Kann man sein Leben in drei Stunden ändern? Ein Besuch in der School of Life

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Es gibt verschiedene Strategien, um die großen und kleinen Fragen des Lebens zu beantworten: Man kann sie mit Freunden, seinem Haustier, den Zimmerpflanzen oder einer Flasche Wein besprechen, googeln, ein Youtube-Tutorial schauen oder den ganzen Rucksack voller Fragezeichen zu einem Therapeut oder zu Mama auf den Küchentisch tragen. Oder aber einen Vortrag in der School of Life im Prenzlauer Berg besuchen.

Von draußen könnte man meinen, es handle sich um einen Buchladen oder eine Art Galerie. Tatsächlich verschwimmen hier die Disziplinen zwischen Kunst, Literatur, Philosophie und Psychologie. Entstanden ist die School of Life 2008 in London durch Sophie Howarth, die damals im Tate Museum arbeitete und über Bekannte den Schriftsteller Alain de Botton kennenlernte. Gemeinsam erarbeiteten sie ein Konzept, wie mit Vorträgen, Diskussionsrunden und Workshops die Lehre des guten, klugen Lebens weitervermittelt und konkret umgesetzt werden kann.

Fühlt sich erstmal seltsam an, einer Fremden gegenüber auszusprechen, was man sich selbst fast nicht zu denken traut.

Seit 2010 gibt es die Schule des Lebens auch in Berlin. Die Themenliste der Abendkurse liest sich einladend und zeitgeistnah: "How To: Die Kunst, gute Gespräche zu führen", ein Special Event mit dem Titel "Schluss mit dem ewigen Aufschieben" oder ein Sonntagstalk über "die Sehnsucht nach Gegenwärtigkeit im Zeitalter der Beschleunigung".

Das Thema des Kurses, den ich besuche, heißt "How To: Sein eigenes Potenzial verwirklichen". An diesem Abend treffe ich sieben andere Frauen im Alter zwischen Mitte 20 und Ende 50, die das auch wissen wollen. Nach einem kurzen Kennenlernen beginnen wir mit Klemmbrettern ausgestattet den Abend im Kursraum nebenan, durch den uns Michele als Coach und Moderatorin führt. Gleich als erste Aufgabe sollen wir unserer Sitznachbarin erklären, was Potenzial für uns bedeutet und an welcher Stelle in unserem Leben wir gerne unser Potenzial besser nutzen würden. Fühlt sich erstmal seltsam an, mit einer Fremden direkt so tief einzusteigen.

Es ist eine Mischung aus Therapiestunde, Brainstorming und wohldosiertem Größenwahn für Großstädter.

Aber es funktioniert. Sofort entsteht ein Gefühl der Verbundenheit unter den Teilnehmerinnen – und die kleine Idee, die jede von uns mitgebracht hat, steht plötzlich ganz konkret und klar im Raum: Beruflich eine komplette Kehrtwende vollziehen, endlich Harfe spielen lernen, Goldschmiedin werden, eine Theatergruppe gründen – das sind nur einige der Wünsche, die da teilweise zum ersten Mal laut ausgesprochen werden.

Im Laufe des Abends wechseln wir die Gesprächspartnerinnen, lauschen den philosophischen Exkursen von Michele und betrachten uns und unsere Idee aus allen möglichen Perspektiven: Welche Werte liegen meiner Idee zugrunde, was treibt mich an? Wie passt das alles zu meinem restlichen Leben? Ist jetzt der richtige Zeitpunkt für Veränderung und wenn nein, welche Weichen müsste ich stellen? Nach einer kleinen Verschnaufpause landen wir schließlich bei den konkreten Schritten, wie wir unser Potenzial nun umsetzen wollen: Der eine entscheidende Anruf, der erste Termin beim Steuerberater – der bodenständige Teil beim Träume verwirklichen ist manchmal ganz schön unglamourös.

Es ist eine Mischung aus Therapiestunde, Brainstorming und wohldosiertem Größenwahn für Großstädter. Mit Esoterik, Klangschalenmassage oder zuckerfreier Selbstoptimierung hat das Ganze, wie ich vorher ein wenig befürchtet hatte, zum Glück nichts zu tun. Die Methode ist einfach, aber wirksam: Jede Aufgabe hat ein knappes Zeitlimit, was uns zwingt, auf den Punkt zu kommen und konkret zu bleiben. Durch den Austausch mit anderen fällt es leichter, sich von alten Ängsten und Zweifeln zu lösen.

Bleibt nun abzuwarten, welche der Teilnehmerinnen man demnächst im Kurs "Schluss mit dem Aufschieben" wiedersieht.

Nach knapp drei Stunden ist der Kurs zu Ende: Zurück bleiben eine gelöste Stimmung und ein Gefühl von Energie und realistischem Optimismus. Dass der Weg zur Goldschmiedin unweigerlich über ein Praktikum führt, war der Teilnehmerin auch schon vorher klar. Aber die Hürde im Kopf, dass man doch nicht einfach mit Mitte 30 nochmal ein Praktikum machen könne, ist nun einem entschlossenen "Ich mach das jetzt einfach." gewichen. Bleibt nun abzuwarten, welche der Teilnehmerinnen man demnächst im Kurs "Schluss mit dem Aufschieben" wiedersieht, den gibt es nämlich auch.

Kann man also innerhalb der dreistündigen Unterrichtsstunde in der School of Life eine lebensverändernde Lektion lernen? Natürlich nicht. Die Kurse sind, das erklärt Michele auch gleich zu Beginn, eher als eine Art Buffet gedacht, bei dem man sich verschiedene Denkanstöße und Impulse holen kann. Für 40 Euro Kurspreis allerdings kein günstiges. Warum sich ein Besuch trotzdem lohnt: Es ist eine undogmatische und vergleichsweise schnelle Art, um die "Fast Forward"-Taste bei der persönlichen Entwicklung zu drücken und Menschen kennenzulernen, die sich mit den gleichen Fragen beschäftigen.

School of Life Berlin | Lychener Str. 7, 10437 Berlin | Montag – Samstag: 11–18 Uhr

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