Eine kleine Internet-Zeitreise – Besuch im M@cBeam Internetcafé
Kurz nach dem Jahrtausendwechsel zwang mich meine erste Fernbeziehung an das neue Medium Internet. Wie fast 50% der Berliner besaß ich damals noch keinen eigenen Computer, also ging ich ganz selbstverständlich in eines der gefühlt Millionen Internetcafés, die täglich in Berlin feierlich mit ein par bunten Ballons an der Fassade eröffneten.
Zeit, zurückzukehren in das M@cBeam auf der Frankfurter Allee, dem Internetcafé, wo ich einst meine allererste Email-Adresse ([email protected]) eingerichtet habe. Viele Jahre sind vergangen, aber der Laden existiert tatsächlich noch immer an gleicher Stelle, im identischen Look und – vielleicht die größte Überraschung – er ist ziemlich gut gefüllt.
Ich bekomme fix einen Rechner zugewiesen und, kaum hingesetzt, bin ich wieder mitten in den frühen Nuller-Jahren. Die alten Tastaturen klackern, die Mausrädchen rattern, Schwammtechnik ziert die Wände und eine Stereo-Anlage untermalt die Szenerie dezent mit „Murder on a Dancefloor“. Total verrückt, alles ist exakt wie früher, nur das parallel noch mit dem Smartphone hantiert wird.
Ich könnte vielleicht mal wieder etwas illegal herunterladen und auf einen Stick speichern.
Ich versuche wild drauf los zu surfen und verspüre ein kleines Gefühl von Freiheit, ohne diese diffuse Angst vor Viren, Phishing oder der NSA. Ich könnte vielleicht mal wieder etwas illegal herunterladen und auf einen Stick packen... Aber der Grund, warum heutzutage die meisten Menschen herkommen, ist definitiv ein anderer: Hier bekommt man den Support, den viele immer noch benötigen. Der nette Herr vom Counter springt von einem PC zum nächsten, er hat jedes Kabel und weiß sogar, wie man mehrere PDFs zusammenfügt. Während die Kundschaft druckt, chattet und Tabellen erstellt, laufen Jugendliche ungläubig an der großen Fensterfront vorbei und denken wohl, dass diese armen alten Menschen alle keinen festen Wohnsitz haben. Einige dieser "armen Menschen" haben hier tatsächlich scheinbar sogar dauerhaft ihr Büro eingerichtet, andere hingegen spielen allen Ernstes einfach nur Solitaire, obwohl das Smartphone direkt neben dem alten 4:3-Display bereit liegt. Vielleicht wie ich auch nur Zeitreisende.
Früher kam ich kurz her, checkte meine drei Mails, schaute mir ein paar harmlose Pornobilder an und nach 15 Minuten war der Spuk vorbei.
Ich versuche, weiter zu surfen, so wie ich es damals getan hab. Ich würde es aber eher ein vorsichtiges Stöbern nennen, denn früher war das Auge noch nicht ganz so abgestumpft von diesen vielen unschönen Bildern, die einem täglich heutzutage ganz selbstverständlich im Netz begegnen. Früher kam ich kurz her, habe meine drei Mails gecheckt, mir ein par harmlose Pornobilder angesehen und nach 15 Minuten war der Spuk vorbei. Dass ich heutzutage quasi 24 Stunden am Tag online bin, konnte ich mir unmöglich vorstellen und hätte es "verdammt uncool" gefunden. Meine Wiederkehr in das M@cBeam macht mich doch nachdenklicher, als erwartet, und hinterlässt Zweifel an der Sinnhaftigkeit meines ständigen Internet-Konsums.
Ich bezahle für meine halbe Stunde Internetzeitreise und ein Knoppers 5 Euro und checke vorsichtshalber nochmal mobil meine Mails auf dem Weg zur Tram.