Donnerstag, 06.06. Andreas Mühe "Obersalzberg" – Carlier|Gebauer
Im Newsletter haben wir geschrieben, dass wenn es nur noch einen deutschen Fotografen geben dürfte, es bitte Andreas Mühe sein sollte. Dabei haben wir keinesfalls zu hoch angesetzt. Was für Amerika William Eggleston, für Großbritanien Martin Parr ist, dass ist für Deutschland Andreas Mühe. Denn bei diesen drei Fotografen hat die eigene Herkunft einen festen Bestandteil in der Bildsprache gefunden. Sie arbeiten sich an Geschichten, Mythen und Ideologien ihres Landes ab. Während Parr in Vergnügungsparks und Restaurants seinen Landsmännern spontan auflauert und sie voyeuristisch abblitzt, erarbeitet Mühe vorher detailliert und kalkuliert seine Motive aus. Typisch deutsch.
Die Art wie das Licht gesetzt wird, um die Konturen der Objekte scharf hervor zu arbeiten, wie akkurat die Bilder arrangiert und handwerklich brilliant umgesetzt sind, das ist die Übersetzung deutscher Wertarbeit in die Fotografie. Hier wird nichts dem Zufall überlassen. Berühmt, das Portrait von Angela Merkel, die er in eine seiner großen Landschaften in den untersten Bildrand drängt und dann auch noch von hinten fotografiert hat. Man erkennt sie dennoch sofort, weil Merkel und Mühe in diesem Bild zu sehen sind. Weil ihre Herkunft zu sehen ist. Weil ihre Geschichte zu sehen ist. Unverwechselbar.
Seit 2007 beschäftigt sich Andreas Mühe mit dem Bildzyklus »Obersalzberg«, was den Mittelpunkt seiner aktuellen Ausstellung darstellt. Gewaltige Landschaftsaufnahmen zeigen, was die Nazis in Berchtesgarden täglich gesehen haben, wie sie mit den kitschigen Panoramen ihre Allmachtsfantasien beflügelt haben. Er entschlüsselt Dokumente der Zeit, fotografiert gescheitelte Freunde in Uniformen und stellt dem Foto eine nackte Variante gegenüber. Wir sehen, welche Wirkung Kleidung auf uns hat und wie der »Obersalzberg« zur Modestudie wird. Daran wird deutlich: Andreas Mühe hat nie nur eine Ebene. Denn deutsche Wertarbeit ist das eine, aber das schaffen auch andere Fotografen, wenn sie nur fleißig genug üben. Andreas Mühe ist viel mehr noch ein großer Geschichtenerzähler, der Bildgeschichten erzählt, die voller Poesie sind.
Es sind großformatige Gedichte die selbst zum Teil einer Historie werden. Und auf so jemanden kann man nicht verzichten.
Die Ausstellung läuft noch bis zum 27. Juli und ist jede Woche von Dienstag bis Samstag zwischen 11 Uhr und 18 Uhr geöffnet.
Matze Hielscher 
