Tropischer Urlaub in Brandenburg: Wir haben ein Wochenende im Tropical Islands übernachtet

© Max Müller

Es ist 2 Uhr nachts. Seit gut einer Stunde sitze ich im hell erleuchteten Whirlpool, um mich herum blubbert es unaufhörlich. Ein einsamer Schwimmer zieht vorbei, am Beckenrand sitzen die beiden Bademeister, die Nachtschicht haben, in ihren Stühlen und lesen. Ich lehne mich zurück, lege den Kopf auf den Beckenrand und genieße das sprudelnde Wasser, die angenehm warme Luft und die Stille der Nacht. In Momenten wie diesen schaffe ich es tatsächlich zu verdrängen, dass ich nicht in einem Resort irgendwo in der Südsee oder der Karibik abhänge, sondern in einer ehemaligen Cargolifter-Werfthalle, der größten freitragenden Halle der Welt.

Das Tropical Islands hat mich eingeladen, drei Tage und zwei Nächte in dem vermeintlichen Tropenparadies am Rande des Spreewalds zu verbringen. Ich habe die Einladung angenommen und mich auf das Experiment eingelassen. Schaffe ich es wirklich, in der kurzen Zeit, so nahe an meinem Heimatort und ganz ohne Flug oder lange Autotour (also räumliche Distanz) abzuschalten und durchzuatmen? Wie wirkt das Hallenklima nach mehreren Tagen auf mich? Kann ich vergessen, dass ich von einer riesigen Kuppel umgeben bin? Wie schläft es sich im Brandenburgischen Bad, welche Angebote gibt es, um sich die Zeit zu vertreiben und welche Menschen machen dort eigentlich Urlaub?

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Tropisches Feeling zwischen alten Sowjet-Bunkern

Mit dem Zug braucht man von der Innenstadt etwas mehr als eine Stunde, um zum Bahnhof Brand, der seit einiger Zeit den Namenszusatz Tropical Islands trägt, zu kommen – ein Zeichen dafür, welche Bedeutung das Riesenprojekt für die gesamte Region hat. Am Bahnhof wartet bereits ein kostenloser Shuttle auf mich. Der Fahrer ist im Gegensatz zu seinen Berliner Kollegen nicht grummelig, die Stoffe der Sitze zieren tropische Vögel und über die Bildschirme flimmern Imagefilme, die den Zweck haben, den stressgeplagten Großstädter bereits auf dem Weg zum Bad zu erden.

Selbst Kritiker des Tropical Islands kommen nicht umhin zu staunen, was für ein beeindruckendes Bauwerk, ein Meisterwerk der Ingenieurskunst, das Bad ist: 360 Meter lang, 210 Meter breit, 107 Meter hoch. Die Halle liegt inmitten eines ehemaligen Flugplatzes, der bis zum Mauerfall von den Sowjets betrieben wurde. Überall auf dem Gelände stehen Bunker als Zeugen dieser Zeit. Die Halle selbst wurde im Jahr 2000 von der Cargolifter AG errichtet, die in der riesigen Anlage eigentlich Lastenluftschiffe entwickeln wollte. Der Plan ging nicht auf. In der Folge erhielt der malaysische Konzern Tanjon den Zuschlag, die Halle umbauen zu dürfen. 2004 wurde das Tropical Islands eröffnet.

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Saunieren, Schwimmen in der Lagune und Entspannen im Whirlpool mit Blick auf den künstlichen Himmel der Südsee

Ich werde in einem sogenannten Mobile Home untergebracht, das etwa einen 15-minütigen Fußweg von der Halle entfernt liegt. Die Wanderung durch die Brandenburger Idylle ist zwar schön, aber alles andere als tropisch. Es ist ein eigenwilliger Kontrast, zumal ich mir im ersten Moment nicht vorstellen kann, dass das Abschalten leichter fällt, wenn man am Ende des Tages noch durch die Brandenburgische Pampa spazieren muss, ehe man glücklich in sein Bett fallen kann. Wer dem Gefühl vorbeugen will, sollte daher auf jeden Fall in der Halle nächtigen. Hier gibt es neben einfachen Quartieren und Zelten auch hochpreisige Suiten.

Das Mobile Home selbst ist völlig in Ordnung, neben einer Schlafkabine verfügt das temporäre Zuhause auch über ein kleines Wohnzimmer und eine Terrasse, die zum abendlichen Grillen einlädt. Mich reizt das Setting eher weniger, da ich eine bekennende Wasserratte bin, deshalb stürze ich mich auch gleich in die Fluten. Die Südsee beherbergt das größte Wasserbecken, das 140 Meter lang ist und an dem sich ein zehn Meter breiter Strand entlangschlängelt.

Schöner jedoch ist eindeutig die Lagune, in der es mehrere Wasserfälle, zwei kleine Rutschen, die die ganze Nacht über geöffnet sind, und eben die Whirlpools gibt, in denen ich nachts dann auch endlich allein entspannen kann. Am besten gefällt mir übrigens der Whitewater River auf dem Außengelände Amazonia, ein 250 Meter langer Strömungskanal, bei dem man zwischen verschiedenen Abzweigungen wählen kann. Auch die Saunalandschaft überzeugt mich. Zufällig komme ich gerade rechtzeitig für den Aufguss in der neuen Palaneri Lehmhütte, einer australischen Sauna-Variante mit angenehmen 65 Grad und einer eher niedrigen Luftfeuchtigkeit.

Am besten gefällt mir der Whitewater River auf dem Außengelände Amazonia, ein 250 Meter langer Strömungskanal, bei dem man zwischen verschiedenen Abzweigungen wählen kann.
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In der Saunalandschaft geht es auch deutlich ruhiger zu als im Rest des Bades, das vor allem von Familien genutzt wird, die aus ganz Deutschland, zum Teil auch aus angrenzenden Nachbarländern wie Polen anreisen. In den Anfangsjahren wurden vor allem Jugendliche angesprochen, es gab auch größere Partys. Mittlerweile ist das Publikum gesetzter. Es sind viele Familien mit kleinen Kindern vor Ort, doch auch junge Paare und Senioren nutzen die nahe Auszeit. Es ist nicht das hippe Berliner Innenstadtpublikum, das im Tropical Islands Urlaub macht, noch zumindest nicht. Das Ziel ist es jedoch, auch diese Menschen anzusprechen, wie auch die Jugendlichen ins Bad zurückzuholen. Ein guter Start hierfür wäre, die Bars nicht kurz nach Mitternacht schließen zu lassen.

Übrigens, manch ein Urlauber lebt im Tropical Islands seinen feuchten Pauschaltraum aus. Wie auch in den Bettenburgen entlang des Mittelmeers gehört das Reservieren von Liegen zum guten Ton. Der Betreiber kann dagegen kaum etwas ausrichten. Tatsächlich würde es mir nie im Leben einfallen, den ganzen Tag auf einer der dicht an dicht aneinandergereihten Liegen mit Blick auf den künstlichen Himmel über der Südsee verbringen zu wollen. Ich bin dann doch eher der Typ, der das Rutschen genießt und sich anschließend durch den Regenwald schlägt, der gerade nachts eine eigenartig beruhigende Aura ausstrahlt. Ein Highlight sind natürlich auch die Flamingos, die es sonst nur im Zoo zu sehen gibt. Theoretisch könnten sie sich durch die gesamte Halle bewegen, das wollen sie von Natur aus aber gar nicht, am liebsten stehen sie den ganzen Tag rund um ihren Futtertrog.

Kulinarisch reicht das Angebot des Tropical Islands vom einfachen Campingplatz-Frühstück mit Brötchen, Wurst und Käse bis zum ambitionierten Restaurant Tropical Garden, in dem ich neben einem wirklich anständigen Tartar, ein auf den Punkt gegrilltes Rumpsteak sowie fantastischen Rotkohl serviert bekomme. Den Aufpreis hierfür würde ich auch jederzeit wieder zahlen, denn bei unserem Besuch im Food-Court, in dem es eher um Masse als Klasse geht, fallen die Hallenbad-typischen Pommes leider durch. Es fehlt schlicht an Salz, zudem haben die Fritten auch keine richtige Bräune.

Tatsächlich würde es mir nie im Leben einfallen, den ganzen Tag auf einer der dicht an dicht aneinandergereihten Liege mit Blick auf den künstlichen Himmel über der Südsee verbringen zu wollen.

500 Euro für ein Wochenende in Brandenburg oder doch lieber Mallorca?

Ohnehin ist der Preis der Knackpunkt, der viele potenzielle Besucher vom Badespaß abhält. Für ein Wochenende mit Übernachtung und Verpflegung etwa in einem der Mobile Homes muss man mit 500 Euro Minimum rechnen. Für das gleiche Geld könnte man auch in einen der Billigflieger steigen und nach Mallorca düsen. Deutlich näher und ökologischer ist da schon ein Besuch im Tropical Islands. Das Thema Nachhaltigkeit steht auf jeden Fall auf der Agenda, natürlich auch aus wirtschaftlichen Gründen: So wird etwa der Campingplatz komplett mit Solarenergie versorgt, das Wasser der Amazonia-Anlage wird nachts in Tanks gelassen, damit es seine Wärme behält. An anderer Stelle könnte durchaus noch einiges verbessert werden: So werden die Erfrischungsgetränke nach den Aufgüssen beispielsweise in Einwegplastik serviert statt zumindest in Mehrwegbechern. Wenn das Tropical Islands diese Punkte ambitioniert angeht, könnte ein weiteres Argument gereicht werden, in Brandenburg Urlaub zu machen.

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Es bleibt die Frage, wie gut die Illusion funktioniert. Tatsächlich habe ich das Gefühl, bereits am zweiten Tag deutlich entspannter zu sein. Ich habe mich schnell an die warme, feuchte Luft gewöhnt, die sich mit dem Chlorduft der Halle vermischt. Obwohl mich nur eine dünne Wand vom typischen Brandenburger Herbst trennt, ist es doch eine ganze andere Welt, in der ich mich innerhalb der Halle bewege. Ich merke, wie die Wärme meinem Körper gut tut und wie schnell ich mich daran gewöhne, oberkörperfrei und nur in Badeshorts durch die Gegend zu laufen. Nur die Menschen, die sich mit ihren Jacken in Richtung Ausgang begeben, erinnern mich daran, was mich draußen für eine kühle Herbstluft erwartet.

In der Halle schaue ich überall in entspannte Gesichter, an der Rutsche gibt es nicht das übliche Gedrängel, wie man es aus Berliner Freibädern kennt, und wählt man das richtige Restaurant, so wird es auch kulinarisch anspruchsvoll. Gerade die Abendstunden, in denen die Tagesgäste längst abgereist sind, zeigen ganz andere Facetten des Tropical Islands, das auf einmal gar nicht mehr wie ein überdimensioniertes Spaßbad unter der Kuppel wirkt, sondern wie ein kleines, idyllisches Urlaubsparadies. Am Ende hat mir nur ein kühler Drink im Whirlpool gefehlt, aber auch im "richtigen" Urlaub kann man nicht immer alles haben.

Wir wurden vom Tropical Islands eingeladen, das beeinflusst aber nicht unsere ehrliche Meinung.

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