Artvergnügen – Unsere 11 Kunsttipps für den Januar 2020

© Eric Park | Unsplash

Willkommen in der Zukunft! Es ist 2020 und da ihr das lest, habt ihr wohl den Schritt in die neue Dekade geschafft. Das freut mich sehr und ist ein guter Start für uns Alle. Ich versuche euch so weich wie möglich landen zu lassen, mit Lobster und viel nackter Haut.

1. Body Performance in der Helmut Newton Foundation

Mein letzter Besuch in der Helmut Newton Foundation ist bestimmt zehn Jahre her. Sicherlich habe ich oft voreingenommen geurteilt: Bilder nackter Frauen schienen mir nicht mehr angemessen und in Modefotografien fehlte mir oft die Raffinesse. „Body Performances“ lockt mich allerdings. Das mag daran liegen, dass viele der gezeigten Fotosequenzen in einem Moment der Performance entstanden. Viviane Sassens Arbeiten begeistern immer mit ihren ungewohnten Kompositionen. Erwin Wurms One Minute Sculptures zaubern gute Laune, und Cindy Sherman spielt die volle Klaviatur der Verwandlung. Wird wohl doch mal wieder Zeit für einen Besuch bei Helmut. 

Helmut Newton Foundation | Jebensstraße 2, 10623 Berlin | Bis 10. Mai |Dienstag, Mittwoch, Freitag – Sonntag: 11–19 Uhr, Donnerstag: 11–20 Uhr | Mehr Info

Viviane Sassen, Untitled from Roxane II, 040, 2017 @ Viviane Sassen, courtesy Stevenson Gallery, Cape Town

2. Preis der Nationalgalerie 2019 im Hamburger Bahnhof

Im vergangenen September wurde der Preis der Nationalgalerie an Pauline Curnier Jardin für, so das Jurystatement, ihre „herausfordernde und vereinnahmende filmische und installative Sprache“ verliehen. Die Künstlerin wird uns demnächst mit einer Einzelausstellung im Hamburger Bahnhof überraschen, wo noch bis Februar alle Nominierten zu sehen sind: Simon Fujiwara befasst sich mit den Myseterien der menschlichen Existenz, Flaka Haliti nutzt Humor als Brücke und Katja Novitskova untersucht die Auswirkung von Medien auf unsere Kultur und überhaupt alles.

Hamburger Bahnhof | Invalidenstraße 50-51, 10557 Berlin | Bis 16.Februar | Dienstag, Mittwoch, Freitag: 10–18 Uhr; Donnerstag: 10–20 Uhr; Samstag & Sonntag: 11-18 Uhr | Eintritt: 8 Euro, ermäßigt: 4 Euro | Mehr Info

Simon Fujiwara, Likeness, 2018. Installationssansicht im Hamburger Bahnhof © Nationalgalerie – Staatliche Museen zu Berlin, Courtesy Collection Lafayette Anticipations – Fonds de dotation Famille Moulin, Paris, Esther Schipper, Berlin and Dvir Gallery, Brussels and Tel Aviv, Foto: Mathias Völzke

3. Futurium

Ein richtig gutes Ausflugsziel für die ganze Familie ist das Futurium am Hauptbahnhof. In den Denkräumen Mensch, Natur und Technik werden an multimedialen Stationen mit digitalen sowie physischen Elementen die dringenden Themen der heutigen Existenz fundiert erklärt und innovative Lösungen präsentiert. Über allem steht die Frage: Wie wollen wir morgen leben? Im Lab finden zudem regelmäßig Workshops statt, an denen ihr nach Anmeldung teilnehmen könnt.

Futurium | Alexanderufer 2, 10117 Berlin | Montag, Mittwoch, Freitag – Sonntag: 10–18 Uhr, Donnerstag: 10–20 Uhr, Dienstag geschlossen | Eintritt kostenlos  | Mehr Info

Futurium, Innenansicht Denkraum Natur. Foto: Jan Windszus

4. Kira Bunse bei Italic

Mein Blick blieb instantly am nackten Hintern des Seniors hängen – eine intime und herzerweichende Szene. Es ist die Fotografie eines Rentnerpaares, vielleicht im Urlaub, vielleicht einfach nur in einem warmen Land. Er hält seine Robe sehr leicht. Sie hüllt sich in einen leichten Schal. Die verantwortliche Fotografin Kira Bunse hat bereits einen Fotokalender mit Jünglingen am Poolrand für Tropez Tropez produziert, jetzt zeigt sie eine Auswahl ihrer herrlich realen Fotos der Serie „Travelling Light“ bei Italic.

Italic | Leipziger Straße 61, 10117 Berlin | Bis 18. Januar | Samstag: 12–16 Uhr und auf Anfrage |  Mehr Info

Kira Bunse. Bildausschnitt © Italic

5. My Fiction and You im Bärenzwinger

Britta Thie und Andy Kassier sind sich selbst die prominentesten Hauptdarsteller*innen. Andy Kassier inszeniert perfektionistisch das Image eines profitorientierten, sich ständig optimierenden Dandys. Britta Thie reflektiert als Kind der 90er mit damaligen Stilmitteln, Formaten und Phänomenen heutige Themen wie Gentrifizierung und andere Fixierung auf Kapital. "My Fiction and You" lässt uns fragen, inwieweit wir noch in der Lage sind, Fiktion und Realität zu trennen. Der Hashtag #morerealnessoninstagram drückt einen Hunger nach mehr Echtheit aus und trotzdem bleiben wir zwanghaft in der Inszenierung unserer Leben, während wir zwischen digital und analog mal tänzeln mal taumeln.

Bärenzwinger | Im Köllnischen Park, 10179 Berlin | Bis 26. Januar | Dienstag – Sonntag: 11–19 Uhr | Mehr Info

Andy Kassier, Kassier Trust. Ausstellungsansicht Bärenzwinger © Bärenzwinger

6. Show me your selfie bei DISKURS

Noch mehr Identity-Capital-Fragen (Begriff dankend entliehen von Britta Thie): Das Selfie ist ja die Zuspitzung der Selbstdarstellung. Wir tun so, als sei da wer, der das Foto von uns gemacht hätte und schauen durch die Linse in ein Publikum, das wir nicht sehen. „Alienation“, als der Akt des Entfremdens und in Ungewissheit sein, ist ein zentraler Aspekt mit dem sich die Gruppenausstellung mit Arbeiten von Warren Reidich, Candice Breitz, Li Zhenhua und anderen befasst.

DISKURS BerlinNovalisstraße 7, 10115 Berlin | Bis 11. Januar. Winterpause bis 7. Januar| Mittwoch – Samstag: 13–19 Uhr | Mehr Info

Young-jun Tak, Out-fit. Ausstellungsansicht Show Me Your Selfie bei Diskurs Berlin, 2019 © Diskurs Berlin

7. Johanna Diehl im Haus am Waldsee

Nach all der Zukunftsblickerei kommen wir jetzt zu einer Künstlerin, die liebend gern in die Vergangenheit schaut: Johanna Diehl sucht, in Anlehnung an ein Zitat des Kulturkritikers Walter Benjamin, nach dem Eigentlichen der Geschichte in der Falte, also im Verborgenen. Auf der Suche nach privaten Biographien der westdeutschen Nachkriegszeit schaute Diehl nun in die Falten des Familienarchivs. Darin fand die Großnichte des documenta-Gründers Arnold Bode allerlei Diamagazine, Tagebücher und Archive, die sie nun, im Haus am Waldsee an die Wand und in den Raum bringt.

Haus am Waldsee | Argentinische Allee 30, 14163 Berlin | Bis 1. März | Dienstag –Sonntag: 11–18 Uhr | Eintritt: 7 Euro, ermäßigt: 5 Euro | Mehr Info

Johanna Diehl,  MARS, 2019. Courtesy die Künstlerin und Galerie Wilma Tolksdorf Frankfurt/Berlin

8. Fabian Warnsing in der Galerie Rasche Ripken

Dass Fabian Warnsing auch fotografiert (Straßenszenen, schwarz-weiß), sieht man seinen figurativen Malereien an. Sie scheinen wie mit dem Pinsel eingefangene Schnappschüsse (Alltagsszenen, Spülmaschine, Ungezieferspray), inszeniert mit manchmal kindlich verschrobenen Perspektiven mit abstrakten Details. Ich will Warnsings großformatige, farbenstarke Bilder aber gar nicht ver-diskutieren. Lasst euch bespaßen und heilen von „A remedy for a broken eye“.

Galerie Rasche Ripken | Linienstraße 148, 10115 Berlin | Bis 18. Januar | Mittwoch – Freitag: 13–19 Uhr, Samstag: 12–18 Uhr | Mehr Info

 

Fabian Warnsing, Lobster, 2018, Acryl auf Leinwand, 145 x 200 cm © Fabian Warnsing

9. Kapwani Kiwanga bei Tanja Wagner

Der Film Greenbook hat viel erreicht: drei Oscarauszeichnungen zum Beispiel und eine Bewusstmachung über die Existenz des gleichnamigen, zwischen 1936 und 1966 herausgegebenen, Reiseführers. Es listete Orte in den USA, an denen afro-amerikanische Reisende bei ihren Roadtrips willkommen waren. In der Galerie Tanja Wagner bringt Kapwani Kiwanga Auszüge des Buches in den Galerieraum, außerdem Skulpturen, die uns rassistische Praktiken der Überwachung und Gesetzgebung bewusst machen. Keine große, aber eine bedeutende Ausstellung.

Galerie Tanja Wagner | Pohlstraße 64, 10785 Berlin | Bis 25. Januar | Dienstag –Samstag: 11–18 Uhr | Mehr Info

10. Hito Steyerl im nbk

In einem Panelgespräch des Futurium äußerte Hito Steyerl neulich den Verdacht, dass doch eigentlich nicht die Maschinen lernen (Stichwort: Machine Learning) sondern die Maschinen uns hinsichtlich dessen, was wir ihnen füttern sollen, trainieren. Good point. Hito Steyerl, die von der Art Review 2017 zur einflussreichsten Künstlerin gekürt wurde, produziert Dokumentationen der Zukunft. Dafür entwirft sie oft datenbasierte Szenarien eines möglichen Morgen in den vorherrschenden kapitalistischen Strukturen. Im nbk zeigt sie die raumgreifende Videoarbeit "Mission accomplished" und lässt mit "This is the Future" Besucher*innen mit floral gefütterter AR spielen.

Neuer Berliner Kunstverein| Chausseestrasse 128/129, 10115 Berlin | Bis 26. Januar |Dienstag – Sonntag: 12–18Uhr, Donnerstag: 12–20Uhr |  Mehr Info

Hito Steyerl, Power Plants. Ausstellungsansicht nbk, 2019 © Neuer Berliner Kunstverein / Jens Ziehe

11. This might be a place for hummingbirds in der Galerie im Körnerpark

In feinen Bleistiftzeichnungen und schweren Malereien, mit Alltagsgegenständen und Fotografien befasst sich die Ausstellung “This might be a place for hummingbirds” mit Kolonialismus und Rassismus, Gewalt und Trauma, Gender und Identität in Guatemala. Vor allem der traumatische Genozid an der indigenen Bevölkerung während der Militärdiktatur in den 1980er Jahren hat seine Spuren hinterlassen. Die heutige Generation, darunter auch die in dieser Gruppenschau vereinten Künstler*innen, versucht aber engagiert, Ideen eines besseren und faireren Lebens zu entwerfen und zu vermitteln.

Galerie im Körnerpark | Schierker Straße 8, 12051 Berlin | Bis 5. Februar | Täglich: 10–20 Uhr |Mehr Info

Naufus Ramírez-Figueroa. Ausstellungsansicht Galerie im Körnerpark © Nihad Nino Pusija
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