Frage am Freitag: Sollten wir im Winter eigentlich alle Vitamin D nehmen?

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"Wieso, weshalb, warum?" ist in der kollektiven Kindheitserinnerung unserer Redaktion der dauerhafte Lieblingsohrwurm gewesen, Karla Kolumna mit ihren tausend Fragen unser Vorbild. Denn ja: Wir sind wandelnde, redaktionelle Klischees, die es lieben, neugierige Fragezeichen an die Enden ihrer Sätze zu setzen. Jeden zweiten Freitag wollen wir ab jetzt ehrliche Antworten zu Themen wie „Sollten alle Menschen vegan werden?“ oder „Was passiert eigentlich in einer Krise?“ bekommen – und das von Menschen, die es wissen sollten. Wir fragen Expert*innen und lassen sie Zusammenhänge erklären.

Aber nicht nur! Weil wir Fragen mindestens genauso gerne beantworten wie wir sie stellen, geben wir auch selbst ehrliche Antworten – zu Fragen, die ans Eingemachte gehen. Habt ihr Fragen, die euch schon ewig im Kopf herum kreisen? Dann schreibt uns an [email protected]! 

Sobald die Tage kürzer werden, fragen wir uns jedes Jahr, wie wir denn dafür sorgen können, dass es uns auch in der dunklen Jahreszeit gut geht und wir unseren Alltag fit und gesund meistern können. Eine Antwort, die man oft von allen Seiten zu hören bekommt: Vitamin D! Vitamin D soll nicht nur extrem wichtig für unser Immunsystem sein, sondern auch gegen trübe Stimmung und Depressionen helfen. Das Problem: Wir nehmen Vitamin D hauptsächlich durch Sonneneinstrahlung auf, das heißt, im Winter sieht es damit in Deutschland eher mau aus. Sollten wir deshalb alle zusätzlich Vitamin D zu uns nehmen, um einer Unterversorgung vorzubeugen? Leiden wir eigentlich alle jeden Winter unter Vitamin-D-Mangel, vielleicht sogar, ohne es zu merken? Wir waren neugierig und haben bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung nachgefragt.

Was ist Vitamin D und warum ist es so wichtig für uns?

Antje Gahl, Ernährungswissenschaftlerin und Pressesprecherin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE): Vitamin D ist ein Vitamin, das jedoch eine Sonderstellung in unserem Körper einnimmt, denn im Gegensatz zu anderen Vitaminen hat es auch eine hormonähnliche Wirkung und kann vom Körper selbst gebildet werden. Einen gewissen Anteil des benötigten Vitamin D können wir über die Ernährung aufnehmen, der allergrößte Anteil wird jedoch durch Sonneneinstrahlung gebildet.

Spielt die Ernährung eine Rolle? Welche Lebensmittel enthalten besonders viel Vitamin D?

Über die Ernährung lassen sich tatsächlich nur etwa 2–4 Mikrogramm pro Tag aufnehmen, während der Richtwert für unseren Bedarf eher bei 20 Mikrogramm liegt; unser Bedarf lässt sich also nicht allein über die Ernährung decken. Hinzu kommt, dass es recht wenige Lebensmittel gibt, die überhaupt Vitamin D enthalten. Hauptsächlich sind das tierische, fettreiche Lebensmittel, zum Beispiel fette Fische wie Lachs. Ob sich jemand vegan ernährt oder nicht, spielt im Hinblick auf Vitamin-D-Mangel aber eine eher geringe Rolle: Schließlich steht Lachs auch nicht täglich auf dem Speiseplan (was auch nicht besonders umweltfreundlich wäre), und generell ist die enthaltene Menge an Vitamin D auch hier eben sehr gering.

Das bedeutet, ich kann meinen Vitamin-D-Haushalt nicht über die Ernährung regulieren?

Nein, das ist praktisch nicht möglich. Stattdessen wird es gebildet, wenn wir genügend "Sonne tanken". Der Körper kann Vitamin D nämlich speichern, deshalb ist es wichtig, sich zwischen März und Oktober regelmäßig mit unbedeckten Körperteilen in der Sonne zu bewegen – wir empfehlen eine tägliche "Dosis" von etwa 25 Minuten am Tag. So werden die Speicher in unserem Körper genügend aufgefüllt, um uns auch im Winter mit Vitamin D zu versorgen. Im Winter ist die Sonnenstrahlung nämlich, selbst wenn die Sonne scheint, nicht stark genug und somit nicht ausreichend, um unsere Vitamin-D-Speicher nachhaltig zu füllen. Wie viel Zeit wir in der Sonne verbringen müssen, um optimal mit Vitamin D versorgt zu sein, ist übrigens abhängig von unserem Hauttyp. Für hellere Hauttypen ist oft schon eine kurze Zeit in der Sonne ausreichend. Menschen mit dunkleren Hauttypen haben einen höheren Melaninspiegel und bilden daher weniger Vitamin D; je dunkler die Haut, desto schwieriger ist es, genügend Vitamin D aufzunehmen.

Bedeutet das, dass alle Menschen in Deutschland im Winter einen Vitamin-D-Mangel haben?

Die Aussage, dass es einen flächendeckenden Mangel gibt, können wir ausdrücklich nicht bestätigen, auch wenn es stimmt, dass die Menschen in Deutschland nicht optimal versorgt sind.

Wie kann ich herausfinden, ob ich einen Mangel habe?

Die Frage nach Symptomen für einen Mangel an Vitamin D ist sehr schwierig zu beantworten. Letztendlich sprechen wir von einem Mangel an Vitamin D dann, wenn Menschen tatsächlich Symptome haben oder krank sind – die Folgen von Vitamin-D-Mangel können zum Beispiel eine Störung der Knochenbildung oder Entkalkung der Knochen sein. Generell gehen wir davon aus, dass gesunde Menschen, die sich im Sommer regelmäßig draußen bewegen, ausreichend mit Vitamin D versorgt sind. Wer jedoch zu einer Risikogruppe gehört, etwa weil er*sie immobil ist, oder zum Beispiel aus religiösen Gründen draußen die Haut bedeckt, sollte bei dem*der Ärzt*in abklären lassen, ob ein Mangel vorliegt. Die Tests dazu sind allerdings meist kostenpflichtig.

Würden Sie empfehlen, Vitamin D über Präparate zuzuführen?

Grundsätzlich muss ein gesunder Mensch kein Vitamin D in Form von Präparaten zu sich nehmen – das ist eigentlich nur notwendig, wenn tatsächlich ein Mangel diagnostiziert wurde. Ein gesunder Mensch muss das auch nicht präventiv überprüfen lassen. Tatsächlich kann man Vitamin D nämlich auch überdosieren, in zu hohen Dosierungen kann es zum Beispiel Nierensteine hervorrufen. Die Ergänzungsmittel, die in der Drogerie verkauft werden, bringen eher wenig, denn sie sind sehr gering dosiert – wer also tatsächlich einen Mangel hat, sollte sich lieber konkret von seinem*r Hausärzt*in beraten lassen.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Vitamin D und Depressionen?

Ob es Depressionen vorbeugen kann, Vitamin D zu supplementieren, das ist noch uneindeutig. Es gibt Studien, die in diesem Zusammenhang positive Effekte erkennen, aber das ist relativ unspezifisch. Tatsächlich wurden auch im Zusammenhang mit Covid-19 in aktuellen Studien positive Effekte festgestellt: Es gibt erste Hinweis, dass eine bessere Vitamin-D-Versorgung akute Atemwegserkrankungen verringern kann. Aber natürlich sind das alles noch keine verlässlichen Ergebnisse. Fakt ist nur: Eine ausreichende Versorgung trägt zur idealen Funktion des Immunsystems bei.

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