Donnerstag, 03.01. Deichkind »Eine Prise Mythos« - Im Buchhandel
Auf einem Bild sieht man vier Männer im Backstage vor einem Spiegel. Die Turnschuhe sind mit Neonfarbe besprüht, als Hosen und Oberteile tragen sie Müllsäcke, die mit Gaffa in Form gebracht wurden. Einer der Männer ist mit den Simpsons, South Park- und Totenkopfmotiven tätowiert. Er schaut sich im Spiegel an, hat einen dicken Bauch. Ein Anderer schmiert sich Farbe ins Gesicht, vor ihm eine Flasche Sekt. Man sieht nicht wer diese Männer sind, weiß aber sofort: Das sind Deichkind.
Die Band hat ihre Identifikationfiguren abgeschafft. In dem gerade erschienen Fotoband von Nikolaus Brade sehen wir ein Ensemble, das jeden Abend eine Choreografie der Maßlosigkeit aufführt. Wildgewordene Gaffaaffen unterwegs in Frankfurt, Braunschweig, Düsseldorf. Die Orte spielen keine Rolle, die Mitglieder ebenfalls nicht. Alles ist austauschbar, alles ist Deichkind - beim genaueren Betrachten sieht man das. Vor Jahren waren Deichkind noch eine HipHop Band. »Nicke mit dem Beat und beweg dein Arsch, wenn das Deichkind am Mike ist.« Schon damals hatten sie Probleme mit einem klassischen Genrekorsett. Der DJ hat gern im Liegen aufgelegt, im Backstage wurden Countrylieder gesungen. Mit dem dritten Album "Aufstand im Schlaraffenland" und dem Überhit "Remmidemmi" fing die Befreiung der Befindlichkeiten an, die vor der Band selbst kein Halt gemacht hat - von den vier Gründungsmitgliedern ist nur noch eins übrig.
Normalerweise geben Bandfotobände ein wenig vom Innenleben der Musiker Preis. In diesem Buch erfahren wir trotz der vielen Bilder überhaupt nichts. Nicolas Brade Fotos locken uns in ein farbenfrohes Labyrinth aus dem wir nicht mehr rausfinden wollen.
Das Buch ist im gestalten Verlag erschienen und kann hier direkt bestellt werden.
Matze Hielscher