Auf einen Kasten Bier mit Lady Gaga

Lady Gaga hat gestern in der neuen Halle am Berghain ihr neues Album vorgestellt. Wir haben wirklich alles versucht, um bei diesem Event dabei zu sein. Wir haben Ampya angeschrieben, Lady Gaga angeschrieben, Pro Sieben angeschrieben. Aber die wollten alle, dass wir uns auf unserem Blog dafür werben und eklige Dinge machen. Das wollten wir nicht. Also musste Gaga ohne uns und wir ohne sie. Unser Freund Tommy Nick hat es auf die Gästeliste geschafft und sich für uns sein Handy und seine Schuhe abnehmen lassen sowie seine Leber ruiniert.

"Schlange stehen vorm Berghain kennt man ja. Das Aussieben auch. Gestern traf es ein paar kleine Monster und Gaga-Kopien, die gehofft hatten, ihre Mutter zu treffen, obwohl sie weder gewonnen hatten, noch auf irgendeiner Liste standen. Hätte ich gewusst, was mich drinnen erwartet, hätte ich meinen Platz gern hergegeben.

Nachdem ich durch einen, an einen Flughafen erinnernden Sicherheitstrakt geschleust werde – inkl. Handyabgabe, Metalldetektor und Schuhe ausziehen, darf ich die heilige Halle betreten. Zeit für das erste Bier, denn jetzt heißt es erstmal Warten. Über Bildschirme in der Halle dürfen wir exklusiv sehen, wie die Lady über den Blauen Teppich läuft. Gaga in Unterwäsche und Pelz. Revolutionär. Bier. Wieder Warten. In der Halle wird gegrübelt, was uns denn wohl so erwarten wird, denn nach Live-Performance sieht die Bühne so gar nicht aus. Ein weiteres Bier. Was bleibt einem auch anderes übrig, wenn einem das Handy abgenommen wird.

Als ich gerade beginne, darüber nachzudenken, wie ich das Publikum – eine absurde Mischung aus handverlesenen Fans, altbekannten Branchen- und Medienmenschen gespickt mit der Hauptstadtprominenz, die man auf solchen Events erwartet – so finde, tut sich was auf der Bühne. Die Lady kommt. In Unterwäsche. Nach wie vor. Sie spricht mit uns, redet irgendetwas von "Achtung, Achtung … Herzblut, Ihr seid meine Religion … Spiel ab!". Dann geht es los: Die neue CD wird eingeworfen und Gaga verschwindet von der Bühne.

Fassungslos darüber, dass wir jetzt kollektiv die kompletten 15 Lieder vom Band hören müssen, hole ich mir noch ein Bier. Ich muss mich betäuben. Ich merke noch zuviel. Als ich mich gerade bei einem Kollegen in Rage reden will, steht die Lady auf einmal in der Menge bei ihren Monstern. Volksnähe. Die Monster tanzen und jubeln, Gaga macht Grimassen und filmt sich selbst beim Bad in der Menge. Nach einem Track hat Gaga aber genug von so viel Nähe, muss sich erstmal auf die Couch setzen und sich einen Schluck aus der Limodose gönnen. Der Bereich um die Couch herum ist gesichert und wird von Securities geschützt. Gaga will die Couch nur für sich.

Da stehen wir nun also, ein paar Meter von Gaga entfernt, und glotzen sie an. Minutenlang. Wir beobachten sie dabei, wie sie auf einer Couch sitzt und Limo trinkt. Befremdlich. Ich brauche noch ein Bier. Auch Gaga findet es wohl doof, so ganz allein auf ihrer Couch. Deshalb lässt sie sich von einem Bodyguard auf die Bühne tragen und setzt sich wieder hin. In einen Sessel. Auf der Bühne sind mittlerweile aber auch 3,4 gecastete Tänzer und/oder Freunde. Da sitzt sie nun also und beobachtet uns dabei, wie wir sie beobachten. Hier und da eine Grimasse, ein Schluck Limo, eine Pose für ihre eigene Kamera.

Ich weiß gar nicht, beim wievielten Song wir mittlerweile sind, aber ich habe das Gefühl, dass wir seit Stunden belangloses Ufftata hören. Dass ich die Tracks auch nicht auseinanderhalten kann, liegt sicherlich nicht nur am Bier, sondern ganz bestimmt auch an der Tatsache, dass ich mir konzentriert dieses Geschehen bzw. Nicht-Geschehen auf der Bühne anschaue. Irgendwie will ich ja doch wissen, was das eigentlich soll. Aber vielleicht sollte man nicht immer so hohe Ansprüche haben. Plötzlich steht die Lady auf und tanzt. Sie findet diesen Track jetzt wohl doch auch ganz gut. Liegt vielleicht daran, dass der tatsächlich mal so ein bisschen anders ist. Zuerst dachte ich, dass wir mittlerweile die neue Single von Christina Aguilera hören. Aber ist wohl Gaga. Hoffe ich.

Ich trinke ein weiteres Bier und probiere mich wirklich verzweifelt daran zu erinnern, der wievielte Song eigentlich gerade läuft. Ich will auch gern wissen, wie spät es ist. Und eigentlich will ich auch hier raus. Gaga geht von der Bühne. Das heißt wohl, dass nach fünfzehn Liedern wirklich Schluss ist. Die reizende Moderatorin teilt uns mit, dass Gaga sich mal eben frisch machen muss. Klar, ich fand's auch anstrengend, verstehe ich gut. Ich hole schon mal meine Jacke von der Garderobe ab. Zurück in der Halle hat Gaga noch etwas ganz, ganz, ganz, ganz Besonderes im Gepäck. Sie spielt jetzt exklusiv, das allerallerallerallererste Mal einen Song, den noch nie wirklich jemand gehört hat. Auf dem Klavier. Ich weiß nicht, ob es am Bier liegt, aber ich bin der Ansicht, dass alle mitsingen können. Und außerdem klingt der Song wie eine Powerballade von Meat Loaf. Raus hier.

Mein Goodie-Bag bekomme ich nicht, weil ich die Veranstaltung vorzeitig verlasse. Das Bändchen wird mir auch wieder abgeschnitten. Das nenne ich konsequent. Als ich endlich mein Handy wieder in der Hand habe und schon befürchte, dass es weit nach Mitternacht ist, stelle ich fest, dass es erst 22 Uhr ist. Doch noch Zeit für ein Bier im FluxBau. Von nichts kommt nichts. Hat uns Gaga auf der Bühne auch gesagt. Na, dann."

Vielen Dank, Tommy Nick.

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