5 Menschen, 5 Orte #4 – Buchläden

Draußen wird es langsam frisch. Der Winter ist die Jahreszeit, in der Buchhandlungen noch schöner werden. Weil es meistens warm, gemütlich und irgendwie gut ist, zwischen vielen Seiten, Worten und Geschichten zu verschwinden. Heute empfehlen Joachim Hentschel, Selma Wels, Nina Hüpen-Bestendonk, Benjamin Lauterbach sowie das Duo Raanvar aus Rabea Edel und Anvar Cukoski schöne, besondere Buchläden in Mitte, Schöneberg, Neukölln und dem Prenzlauer Berg.

1 – Joachim Hentschel & die Buchhandlung Herschel in Mitte

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„Ganz ehrlich, ich musste nachforschen, weil ich den Namen des Ladens gar nicht wusste (und bin mehr als erfreut, dass er fast so heißt wie ich). Diese Kiez-Heimatfaszination, die hier ja irgendwann in einem wächst, finde ich zwar eher peinlich, aber: Das Großartige an dieser Bücherei ist, dass ich jedes einzelne Mal zufällig in sie reinstolpere, auf irgendwelchen Heimwegen oder beim Einkaufen oder in der ganz kurzen Zeit, in der ich es auch mal mit Yoga probiert habe. Ein wirklich kleiner Laden, in der Anklamer Straße bei der Zionskirche, gar nichts Besonderes, bisschen provinziell, sogar ohne die (furchterregenden) handgeschriebenen Zettel, auf denen das Personal einem sonst immer die Bücherwünsche vorgibt. Man hat das Gefühl, die Sachen hier ein klein wenig gegen ihren Willen zu entdecken, in ihrem verdeckten Club. Nur so habe ich das großartige Jennifer-Egan-Buch gefunden, die Neu-Übersetzung von „Meister und Margarita“, auch das München-1970-Terrorbuch von Wolfgang Kraushaar, das ich dann gar nicht gelesen habe. So viel anderes, bei dem ich nie auf die Idee gekommen wäre, es zu suchen. Ach ja, Kaffee gibt es auch keinen, manchmal sind dort Lesungen, aber die Flyer ziehe ich immer erst aus der Tasche, wenn die Hose aus der Wäsche kommt. Diese Buchhandlung ist absolut und ausschließlich dann da, wenn es an der Zeit ist.“

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Die Buchhandlung Herschel findet ihr in der Anklamer Straße 38 in Berlin Mitte. Joachim ist auch immer mal in der Gegend, wenn er nicht gerade als freier Autor und Redakteur für Magazine und Zeitungen schreibt.

2 – Selma Wels & der Buchladen ohne Namen in Schöneberg

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"Für diejenigen, die das Schräge lieben, gibt es eigentlich nur einen Buchladen in Berlin - den Buchladen ohne Namen. Die abgeblätterte Feinkost-Leuchtreklame lässt den Glanz alter Zeiten vermuten, ein Schild namens "Bücher" gibt die neue Richtung an. Aber man kann sich nicht sicher sein, bis man einen Blick hinein gewagt hat. Nach dem ersten Blick kommt der erste Schritt. Drinnen starrt man dann auf das gestapelte Chaos und fragt sich, wie der Buchhändler, der mittags nie zu erreichen ist, weil er Mittagspause macht, hier irgendwas findet. Jedes Mal frage mich das und denke: 'Das ist doch irgendwie schräg hier'. Und dann verlasse ich glücklich diesen Laden mit einer literarischen Feinkost in der Hand."

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Den Buchladen ohne Namen findet ihr in der Maaßenstraße 8 in Berlin-Schöneberg. Selma wohnt dort in der Nähe und ist Geschäftsführerin des binooki Verlags. Mit ihrer Schwester zusammen sorgt sie dafür, dass türkische Literatur ins Deutsche übersetzt wird und auf den deutschen Literaturmarkt kommt.

3 – Benjamin Lauterbach & der Georg Büchner Buchladen im Prenzlauer Berg

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"Auf seiner Homepage beschreibt sich der Georg Büchner Buchladen als 'unabhängig, innovativ und engagiert'. Inwieweit eine Buchhandlung unabhängig ist, vor allem von wem, kann ich nicht beurteilen. Was ich beurteilen kann: Hier gibt es immer genau die Bücher, die ich suche, hier finden die Lesungen statt, die ich mir gerne anhören möchte, hier arbeiten (hoch-)engagierte und immer freundliche Menschen, die erstaunlich häufig diesen einen wichtigen Satz sagen: 'Das haben wir vorrätig, ja.' Ob das jetzt innovativ zu nennen ist, weiß ich nicht. Vor allem ist das erfreulich. Buchhandlungen wie diese findet man nämlich immer seltener."

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Den Georg Büchner Buchladen findet ihr in der Wörther Str. 16, ganz in der Nähe vom Kollwitzplatz. Auf dem Kollwitzplatz findet ihr Benjamin eher selten, aber wenn ihr euch lang genug vor den Buchladen stellt, lauft ihr ihm bestimmt in die Arme, was nicht das Schlimmste ist, das einem passieren kann. Außerdem schreibt er Theaterstücke, die man versteht.

4 – Nina Hüpen-Bestendonk & die Buchhandlung Stadtlichter in Neukölln

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"Die Buchhandlung Stadtlichter ist der Grund, warum ich Bücher aus Prinzip nicht online bestelle. Ich unterstütze gerne die Geschäfte im Kiez und der kleine, gemütliche Buchladen in meiner Straße lädt mich immer wieder zum Stöbern ein und ist die erste Anlaufstelle auf der Suche nach einem Geschenk. Neben Büchern auf Deutsch, Englisch und Französisch, wunderbaren Kinderbüchern und Büchern über Berlin gibt es hier sogar auch den Stadtplan von "Berlin am Meer", alles verkauft von der wunderbar kompetenten Inhaberin Julie, die einen herzhaft französischen Akzent hat."

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Die Buchhandlung Stadtlichter wohnt in der Bürknerstraße 1 in Berlin Neukölln, Nina ein paar Häuser weiter. Dort ist sie aber nicht so oft, weil sie als Designerin und Reisebloggerin ziemlich viel in der Weltgeschichte umher düst.

5 – Raanvar (aka Rabea Edel + Anvar Cukoski) & die Buchhandlung ocelot in Mitte

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Manchmal kommt es vor, dass wir Menschen anfragen und diese dann dasselbe antworten im gleichen Moment. Und wir tun nicht so, als wäre das nicht passiert. Als ich Rabea & Anvar nach ihrem Lieblingsbuchladen fragte, kam bei beiden wie aus der Pistole geschossen: "Ocelot!" Und deswegen fassen wir diese Empfehlung zusammen.

Anvar sagt: "Es ist zwar nicht besonders originell Frithjof Klepp und seine Buchhandlung ocelot zu empfehlen, weil die Schönheit des Ladens auf der Brunnenstraße, Frithjofs feines Händchen bei der Auswahl des besonderen Sortiments und das integrierte Café mit seiner Kuchenauswahl schon in den Feuilletons von Hamburg bis München besungen wurde, aber manchmal ist man glücklicherweise halt doch nicht der einzige normale Mensch. Außerdem ist der Onlineshop exzellent, man kann eBooks kaufen und die Versandkosten sind, genau wie beim großen bösen Internetversandhandel, dessen Namen nicht genannt werden darf, inklusive. Bei meinem ersten Besuch im ocelot wurde die Premiere eines meiner liebsten Bücher gefeiert (Kevin Kuhns „Hikikomori“), sämtliche Biervorräte des Kiosks nebenan geplündert und wir sind nur knapp einem Wurfgeschossanschlag von der anderen Straßenseite entronnen. Das verbindet – und mehr Action geht nicht in der Buchbranche."

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Und Rabea sagt: "Jeder, der hierhin kommt, ist ein bisschen ocelot. Ocelot ist eine Einstellung. Es ist so eine Haltung, die mit Unabhängigkeit zu tun hat und mit der Lust am Neuen. Es ist ein Buch-Ort, der eine Community aufbaut. Als niemand in der Branche mehr an die Kraft solcher Orte geglaubt hat, hat Frithjof ihn einfach neu geschaffen. Manchmal glaube ich, ich wohne hier. Frithjof weiß, welche Bücher ich mag, welche Magazine, welches Design, wie der Kaffee genau richtig ist, wie man online und offline kombiniert. Ich kann auf Kissen liegend lesen, nächtelang diskutieren oder mit den Nachbarn vom Skatershop gegenüber auf der Brunnenstraße quatschen und bekomme immer mehr als ein Buch: Den Anschluss an ein Netzwerk, dass die Atmosphäre der Geschichten dorthin trägt, wo sie weitergelesen werden."

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Anvar Cukoski ist Lektor im Berlin Verlag. Rabea Edel ist Schriftstellerin und Chefredakteurin der REVUE-Magazine for the Next Society. Sie lebt in Neukölln direkt an der U8, die am auch ocelot hält. Zuletzt erschienen von ihr die Romane "Das Wasser, in dem wir schlafen" und "Ein dunkler Moment" (Luchterhand Verlag). Anvar und Rabea sind beide seit 2002 in Berlin und hängen seit dem 1. Semester und dem Einführungskurs in die Neue Deutsche Literatur dauernd zusammen, deswegen haben sie wohl auch denselben Buchladen empfohlen. Den ocelot findet ihr in der Brunnenstraße 181 in Berlin Mitte.

Beim letzten Mal haben 5 Menschen 5 Orte für Schnaps empfohlen. Alle Menschen mit allen Orten findet ihr hier.

Fotos (c) Kirsten Becken, Joachim Hentschel, Benjamin Lauterbach, Rabea Edel, Nina Hüpen-Bestendonk, Selma Wels, Elisabeth Rank

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