The Knife »Shaking the Habitual« - im Plattenladen

Als bekannt wurde, dass The Knife ein neues Album veröffentlichen, musste ein guter Teil meines Freundeskreises wegen Hyperventilation ins Krankenhaus eingeliefert werden. Die andere Hälfte tippte sich die Finger wund beim Versuch, an Karten für das Berlinkonzert zu kommen – das dauernde Drücken des «Refresh»-Buttons führte zur Verformungen der Handknochen und Quadrataugen. Aber was verbirgt sich nun hinter dem neuen Streich «Shaking the Habitual»? Der Titel ist ja schon eine Ansage, aber werden die neuen Stücke von Karin Dreijer Andersson und Bruder Olof werden meinen liebgewonnen Alltag rütteln? Meine Sicherheiten durcheinander wirbeln? Kann Musik das überhaupt noch, wenn man schon erwachsen, ist aber noch nicht in der Midlifecrisis?

Eins ist sicher: «Shaking the Habitual» ist ein Album, das wehtut. Ganz körperlich. Der Begriff von «Schönheit» wird im Hause Andersson schon immer etwas anders ausgelegt. Gleich «A Tooth for an Eye» nutzt das Trommelfell als Trampolin, Karins Stimme kriecht in «Full of Fire» dagegen regelrecht unter die Haut und frisst sich durch Fleisch und Bein. Dazu hat sie auch genug Zeit: Die Single ist knapp 10 Minuten lang und kratzt an der Grenze zur Unerträglichkeit. So viel Wahnsinn kann man sich nicht jeden Tag zumuten. Ja, zumuten – das Album ist eine Zumutung. Eine kaum erträgliche Zumutung. Im besten Sinne. Keine Musik, die man im Nebenbei hören kann. Wagner hört man ja auch nicht beim Spülen. Für «Shaking the Habitual« muss man sich Zeit nehmen. Viel Zeit. An «In der Kürze liegt die Würze» glaubt das Geschwisterpaar nämlich nicht, fast hundert Minuten Spielzeit sind aufgeteilt auf überraschend wenige Stücke, die sich bis in die Unerträglichkeit ziehen – aber ausschalten ist keine Option. Immer neue, wahnsinnige und überraschende Soundexperimente warten an jeder Ecke (auch wenn nicht jedes Stück so vollkommen verrückt ist wie die Single. Raging Lung zum Beispiel ist auch einfach nur schön).

Aber warum sollte man sich «Shaking the Habitual» trotzdem antun? Weil es das politischste und humorvollste, das überraschendste und anstrengendste, das beknackteste und schönste Album des Jahres ist. Und weil «Without You My Life Would be Boring» strahlt wie ein schwarzer Diamant.

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