Wie ein Instagram-Account die Polizei menschlicher macht

© Borke Berlin

Wenn ich auf Polizisten treffe, habe ich oft ein merkwürdiges Gefühl, so als ob mir Vater Staat besonders penibel auf die Finger schauen will. Das mag mit meinen persönlichen Erfahrungen zusammenhängen, denn immer dann, wenn ich etwas mit der Polizei zu tun hatte, ging die Sache schlecht aus. In der Nebenstraße fast ohne Verkehr die rote Ampel mit dem Fahrrad überfahren? Punkt in Flensburg samt sattem Bußgeld. Freitagabend mit Freunden die Musik etwas lauter gedreht? Heftiges Sturmklingen inklusive ordentlicher Standpauke. Auf der Straße bei einer Demo gegen Atomkraft laut die eigene Meinung kundgetan? Schon im Visier der Polizisten, die mit Kamera jede noch so verdächtige Bewegung speichern.

Dass ich schlecht auf Berlins Polizisten zu sprechen bin, mag aber auch Spiegel der allgemeinen Haltung gegenüber den hauptstädtischen Ordnungskräften sein. Seit Jahrzehnten schon hat die "Bullerei" hierzulande keinen guten Stand. Das war in den 80ern so, als die Westberliner Hausbesetzerszene sich regelmäßig Katz-und-Maus-Spiele leistete, das war in den 90ern so, als die Raver lieber Pillen von echten Dealern anstatt "Ziften" kauften und das ist auch heute noch so, wo der Schlachtruf "Haut ab" noch regelmäßig auf Demos in der ganzen Stadt ertönt und Jugendliche mit Mützen durch die Straßen laufen, auf denen in fetten Versalien "ACAB" steht.

Ja, die Berliner Polizei hat mit einem schlechten Ruf zu kämpfen. Zudem haben die Ordnungskräfte auch intern Schwierigkeiten. Marode Schießstände, heruntergekommene Dienstgebäude und der Nachwuchskräftemangel setzen ihr ordentlich zu. Da kann man sich schon die Frage stellen, warum trotz zahlreicher offener Stellen Beamte abgestellt werden können, um die Social-Media-Kanäle der Berliner Polizei zu pflegen?

Der Schlachtruf "Haut ab" ertönt noch heute regelmäßig auf Demos in der ganzen Stadt und Jugendliche laufen mit Mützen durch die Straßen, auf denen in fetten Versalien "ACAB" steht.
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Erst Twitter, jetzt Instagram-Stars

Dass die Berliner Polizei Social-Media-Kanäle betreibt, ist an sich nicht neu. Bislang waren die Ordnungskräfte auf Facebook, Snapchat und Twitter aktiv. Vor allem die 24-Stunden-Twitter-Marathons, bei denen jeweils ein meist nicht ganz so gewöhnlicher Tag, wie sich später herausstellte, minutiös analysiert wurde, brachte reichlich "Fame". Vor annähernd vier Monaten entdeckten die Beamten dann auch Instagram für sich.

Anfangs fragte ich mich, was das soll, denn die ersten Posts machten mich stutzig: idyllische Abendbilder vom Polizei-Helikopter, ein Beamter, der einen verletzten Sperling aufpäppelt, ein Boot der Wasserschutzpolizei bei einer Löschübung, durchgeführt an einem sommerlichen Tag, an dem man am liebsten seine Kleider vom Körper reißen und sich aufs Sonnendeck packen möchte. Das alles schrie nach plüschiger Werbung, um endlich die eigenen Reihen zu schließen, neue Mitstreiter zu finden, die dann allerdings nicht fliegend die Natur genießen oder ein bisschen im Wasser planschen, sondern irgendwo als Hundertschaftler auf der x-ten Demo von Glasflaschen beworfen werden.

Der Feed der Polizei ist nicht so prickelnd, dennoch konnten in den vergangenen Wochen gut 14 Tausend Follower gewonnen werden. Und auch ich bin mittlerweile Fan des Kanals. Obgleich der Feed viel zu werblich ist, liebe ich es, die Storys der Polizei zu verfolgen, denn in diesen wird erstmals für mich ersichtlich, mit welchen Problemen sich die Beamten tatsächlich tagtäglich herumschlagen müssen: verlorengegangene Kinder, Jugendliche, die Waffen bei sich tragen, Einbrüche, Streitigkeiten, die in handfeste Schlegereien ausarten, aber auch ausgebüchste Hunde und Senioren, die Herzprobleme haben, werden von der Polizei versorgt. Durch Instagram, das in dem Ruf steht, die Realität zu verzerren, hat die Berliner Polizei menschlichere Züge bekommen. Vielleicht hilft mir diese Erkenntnis, mein mulmiges Gefühl loszuwerden, auch wenn es dann doch mehr Bedarf, die Unzulänglichkeiten vollends zu überdecken.

Durch Instagram, das in dem Ruf steht, die Realität zu verzerren, hat die Berliner Polizei menschlichere Züge bekommen.
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