Artvergnügen – Unsere 11 Kunsttipps für den Februar 2020

Sollte euch noch die Wintermüdigkeit ans Sofa fesseln ist jetzt Schluss damit. Im Januar feierten einige Traditions-Events ihren Auftakt und hinterlassen als Erbe Ausstellungen mit noch mehrwöchiger Laufzeit. Außerdem dröhnt euch ein Soundsystem à la Berghain im Hamburger Bahnhof um die Ohren und im Martin-Gropius-Bau kommt alles in Bewegung, inklusive eurer eingeschlafenen Routinen. Das gesagt: Wie steht's um eure Neujahresvorsätze? Viel Vergnügen mit der Kunst im Februar.

1. transmediale im Haus der Kulturen der Welt

Bereits 1967, also noch gut 30 Jahre bevor das Internet unser aller Leben auf den Kopf gestellt hat, schrieben die Künstler Robert Filliou und Georg Brecht das Netzwerk sei „everlasting“, also unvergänglich. Das Medienkulturfestival transmediale befasst sich seit Jahren mit digitalen und analogen Infrastrukturen. In dieser 33. Ausgabe richtet sie die Aufmerksamkeit auf vergessene und potenzielle Zukünfte – mit und ohne Netzwerke, mit und ohne Internet. Welche alternativen technischen Modelle und kulturellen Narrative werden gebraucht, um Kommunikation neu zu denken? Wer wird überhaupt kommunizieren? 

Haus der Kulturen der Welt | John-Foster-Dulles-Allee 10, 10557 Berlin | Festival noch bis 2. Februar, 11–20 Uhr | Ausstellung "The Eternal Network" bis 1. März | Montag, Mittwoch, Freitag – Sonntag: 12–19 Uhr, Donnerstag: 12–22 Uhr | Eintritt ab 5 Euro | Mehr Infos 

transmediale, The Eternal Network, 2020, Ausstellungsansicht © Luca Girardini

2. Rituals of Care im Martin-Gropius-Bau

Rituale sind derzeit wieder voll en vogue. In einer Zeit, die uns beschleunigt und Zusammenhänge verklärt, suchen wir nach einer uns erdenden Regelmäßig- und Gemeinsamkeit. Wir erkennen an, dass wir uns um uns und andere kümmern müssen. "Rituals of Care" setzt hier an. Die Performance-Reihe befasst sich mit dringlichen Themen, die Land und Gesellschaft betreffen. Hier kommt man zusammen für experimentelle Choreografien, queere Reinterpretationen und indigene Perspektiven, um zu erleben, reflektieren und reparieren. Zu den Beitragenden zählen unter anderem die Performance-Künstlerin boychild, deren Arbeit ihr in der kürzlich endenden Ausstellung von Wu Tsang sehen konntet, und Cevdet Erek, der derzeit mit "Bergama Stereo" im Hamburger Bahnhof zu sehen ist.

Martin-Gropius-Bau | Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin | Am 2. Februar ab 12 Uhr | Eintritt frei, begrenzte Kapazitäten | Mehr Info

boychild with Josh Johnson, Moved by Motion, 2017. Foto: Inès Manai

3. Leon Ferrari bei KOW

Leon Ferrari hatte sein Hühnchen mit der katholischen Kirche zu rupfen und tat das gut sichtbar und öffentlich mit seiner Kunst. Eine Arbeit, in der er eine hölzerne Jesus-Skulptur an einen amerikanischen Kampfjet des Vietnamkriegs nagelte, verärgerte unter anderem den Vatikan stark. Aufmerksamkeit erreicht, Zweck erfüllt. Wo immer er konnte, in Form von Magazin-Covern, in Essays und Interviews hörte man Ferrari zum gewalttätigen Regime von Militär und Religion Stellung beziehen. Volle Power Ferrari. 

KOW Berlin | Lindenstraße 35, 10969 Berlin | Bis 3. Februar |  Dienstag – Samstag: 12–18 Uhr | Mehr Info

Léon Ferrari, Untitled, 2004 @ KOW

3. Umbo in der Berlinischen Galerie

Umbo, eigentlich Otto Umbehr, gilt für manche als „Urknall“ der modernen Fotografie Mitte der 1920er Jahre. Und wirklich: er fiel auf. Nicht nur war seine Art der Fotografie neu, er stand auch dafür ein, wenn es für ihn unbequem wurde. Beim bekannten Bauhäusler Johannes Itten erlernte er ein Gefühl für Komposition und entwickelte daraus ein Spiel von Hell und Dunkel, die charakteristisch für seine Fotografien wurden. Dieses kam zum Einsatz in Porträts der weiblichen Berliner Bohème, sowie später in Bildreportagen und Pressebildern. Irgendwann galt der Unangepasste als gefragtester Fotograf der Weimarer Republik, bis er zunächst vergessen und dann wiederentdeckt wurde.

Berlinische Galerie | Alte Jakobstraße 124 – 128, 10969 Berlin | 21.Februar – 25.Mai | Eröffnung: 20. Februar, 19 Uhr | Mittwoch – Montag: 10–18 Uhr, Dienstag geschlossen | Eintritt 8 Euro, ermäßigt 5 Euro | Mehr Infos

Umbo, Ohne Titel (Ruth Landshoff mit Katze), 1928, © Phyllis Umbehr/Galerie Kicken Berlin/VG Bild-Kunst, Bonn 202

5. Akinbode Akinbiyi im Martin-Gropius-Bau

Lagos, Berlin, Johannesburg, Bamako und Chicago. Sie alle standen Akinbode Akinbiyi Modell. Der in Berlin wohnhafte, nigerianische Fotograf hebt in seinen, in der Ausstellung "Six Songs, Swirling Gracefully in the Taut Air" gezeigten, Schwarz-Weiß-Fotografien hervor, was oft übersehen wird: kleine und stille Gesten in lauten Straßen. In der fortlaufenden Reihe "African Quarter", die in die in "Six Songs" ebenfalls gezeigt wird, zeigen Fotografien aus Berlin, genauer gesagt Wedding, die Spuren der deutschen Kolonialvergangenheit. Ein starker Reminder, dass die Geschichte eines Landes über Zeit und Grenzen hinweg geht.

Martin-Gropius-Bau | Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin | Bis 17. Mai | Mittwoch – Montag: 10–19 Uhr | Eröffnung: 6. Februar, ab 19 Uhr | Eintritt 15 Euro, ermäßigt 10 Euro | Mehr Infos

Akinbode Akinbiyi, Victoria Island, Lagos, 2006. Aus der Serie "Sea Never Dry Photograph". Courtesy: the artist

6. "Interstitial Spaces" im Kunstraum Kreuzberg/Bethanien

Der Begriff „interstitial“ beschreibt das, was zwischen zwei Punkten passiert. Das kann eine Seite im Web sein, die einspringt, solange die eigentlich angesteuerte geladen hat. Oder Räume. Diese müssen nicht immer physisch sein, sondern können auch die Form von Ideologien annehmen. Ihre Vielfalt zeigt die diesjährige Ausstellung des CTM Festivals, das sein Programm traditionell der Musik- und Klangkultur widmet. Richard Garet fängt in seinen Fotografien beispielsweise die Übergangsphase von Sound zu Bild ein. Krista Belle Stewart baut ihre Arbeit auf dem aufgezeichneten Gesang ihrer Uroma aus 1918 auf. Und das Duo Calmspaces macht, was der Name verspricht: im interdisziplinären Expertenteam erschaffen sie einen „breathing room“ als eine neue Architektur für Augenblicke der Ruhe im urbanen Tumult. Zahlreiche internationale Künstler*innen geben dem „Interstitial Spaces“ bei dieser Ausstellung Raum.

Kunstraum Kreuzberg/Bethanien | Mariannenplatz 2, 10997 Berlin | Bis 15. März | Während des CTM Festivals bis 2. Februar, täglich: 10–22 Uhr | danach Sonntag – Mittwoch: 10–20 Uhr | Mehr Infos

Calmspaces, Breathing Space © Calmspaces

7. Meike Kenn in der Volksbühne

Es ist immer wieder irritierend Schauspieler*innen im „normalen“ Raum zu sehen. Wir kennen sie als Akteur*innen auf der Bühne, manche vom Bildschirm. Die Fotografin Meike Kenns schoss kürzlich Porträts der Schauspieler*innen der Volksbühne der Spielzeit 2019/20 in eigentlich bedeutungslosen Ecken des Hauses, zwischen Schränken und Haken. Mit ungewohnten Posen erobern sie Räumlichkeiten fernab der Bühne und schaffen damit neue Kulissen. Eine Auswahl der Bilder werden jetzt im Parkettfoyer gezeigt.

Volksbühne Berlin | Linienstraße 227, 10178 Berlin | Bis Ende der Spielzeit 2020 | Eröffnung: Samstag, 8. Februar, ab 18.30 Uhr | Parkettfoyer | Mehr Infos

Malick Bauer © Meike Kenn

8. 31:Women in der Daimler Art Collection

Es war ein Novum, als 1943 die legendäre Sammlerin und Galeristin Peggy Guggenheim in einer Ausstellung ausschließlich Arbeiten weiblicher Künstlerinnen der Avantgarde zeigte. Marcel Duchamp stand ihr damals als Kurator zur Seite. „Exhibition by 31 Women“ las sich der Titel damals; die Neuauflage läuft unter „31:Women“. Vertreten sind Künstlerinnen der Daimler Art Collection aller Genres ab 1930, darunter die amerikanische Konzeptkünstlerin Andrea Fraser, sowie Dominique Gonzalez-Foerster und Katja Stunz, die sich fortlaufend einen Namen für ihre kritischen, raumgreifenden Erlebnisse machen. 

Daimler Art Foundation | Haus Huth, Alte Potsdamer Straße 5, 10785 Berlin | Bis 7. Februar | Täglich geöffnet, 11–18 Uhr | Mehr Info

9. Cevdet Erek im Hamburger Bahnhof

Bitte noch einmal eure volle Aufmerksamkeit für Cevdet Erek, der, wie beschrieben, derzeit auch mit zwei Arbeiten im Martin-Gropius-Bau vertreten ist. Im Hamburger Bahnhof könnt ihr seine raumgreifende Soundinstallation "Bergama Stereo" erleben. In ihr nimmt Ereks Forschung zu Formen und Geschichte des Pergamonaltars Gestalt an; als Nebennotiz sei gesagt: Bergama ist der türkische Name für Pergamon. Seit dem späten 19. Jahrhundert wurde der legendäre Altar, mit Abbildern von Göttern und Giganten, von der Türkei nach Berlin verlagert, um auf der Museumsinsel seine Ruhestätte zu finden. "Bergama Stereo" stellt das Fries räumlich nach und vertont dessen Geschichte mit stillen, aber eindringlichen Sounds. Für zwei Abende im Februar lädt Erek audiovisuelle Künstler*innen, darunter Carsten und Olaf Nicolai sowie David Moss ein, die begehbare Skulptur zu bespielen. Zu erwarten sind Rap-Remixe mit historischem Bezug sowie ein DJ Battle.

Hamburger Bahnhof | Invalidenstraße 50-51, 10557 Berlin | Bis 8. März | Performances: 15. Februar, 20 Uhr und 29. Februar, 21 Uhr | Eintritt 10 Euro, Tickets nur an der Abendkasse | Mehr Infos

Cevdet Erek, Bergama Stereo. Musikwerke Bildender Künstler, Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin, 2019, © Cevdet Erek / Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Mathias Völzke

10. Wiliam N. Copley bei Galerie Max Hetzler

In einem Essay aus 1966 schreibt der Künstler und Kritiker Roland Penrose seinem Kollegen William N.Copley jeglichen Feinsinn ab. Seine Bilder würden sämtliche malerischen Mittel missachten – sie seien „fast primitiv“ – und „grobschlächtig wie Striptease-Cartoons“. Tatsächlich sind die Gemälde von CPLY, so Copleys Alias, erotisch aufgeladen, Posen explizit, Frauen meist nackt. Männer erscheinen in mit Macht aufgeladenen Uniformen von Cops oder Cowboys, dazwischen patriotische Symbole. Seine Modelle sind gesichtslos und werden so, mit der gezeigten Alltäglichkeit und Anonymität, zu Projektionsflächen – primär für unterdrückte Sehnsüchte einer weißen heterosexuellen Mittelklasse.

Max Hetzler | Bleibtreustraße 45, 10623 Berlin | Bis 7. März | Dienstag – Samstag: 11–18 Uhr | Mehr Infos

William N.Copley, The Ballad of William N. Copley, Ausstellungsansicht Galerie Max Hetzler © Max Hetzler

11. Oscar Muñoz bei carlier | gebauer

Oscar Muñoz gilt derzeit als einer der bedeutendsten Künstler*innen Kolumbiens, Europa hat ihm hingegen bisher nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Seit den 1990ern setzt er sich unter Einsatz vergänglicher Materialien wie Wasser, Sonne und Staub mit Geschichte, Erinnerung, Verlust und Zeit auseinander. Die sich auflösenden Bilder, temporären Installationen, sich wandelnden Skulpturen und Videos sind dabei ein direkter Verweis auf die Vergänglichkeit des Menschseins und bleiben genau darum für immer in der Erinnerung haften.

carlier | gebauer | Markgrafenstraße 67, 10969 Berlin | Bis 7. März | Dienstag – Samstag: 11–18 Uhr | Mehr Info

Oscar Munoz, El Coleccionista (The collector), 2014-2016, Ausstellungsansicht carlier | gebauer © Trevor Good
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