Dienstag, 10.11. Anton Corbijn Retrospektive - C/O Berlin

In meiner Küche hängt ein Film-Still von Sam Riley, auf dem er als Ian Curtis über eine Straße in Manchester läuft, eine Jacke trägt, auf der “Hate” steht und dabei herausfordernd über seine Schulter in die Kamera blickt. Das Foto stammt aus „Control“, dem 2007 von Anton Corbijn gedrehten Biopic über Joy Division, und erinnert mich irgendwie jeden Tag für einen kleinen Moment daran, warum ich wegen des Musikjournalismus damals nach Berlin gezogen bin. Ein Sehnsuchtsfoto sozusagen, die Königsklasse der Rock’n’Roll Fotografie, die Anton Corbijn wie kaum ein anderer beherrscht.

Corbijn hat ein unfassbar sensibles Gespür für die versteckte Wahrheit und den Weltschmerz, den die meisten Künstler und Rockstars auf Fotos eigentlich hinter ihrer Coolness zu verbergen versuchen und der deshalb viel zu selten sichtbar wird. Seine meist analog geschossenen Fotos sind sozusagen die Gegenentwicklung zum perfekt arrangierten und retouchierten Kardashian-Instagram-Foto mit inszeniertem Dauergrinsen. Corbijns Fotos sind sowas wie die geheimen B-Seiten-Songs deiner Lieblingsband, bei denen man das Gefühl hat, das Leben ein bisschen besser zu verstehen.

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Zum 60. Geburtstag gibt es nun also in der C/O Berlin die mehr als verdiente Retrospektive, die das bisher entstandene Werk des holländischen Fotografen feiert. In der Ausstellung werden über 600 Fotografien gezeigt, von denen man mindestens die Hälfte gerne mit nach Hause nehmen würde. Anton Corbijn schafft es nämlich irgendwie immer, das Echte und Verletzliche zu zeigen, ohne, dass er seine Subjekte dabei nur mit Samthandschuhen anfassen würde - das macht so viele seiner Fotos so besonders. Man kommt plötzlich Tom Waits, Herbert Grönemeyer, Nirvana oder Nick Cave so nah, dass man das Gefühl hat, diese Menschen schon ewig zu kennen und sich fast wünscht, dass der Holländer mit Kamera auf der nächsten WG Party auftaucht, um Wahrheiten zum Vorschein zu bringen, von denen man nicht wusste, dass sie existieren.

 

Anton Corbijn Retrospektive | 07.11.2015 - 31.01.2016 | C/O Berlin | täglich 11.00-20.00 Uhr | Eintritt: 10 Euro, ermäßigt 5 Euro

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Titelbild+Foto: © Anton Corbijn

C/O Berlin

Hardenbergstraße 22, 10623 Berlin

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