Lockdown Lifehacks: Sport ist schlimmer als Sterben

© Hella Wittenberg

Autor Clint war ein paar Monate weg vom Fenster. Doch er ist nicht untätig gewesen, sondern hat die Monate im Lockdown eifrig genutzt, um ein besserer Mensch zu werden. Und natürlich behält er seine Geheimnisse nicht für sich, sondern teilt sie mit euch: Die besten Lifehacks zur Selbstoptimierung in Zeiten des Lockdown.

Ich habe etwa zehn Kilo Übergewicht. Das kommt vom Saufen und meiner sprunghaften Ernährung. Klar, ich könnte jetzt auch alles auf den Lockdown schieben, auf die mangelnden Möglichkeiten für Aktivität. Doch die Wahrheit ist: Ich bin einfach ein faules Schwein. Ein bisschen Sport könnte wirklich nicht schaden. Andererseits will ich auch nicht so ein aalglatter Fitnesstyp werden. Sehe ich nicht trotzdem passabel aus?

Die Selbstoptimierung kann starten

„Bist ganz schön dick geworden“, hat eine Freundin im Juli gesagt, deren Urteil mir etwas bedeutet. Das war das erste Mal, dass sich der gute Vorsatz vor mir auftürmte wie eine Kletterwand. Zwei Tage später stand ich in einem kleinen Fitnessstudio in Prenzlauer Berg.

„Was ist dein Ziel?“, wollte die Betreiberin wissen, vor sich meinen Anmeldungsbogen. „Geht's dir um deine Gesundheit? Willst du Muskeln aufbauen?“

„Eigentlich nur ein paar Kilo abnehmen.“

Sie hat genickt und mir einen Trainingsplan für die ersten drei Monate erstellt. Führte mich dann durch die Räume. Zeigte mir Laufbänder und eine Ruderbank, wo ich mich vor jeder Einheit für zwanzig Minuten aufwärmen sollte. Zwanzig Minuten? Und danach noch Klimmzüge und Gewichte stemmen? Ich nickte entschlossen, tat so, als hielte ich das für machbar.

„Darf ich dir einen Tipp geben?“, höre ich dann an meinem ersten Tag. Der Mensch, der diese Frage stellt, beobachtet mich seit zehn Minuten. Ich quäle mich gerade durch eine Runde Sit-ups.

„Du willst doch bestimmt einen Sixpack, oder? Dann musst du einatmen, wenn du die Muskeln anspannst, nicht umgekehrt. Sonst trainierst du die nach außen.“

Ich bedanke mich für den Ratschlag. Statt wieder an seine Beinpresse zu gehen, bleibt er stehen und überwacht meine Atmung. Brummt hier und da zustimmend, wenn ich mir beim Baucheinziehen besonders viel Mühe gebe.

An dem Punkt war es nicht länger zu leugnen: Ich hatte einen Fehler gemacht. Aus irgendeinem Grund dachte ich, es wäre blöd, zum Trainieren in eines der großen, unpersönlichen Studios der einschlägigen Ketten zu gehen. Dabei war dieser halb private Rahmen viel schlimmer. Die Stammgäste riefen sich während der Übungen markige Sprüche zu, scherzten in der Umkleidekabine, schauten erwartungsvoll, wann ich mich ihrer Konversation anschließen würde.

Inzwischen ist Fitnessstudio natürlich kein Thema mehr. Gott sei Dank. Auch Schwimmhalle kann ich streichen und ich bin darüber nicht unglücklich. Das ist zwar der Sport, der mir am meisten liegt, aber ich weiß, was für ein Gedränge auf den Bahnen der Berliner Bäder herrscht. Dann also Joggen! Das ist doch mal eine Idee. Als Erstes gilt es dem Drang zu widerstehen, eigens für diesen Zweck teure Laufschuhe zu kaufen. Dadurch würde ich die Erwartungen an mich selbst ins Unvernünftige steigern. Nein, fürs Erste müssen meine Straßenschuhe herhalten.

Ganz Berlin joggt

Was bisher nur als Ahnung am Rande meines Bewusstseins hing, wird mit einem Schlag zur Gewissheit: Ganz Berlin joggt. Wahrscheinlich sind das all die ins Homeoffice geknechteten Angestellten, die sich kurz mal Bewegung verschaffen wollen. Im Humboldthain geht es zu wie auf einer Marathonstrecke.

Andauernd muss ich mich mit den vor mir Laufenden auseinandersetzen. Muss schneller werden, um sie zu überholen. Oder das Tempo halten und dadurch den immer gleichen Arsch anschauen. Dazu noch die Leute, die mir entgegenkommen, im Schlepptau eine Duftwolke aus Deo und Schweiß. Oder die perfekt Ausgestatteten, mit aerodynamischen Anzügen und HealthWatch. Egal, wo man hingeht, man trifft immer Menschen, die besser sind in dem, was man tut.

Egal, wo man hingeht, man trifft immer Menschen, die besser sind in dem, was man tut.
Clint Lukas

Nein, auch Joggen ist mir zu demütigend. Da bleibt nur die eigene Wohnung. Ich suche mir im Netz ein paar vielversprechende Übungen aus und lade eine App herunter. Es ist eine Art Stoppuhr, die genau die Intervalle der Einheiten und Pausen vorgibt. Bereits während des zweiten Durchgangs beginne ich sie leidenschaftlich zu hassen.

Dreißig Sekunden Liegestütze, fünfzehn Sekunden Pause, dreißig Sekunden Burpees. Meine Muskeln zittern, mir ist abwechselnd heiß und kalt. Einen Durchgang bringe ich irgendwie noch hinter mich, dann sinke ich erschöpft in die Badewanne. Vor Entkräftung könnte ich heulen. Und kotzen könnte ich eigentlich auch. Ich bin wirklich miserabel in Form. Rede mir jedoch ein, dass das ab jetzt von Tag zu Tag besser wird.

„Und trainierst du noch?“, fragt meine kritische Bekannte ein paar Tage später. Ich musste ihr natürlich wieder brühwarm von meinem guten Vorsatz berichten.

„Nein“, sage ich und winke betont lässig ab. „Zuhause fehlt mir dafür einfach der Rahmen, da kann ich mich nicht motivieren.“

„Faule Sau“, sagt sie und auch wenn meine Antwort empört ausfällt, kann ich ihr im Grunde nur zustimmen.

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