ARTVERGNÜGEN #84 – Zu Besuch bei C/O Berlin

Im August schlafen Berlins Galerien gewohnheitsgemäß den Schlaf der Gerechten, um ausgeruht in den großen Kunstherbst zu starten. Wir möchten sie dabei nicht stören und schauen uns derweil bei C/O Berlin im Amerika-Haus um – einem Ausstellungsort, der seit seinem Umzug in die City West nicht an Schlaf denken kann.

"Marriage is a Lie/Fried Chicken" lautet der Titel der aktuellen Ausstellung, die Arbeiten von Viktoria Binschtok zeigt. Was es mit dem Namen auf sich hat? Binschtok fotografierte einen arabischen Schriftzug in Neukölln und fragte mehrere Menschen nach dessen Bedeutung – heraus kamen diese Vorschläge. Der Titel ist gleichzeitig programmatisch für die Ausstellung: eine große Freude am Spiel mit dem Zufall schwingt stetig mit und das Unperfekte ist gerade perfekt genug.

co© Viktoria Binschtok

Im ersten Raum ist die Serie "Globen" zu sehen. Die Künstlerin fing bereits ein Jahr, nachdem eBay in Deutschland online ging, damit an, sich für das Internetphänomen und die dort hochgeladenen Bilder zu interessieren. So ersteigerte sie Globen aus aller Welt. Sie fotografierte nicht nur die dazugehörigen digitalen Bilder analog vom Bildschirm ab, sondern erhielt auch jede Menge Pakete, die zum Teil bis heute unverpackt sind und mit in der Ausstellung stehen. Also auch wenn es euch in den Fingern juckt: Bitte nicht auspacken!

Viktoria Binschtok bei C/O Berlin. Foto: David von Becker© David von Becker, Viktoria Binschtok

Weiter geht es mit der Serie "Cluster", bei der eigene Bilder bei Google Images hochgeladen wurden um das Internet ähnliche Abbildungen finden zu lassen. Eine Art Rückwärtssuche für Bilder, die gar nicht rückwärts suchbar sein sollten. Die Bildvorschläge werden dann als Ausgangspunkt für neu inszenierte – eigene – Fotografien genommen, die sich neben dem Ursprungsbild einreihten. So fand der Spargel seine Madonna und besagter arabische Laden seinen Minirock in haarigen Beinen – nur eine der kleinen Drehungen, die Bischtok ihren Bildern gern noch mitgibt.

binschtok_artikelbild_960x1440px© Viktoria Binschtok

In der dritten Serie "World of Details" finden wir ausgedruckte und per Hand auf Holz gekleisterte Ausschnitte von Google-Streetview-Aufnahmen in New York. Binschtok reiste zu den ausgewählten Orten wie einer Brücke oder dem Hintereingang eines Hotels und schoss vor Ort Bilder eines interessanten Details, die ihr in das Auge sprangen. So hängen auf der Brücke auf einmal Pelzmäntel und am Hintereingang hält ein Stuhl die goldene Tür zum Lüften auf.

Alle drei der gezeigten Serien machen aber vor allem eines: Freude. Freude an den Ideen einer Künstlerin, die die Fotografie spielerisch angeht und sich mit Fragen des Verlusts der klassischen Autorenschaft und der Entmaterialisierung der Wirklichkeit beschäftigt.

 

Marriage is a Lie/Fried Chicken
Ausstellung bis 16. August
Führung mit Viktoria Binschtok und Kuratorin Ann-Christin Bertrand am 8. August um 17.00 Uhr
Eintritt 10 Euro, ermäßigt5 Euro
C/O Berlin im Amerika Haus, Hardenbergstraße 22–24


Vielen Dank an Ann-Christin Bertrand für eine Führung durch die Ausstellung und Stefanie Kinsky für ihre Unterstützung.

 

Titelfoto: © Linus Dessecker

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