gerne für unseren Dialekt auslachen oder weiterhin Mayonnaise an euren Kartoffelsalat dranhauen, weil ihr nicht einsehen wollt, dass das, pardon my french, beschissen schmeckt. Aber Menschen aufgrund ihrer Herkunft auszugrenzen, und das gilt international genauso wie national, ist, wie uns die Geschichte lehrt, definitiv ein schwieriger Ansatz. Und ja, ihr dürft jetzt in die Kommentare schreiben, dass "die Autorin besser wieder in ihre Heimat abhauen" sollte oder ich wohl "zu viel rohen Spätzleteig genascht" habe, denn da hab ich mir mittlerweile ein bisschen was von der Berliner Schnauze abgeschaut: Dit is' mir janz egal.

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