Heye Jensen übers Radfahren

Mein Fahrrad ist mein ständiger Begleiter, ich habe es bei mir wie mein Handy oder den Haustürschlüssel. Es ist für mich der Inbegriff von städtischer Mobilität. Um das sagen zu können, habe ich aber einige Zeit gebraucht. Als ich nach Berlin kam, war das Fahrrad für mich höchstens Mittel zum Zweck. Klar bin ich auf dem Land auch mit dem Rad gefahren, doch eigentlich lieber mit dem Auto.

Als ich vom Kieler Umland nach Berlin gezogen bin, sah ich natürlich auf der Straße die ganzen alten Rennräder und wusste sofort, dass ich auch eins haben wollte. Ein paar Tage später hielt ich ein wunderschönes mintgrünes Peugeot-Rad aus den 80ern in der Hand - leider in einem miserablen Wartungszustand. Zu dieser Zeit war das Fahrrad mein modisches Accessoire, mehr nicht. Gefahren bin ich vor allem zum Supermarkt oder zur S-Bahn. Nennenswerte Strecken habe ich nur selten hinter mich gebracht. Ein paar Monate später wurde ich auf den ganzen Fixed-Gear-Zirkus aufmerksam. Ich habe mein Rennrad verkauft und ein Singlespeed-Rad nahm den Platz ein. Ich fuhr immer noch kurze Strecken und nahm mein Rad oft mit in die Bahn, wo ich verständlicherweise häufig genervte Blicke erntete, gerade wenn die Bahn mal voller war.

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Irgendwann machte es Klick und ich beschloss meine tägliche Uni-Strecke - hin und zurück immerhin 24 Kilometer - einfach mal mit dem Rad zu fahren. Ich war begeistert, denn ich sparte 20 Minuten pro Fahrt im Gegensatz zum herkömmlichen Weg mit der Bahn. Von da an verbrachte ich immer mehr Zeit im Sattel. Seit Januar bin ich etwa 2500 Kilometer gefahren, was nicht immer einfach ist, da ich natürlich nicht alleine auf der Straße fahre. Der normale Kraftverkehr möchte auch auf der Straße fahren und bringt nicht immer Verständnis dafür mit, dass auch Fahrräder in die Stadt gehören. Ich könnte mich jetzt auch furchtbar über Autofahrende auslassen und über Verhaltensweisen, die mich auch bei den Radfahrenden extrem nerven, aber das weiß ja jeder selbst und Straßen sind ja nicht immer so voll. Zum Beispiel nachts, wenn man über die komplett leere Elsenbrücke fahren kann oder mit 600 Menschen bei der Critical Mass durch den Tiergarten-Tunnel rast. Das kitzelt im Bauch, wie man es vom Schaukeln kennt. Ich habe das Gefühl, dass ich die Stadt zurückerobere. Ich fühle mich mit ihr und den anderen verbunden. Ich hoffe, dass ihr euch, falls ihr es noch nicht getan habt, auch mal mit dem alten Drahtesel im Keller beschäftigt und ihm mal die Stadt zeigt. Würde mich freuen, euch zu sehen.

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Diesen Artikel hat Heye Jensen geschrieben. Vielen Dank!

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