Hass, Liebe, Berlin – Ein Gedicht an Berlin-Mitte

Zwischen Regierungsviertel und Friedrichshain,
markiert von Mauerstreifen im Norden und Süden,
mitten im Herzen unserer singenden Stadt
liegt ein Ort, den kein Berliner
jemals betreten hat.

Auf seinen Straßen fahren nur Taxis und Bierbikes,
jede Klingel trägt den Namen AIRBNB.
Wer deutsch spricht, gilt hier als Exzentriker,
in Mitte, der Heimat des
Volks der Touristen.

Sie dümpeln auf Dampfern die Spree hinunter,
wirbeln im Sturm mit dem Fesselballon,
sie tanzen frohlockend auf den Holocaust-Stelen,
stehen offenen Mundes vorm Fernsehturm.

In Mitte fahren die Polizisten Streife auf Segways,
die Soldaten stehen für zwei Euro am Checkpoint Charlie Modell,
der Geheimdienst lässt sich die Armaturen aus seinem Hauptquartier klauen,
im Roten Rathaus geht der Geist von King Wowi umher.

Seit dem Alten Fritz ist Mitte
das Epizentrum der Schrulligkeiten,
seine Gendarmenmarkt-Kuppeln kitzeln
den Himmel ebenso sinnlos wie prächtig.
Später mussten die schönsten Paläste
dem Asbest-Chic der DDR-Bonzen weichen,
und nun wird Erichs Lampenladen
durch ein Pappschloss ersetzt.

Als Berliner kann man über die Bewohner von Mitte nur staunen,
über ihre Vorliebe vorm Pergamon Schlange zu stehen,
ihren Hang zum Boule-Spiel im Weinbergspark.
War auf der Alten Schönhauser je einer shoppen,
der dafür nicht aus Paris und Rom angereist kam?
Sah sich ein Berliner je ein Musical im Admiralspalast an?

Für mich ist „Unter den Linden“
genauso weit weg wie der Broadway.
Von Torstraße und Arkonaplatz hab ich
nur Gerüchte gehört.

Und doch ist es schön,
dass es dort irgendwo liegt,
das Reich der Mitte
unserer johlenden Stadt.


Titelfoto: © sebaso/flickrCC

Zurück zur Startseite