Meine Trauer ist meine Sache

Ich war als DJ auf einer Party gebucht, als die Nachricht aus Paris durchgedrungen ist. Die Party wurde sofort abgebrochen. Ich bin danach in mein Hotelzimmer gegangen und habe die halbe Nacht damit verbracht, auf meiner Facebook-Timeline und auf den großen Nachrichtenportalen News zu lesen. Apathisch habe ich die Seiten immer wieder aktualisiert und jedes Mal stieg die Zahl der Opfer.

Kurz vor Mitternacht tauchten im sozialen Netz die ersten Memes auf. Ich habe "Pray for Paris" auf der Facebook-Seite von Mit Vergnügen und auf Instagram hochgeladen. Es dauerte nicht lang, bis jemand fragte: "Ist beten nicht genau das, was die Täter vorher gemacht haben?"

Ein Bekannter postete: "Hoffentlich geht diese 'Je-suis-Scheiße' jetzt nicht wieder los", ein anderer schrieb einen langen Post darüber, dass es imperialistisch sei, jetzt zu trauern, aber es bei den Toten, die es beispielsweise in Beirut gegeben hat, nicht zu tun. Seit Samstag kann man sein Facebook-Profilbild in der Tricolore einfärben, was sehr viele Menschen genutzt haben. Daraufhin veröffentliche bento einen Artikel mit der Überschrift "Warum Frankreichs Flagge auf Facebook-Profilbildern das falsche Signal ist".

Es gibt kein richtiges oder falsches Trauern

Ich habe mein Profilbild nicht geändert. Meine Trauer und Anteilnahme spielt sich in mir ab, ich teile sie mit meinen Freunden. Das ist mein Weg damit umzugehen und ich respektiere, was andere machen.

Es gibt kein richtiges oder falsches Trauerverhalten nach einem Terrorangriff und man kann nur hoffen, dass es das auch nie geben wird. Es ist ein Ausnahmezustand, der mich mitnimmt – ganz naiv und irrational, wie Gefühle halt so sein können. Vielleicht, weil ich meine liebsten Menschen hier sehe, weil ich denke, dass das auch ein Konzert in Berlin sein könnte. Vielleicht, weil ich zum ersten Mal Menschen kenne, die bei einem Anschlag vor Ort waren, die im Fußball-Stadion standen.

Klingt etwas pathetisch, aber: Ich kann nicht steuern, wie viele Tränen ich wofür verwende. Und das können andere auch nicht. Wenn es bei anderen Profilbilder und Posts sind, die ihnen dabei helfen, das Geschehene zu verarbeiten, dann ist das so. Warum soll man sich für die Art der Anteilnahme rechtfertigen? Über 100 Menschen sind 600km von uns entfernt bei einem Attentat gestorben. Wie soll man damit normal umgehen?


Foto: © Mit Vergnügen

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