Berlingeschehen – Meskalinrausch im Berghain

Wir haben San Pedro-Kaktus gekocht, Dorian, Naomi und ich. Es heißt, wenn man ihn nicht unten behalten kann, wirkt das Mescalin noch stärker. Wir konnten ihn nicht unten behalten. Jetzt sitzen wir in der U2 und wissen nicht recht, wohin.

„Ich muss kacken“, sagt Dorian. „Lasst uns ins Berghain fahren.“
Naomi schaut fragend zu mir. „Kann er das nicht auch woanders?“
„Nein“, sag ich. „Dorian kackt nur noch in Clubs.“
„Aber da ist es doch dreckig.“
„Das schon. Und meistens kann man die Tür nicht verriegeln. Aber ohne Adrenalin kann er nicht mehr.“
„Okay. Dann ins Berghain.“

Gute Türsteher erkennen psychedelische Drogen schon aus hundert Meter Entfernung. Pilze, Pappen, Kakteen bedeuten Ärger im Club. Doch mein Gesicht ist nicht unbekannt, weshalb die Jungs manchmal großzügig sind. Der Kollege, von dem sie sagen, dass er Krav Maga beherrscht, studiert meine Pupillen.

„Na, meinetwegen“, sagt er und runzelt die Stirn. „Aber pass bloß auf deine Freunde auf.“ Das mag ich so am Berghain. Wo Lehrer und Chefs, Richter und Polizisten immerzu falsch lagen, scheinen die Türsteher hier das Unmögliche zu vollbringen: Sie blicken in die Seele des Delinquenten und fällen das richtige Urteil. Wie lange habe ich mich nach einer solchen Instanz gesehnt. Natürlich werde ich anders darüber denken, wenn sie mich zum ersten Mal abweisen.

„Hätte nicht gedacht, dass wir rein kommen, so wie wir aussehen“, sagt Dorian.
„Sei still.“
„Ja, ist gut. Ich bin dann mal kacken.“

Es ist heiß in dem Laden, zu heiß. Man kann nicht tanzen, nicht sitzen, nicht stehen. Ich geh mit Naomi zur oberen Bar. Die Art, wie sie mich immerzu anschaut, zeigt mir, dass sie die gleichen Optics wie ich haben muss: Jedes nicht vertraute Gesicht verzerrt sich zu absurden Grimassen. Nicht sehr schlimm, aber hinderlich, wenn man normal wirken will.

„Kommst du gerne her?“, fragt sie.
„Lieber als in die meisten Clubs.“
„Und warum?“
„Keine Ahnung. Vielleicht weil die Leute so angenehm sind. Wenn mir hier jemand über den Weg läuft, freut er sich, dass ich auch da bin. Im Kater wird man immer gescannt. Nach dem Motto: Was hast’n du hier verloren?“
„Ich bin mir nicht sicher, ob es eine gute Idee war, herzukommen.“

Ich bemerke, dass ihre Pupillen ständig die Größe verändern. Es sieht aus, als pulsierten sie. „Schau einfach mich an“, sag ich. „Dann ist es nicht schlimm. Und lass uns was trinken.“ Kein Mensch kann das Entsetzen beschreiben, das der Barkeeper mir einflößt. Sagen, was ich gern möchte, warten, das Geld rüber reichen. Purer Sadismus. Ich reiß mich zusammen und geb Naomi das Bier. Sie lächelt.

„Ich mag dich“, sagt sie.
„Ich mag dich auch.“
„Und? Warum dehnen wir unsere Freundschaft nicht aus?“
„Du meinst Sex?“
„Zum Beispiel.”
„Wenn du meinst, dass das gut ist.“

Sie küsst meinen Mund und eine Welle von Liebe durchspült mich. Mein Mund verrät nichts davon. Liebe und Sex sind urbane Mythen, denk ich. Dann kommt Dorian vom Kacken zurück. Er ist guter Dinge, obwohl in seinem rechten Auge ein Veilchen blüht. Ich frag ihn, wie das passiert ist. Er zuckt mit den Schultern und bestellt sich ein Bier, seine Hände umklammern den Tresen.


Titelbild: © Kyra Sophie

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