Der wundersame Kosmos zwischen Rezeption und Minibar – Eine Ode an Hotels

© Szene aus "Hotel Chevalier"

Provence, 1998. Ich erinnere mich noch sehr genau an diesen Urlaub mit meiner Familie in Südfrankreich, von dem ich noch Jahre später schwärmte. Nicht wegen des Meeres, der Crêpes Suzette oder der ständigen, leichten Sedierung durch die duftenden Lavendelfelder. Es lag einzig und allein an dem Hotel, in dem wir übernachteten. Ein kleines, geducktes Bergschlösschen, eingehauen in die pudrigen Sandfelsen des Lubéron-Gebirges. Dunkel vertäfelte Wände, schwere Vorhänge aus verblichenem grünem Samt und goldene Kordeln daran. Dazu ein pompöses Himmelbett, verschnörkelte Balkonbalustraden und ein barocker Spiegel über dem Waschbecken. Meine Mutter erzählt bis heute gerne die Anekdote, wie ich ins Bidet pinkelte, weil ich es bei all der mich umgebenden Grandezza für eine besonders vornehme Toilette hielt. Damals fühlte ich mich wie im Märchenfilm und hätte den ganzen Urlaub lang nichts lieber getan, als mich im Speisesaal von Kronleuchter zu Kronleuchter zu schwingen und in jedem Zimmer eine Runde auf dem gut gefederten, quietschenden Bett zu hüpfen.

In Zeiten von Airbnb-Tourismus umwehen Hotels ein Hauch von Spießertum

Auch mit nunmehr 18 Jahren Abstand hat sich an meiner Faszination für Hotels nichts geändert. Wenngleich ich es in Zeiten des zwanghaft authentischen Airbnb-Tourismus mitunter ungern zugebe, denn in unserer Generation umwehen Hotels ein Hauch von Spießertum. Und nicht nur das: Wer die klassische Unterbringung im 14-Quadratmeter-Standardzimmer (Frühstück 8 Euro extra) wählt, markiert sich damit fast schon als Scheuklappentourist, der sich weder für Land, Leute noch Umgebung interessiert. Das „Frühstück kontinental“ steht, diametral zu seinem Namen, symbolhaft für den klassischen Antikosmopoliten.

Dabei sind Hotels als temporäre Ersatzheimat für Reisende aus der Kultur- und auch Popgeschichte nicht mehr wegzudenken. Das berühmte "Hotel California" der Eagles gibt es enttäuschenderweise nicht wirklich, wohl aber das von Leonard Cohen oder Rufus Wainwright besungene Chelsea Hotel. Ins Heartbreak Hotel schleppen sich die mit gebrochenem Herzen, hoffnungslos einsame Seelen finden in Chris Isaaks „Blue Hotel“ Zuflucht. Egal, aus welchem Grund der Reisende das Hotel der kostenlosen Schlafcouch eines Fremden oder der „cosy, clean and central" Privatwohnung vorzieht und egal, ob sich das Etablissement mit einen oder fünf Sternen schmückt, sie haben alle eines gemeinsam: Es sind Zwischenorte; Auffangbehälter für die eigene, zwischen Kofferdeckeln eingepackte Existenz.

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Scheue Begegnungen im Aufzug, verlegenes Lächeln, höfliche Minimalgesten der Verbundenheit

Gestapelt in mehrstöckigen Gebäudekomplexen sagen Hotelgäste zur Umgebung: Wir sind nicht von hier und wir versuchen auch nicht, so zu tun. Sich zu seiner Fremdheit zu bekennen, sei es nur in der nächstgrößeren Stadt oder in einem noch nie zuvor bereisten Land mit anderer Zeitzone, fällt uns zunehmend schwer. Dabei liegen die Vorteile eines Hotels klar auf der Hand: Innerhalb seiner Gemäuer wird man als Gast behandelt und Gast sein ist etwas sehr Schönes. Dazu noch im Bett frühstücken, dabei durch schräge internationale TV-Sender zappen und eingehüllt im Bademantel die schmeichelhaft weichzeichnende Beleuchtung des Badezimmer genießen.

Und in der Privatsphäre eines noch so drögen Hotelzimmers können zu später Stunde durchaus allerhand aufregende Dinge passieren. Das findet auch der bekannte Gegenwartsphilosoph Pitbull, wenn er singt: "We at the hotel, motel, Holiday Inn/ After party in hotel lobby/ then we off to the room like vroom!“. Vroom, genau. Der Rest bleibt der Fantasie überlassen, zumindest soweit das die dünnen Wände erlauben.

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Aus dem kollektiven Fremdsein und Unterwegsgefühl entstehen nicht immer, aber manchmal diese Momente, die man sonst nur aus der Parfumwerbung kennt. Die scheuen Begegnungen im Aufzug, verlegenes Lächeln im Flur, höfliche Minimalgesten der Verbundenheit. Und eben auch: jähes Rollkoffergewuchte, keifende Familien, die kleinen Dramen an der Rezeption, träge Gefechte um den letzten Schluck Kaffee am Frühstücksbuffet. In der geschützten Umgebung des Hotels entsteht das, was in gewisser Weise authentischer ist, als alles, was das „lovely rustic appartment in old town only 2km to beach“ bieten könnte: Menschliches Miteinander mit allen spontanen Sympathien und Wunderlichkeiten. Stets getragen von der doch beruhigenden Gewissheit, dass jeder irgendwann abreisen und man sich vermutlich nie wieder sehen wird.

In der geschützten Umgebung des Hotels entsteht das, was in gewisser Weise authentischer ist als alles, was ein Airbnb-Apartment je bieten könnte.

Was bleibt, sind Erinnerungen an Augenblicke zwischen Check-In und dem letzten Zuklicken der Zimmertür. "I remember you well at the Chelsea Hotel" singt Leonard Cohen und erzählt uns zum Abschied eine Geschichte:

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