Diese genialen, lebensechten Figuren von Karoline Hinz wollen wir auch haben

© Charlott Tornow

Wer vor Kurzem auf einem Konzert von Prinz Pi war, wird die 3,50 Meter hohe Silbermünze nicht übersehen haben, die auf der Bühne hinter dem Sänger während seiner "Nichts war umsonst"-Tour thronte. Die Münze ist das Werk der Berliner Plastikerin Karoline Hinze, die in ihrem Spandauer "Propshop" geniale Requisiten und Bühnendekorationen für verschiedenste Kunden herstellt. Karoline hat schon für den Regisseur Duncan Jones, für Bands wie Bodi Bill und Me and My Drummer sowie für Oper und Theater gearbeitet. Nebenbei setzt sie private Projekte um, die ihr schon hin und wieder Internet-Fame eingebracht haben. Ich durfte mich in ihrem Studio umschauen und Einblick in die Arbeit einer Plastikerin bekommen.

Wann fängst du morgens an zu arbeiten?
Ich versuche immer so früh wie möglich da zu sein, spätestens um 8 Uhr. Da ich jeden Tag etwa 45 Minuten zur Werkstatt brauche, bedeutet das, dass ich etwa um 6.30 Uhr aufstehen muss. Ich könnte auch später anfangen. Es hat sich aber gezeigt, dass ich am besten funktioniere, wenn ich gleich früh starte.

Was machst du während der ersten Arbeitsstunde des Tages?
In der Werkstatt angekommen gibt's erstmal den obligatorischen Kaffee, dann mache ich mir einen Plan, was den Tag über ansteht beziehungsweise was aktuell Prioritäten hat.

Wie lange arbeitest du täglich?
Das schwankt sehr. Zehn Stunden sind normal, wenn Deadlines anstehen, kann es auch mal länger werden, wenn nicht so viel zu tun ist oder ich nicht weiterkomme, weil beispielsweise Dinge trocknen müssen, mache ich auch früher Feierabend. Meistens hab ich aber mehrere Projekte parallel oder arbeite an eigenen Sachen, sodass eigentlich immer etwas zu tun ist.

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Oktopus & Frau: Ruth Weissenburger. © Charlott Tornow
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Wolltest du eigentlich schon immer Plastikerin werden?
Ich habe als Kind tatsächlich schon immer in der heimatlichen Garage irgendwelche Sachen gebaut oder Kostüme genäht und viel gemalt, war in Töpferkursen und so weiter. Da ich allerdings aus einer Kleinstadt komme, war da nicht viel kulturelles Angebot, ins Theater sind meine Eltern mit mir auch nie gegangen. Von dem eigentlichen Beruf des Bühnenplastikers habe ich erst am Ende meiner Schulzeit erfahren, als es so langsam darum ging, was man denn danach "machen" könnte. Daraufhin folgten diverse Praktika in ganz Deutschland, viele Bewerbungen und letztlich die Ausbildung. Ich wüsste heute ehrlich gesagt nicht viele andere Berufe, mit denen ich tauschen wollen würde.

Was weißt du heute, was du nicht wusstest, als du gestartet bist?
Wie viel man über alle möglichen Themen lernt, mit denen man sich sonst wohl nie beschäftigt hätte – einen Monat lese ich mich in die Architektur von Wolkenkratzern in Dubai ein, im nächsten Monat lerne ich alles über einen Namibischen Nebeltrinkerkäfer. Das ist wahnsinnig spannend und neben der handwerklichen Ausführung mein liebster Aspekt an diesem Job.

Was war die größte Herausforderung im letzten Monat?
Vermutlich bei der andauernden Hitze trotzdem fast jeden Tag in der Werkstatt zu verbringen. Zum Glück gibt es im Berliner Umland sehr viele Seen, sodass man selbst zum Feierabend noch ein paar Stunden am und im Wasser verbringen kann, das ist großartig.

Einen Monat lese ich mich in die Architektur von Wolkenkratzern in Dubai ein, im nächsten Monat lerne ich alles über einen Namibischen Nebeltrinkerkäfer.
Karoline Hinz

Was machst du, um dich und deine Mitarbeiter an einem schlechten Tag zu motivieren?
Meist erfährt man direkte visuelle Bestätigung, wenn man etwas geschafft hat – mit dem Wissen fällt es mir relativ selten schwer, mich zu motivieren. Anders als in anderen Berufen kann ich jeden Abend direkt vor mir sehen, was ich am Tag geleistet und geschafft habe. Durchhänger gibt es immer wieder, aber da muss man durch.

Was macht dir an deinem Job am meisten Spaß?
Dass man nie aufhört zu lernen. Ich muss immer ein bisschen von allem sein - Bildhauer, Handwerker, Buchhalter, Schneider, Chemiker, Kunsthistoriker etc. Jedes Projekt hat andere Ansprüche und Herangehensweisen, das lernt man nicht alles in der Ausbildung oder im Studium.

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Ich muss immer ein bisschen von allem sein – Bildhauer, Handwerker, Buchhalter, Schneider, Chemiker, Kunsthistoriker.
Karoline Hinz
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Was nervt dich regelmäßig? Erzähl mir von einer Situation, wo du alles hinschmeißen wolltest?
Am meisten nervt wohl die Diskussionen, die ich regelmäßig über Geld führen muss. Ich sage nach wie vor zu oft "Ja" zu Anfragen, die sehr schlecht bezahlt werden. Kunden haben oft keine realistische Vorstellung davon, was Handarbeit wirklich wert ist – wenn ich mir dann im Vergleich die Stundensätze im IT-Bereich ansehe, ist es doch manchmal etwas frustrierend. Es gab schon den ein oder anderen Kunden, der mich fast zum Hinschmeißen bewegt hat, etwa weil im Nachhinein nicht bezahlt wird. Aber in den meisten Fällen habe ich sehr nette und dankbare Kunden, sodass man solche Vorfälle einfach überstehen muss beziehungsweise nicht zu sehr an sich ranlassen sollte.

Was würdest du Menschen empfehlen, die jetzt diesen Job machen wollen?
Erstmal sollte man sich fragen, ob man der Typ für die Selbstständigkeit ist oder ob eine Festanstellung am Theater eher in Frage kommt. Es gibt wenige Stellen, die fest besetzt werden. Auch gibt es natürlich verschiedene Wege, in den Beruf zu kommen – ich selbst habe eine Ausbildung zum Bühnenplastiker an der Deutschen Oper (inzwischen Bühnenservice) gemacht, man kann aber auch Theaterplastik an der HfBK Dresden studieren. Gerade im Filmbereich gibt es auch sehr viele Quereinsteiger. Empfehlen würde ich jedem auf jeden Fall erst mal ein Praktikum zu machen, um einen Einblick in die Arbeit zu bekommen und sich von eventuellen Illusionen zu befreien – klar ist es ein unheimlich toller Beruf, aber es gehört eine Menge dazu. Teilweise muss man tagelang nur spachteln und schleifen, man darf sich also auch für solche Arbeiten nicht zu fein sein. Und: Man darf nicht zu sehr an seinen Kreationen hängen. In den seltensten Fällen baut man Dinge für die Ewigkeit. Nach einer Spielzeit oder wenn ein Film abgedreht ist, landen die meisten Dinge im Müll, in die man teils monatelang viel Schweiß und Herzblut reingesteckt hat. Deshalb sollte man immer einen gesunden psychischen Abstand zu den Dingen wahren und sich mehr als Dienstleister sehen und nicht so sehr als Künstler. Und bestenfalls Raum für eigene Projekte lassen, wenn es die Zeit zulässt.

Wie viel Startkapitel hast du gebraucht?
Das lässt sich nicht pauschalisieren – ich kam aus einer dreijährigen Ausbildung, bei welcher ich ein wenig Ausbildungsgehalt bekommen habe. Während der Ausbildung hab ich schon kleinere Jobs angenommen für befreundete Bands. Anschließend hatte ich aber dennoch kein Startkapital oder wirkliche Ersparnisse. Allerdings hat es sehr geholfen, den Gründerzuschuss zu beantragen.

Wie lange hast du gebraucht, um von deinem Job leben zu können?
Mit etwas Unterstützung des Zuschusses konnte ich relativ gleich zu Beginn damit auskommen. Es war allerdings ein langsamer Prozess, sodass mit den Jahren sowohl Ausgaben als auch Einnahmen gestiegen sind. Ich habe mehrfach die Werkstatt gewechselt und hatte immer relativ viel Glück, an günstige Räume zu kommen. Die ersten Jahre muss man aber sehr viel auf sich aufmerksam machen und ständig Klinken putzen, an allem sparen und wirklich fast alles machen, was man an Aufträgen angeboten bekommt.

Kunden haben oft keine realistische Vorstellung davon, was Handarbeit wirklich wert ist.

Willst du noch weiter wachsen?
Ich würde gerne in dem Sinne wachsen, dass ich es mir irgendwann aussuchen kann, welche Aufträge ich annehme beziehungsweise welche ich ablehnen kann – aktuell mache ich noch fast alles, was ich zeitlich unter bekomme. Damit einhergehend ist wohl auch der finanzielle Aspekt. Es wäre schön, wenn der Job so viel einbringen würde, dass ich mir gewisse Dinge ohne Probleme leisten kann, die eigentlich selbstverständlich sein sollten. Zum Beispiel haben wir aktuell in unserer Werkstatt noch keine Heizung, was es im Winter fast unmöglich macht, hier zu arbeiten. Andererseits bin ich dermaßen glücklich mit diesem wunderschönen Raum, den ich gefunden habe, in dem ich mich so wohl fühle und in dem ich vor allem endlich genug Platz habe für große Projekte, dass ich derzeit einfach hoffe, hier noch eine Weile bleiben zu können. So wie sich der Wohnungsmarkt in Berlin in den letzten Jahren gewandelt hat, ist es auch sehr viel schwerer geworden, vernünftige Arbeitsräume zu finden, die man sich leisten kann. Aber wachsen im Sinne von Mitarbeitern kann ich mir aktuell noch nicht vorstellen, das wird in naher Zukunft wohl eher nicht passieren.

Danke, Karoline!

Karoline Hinz könnt ihr bei Facebook und Instagram folgen. Noch mehr kleine, handwerklich arbeitende Unternehmen aus Berlin findet ihr in unserer Rubrik "Kleine geile Firmen".

Alle Fotos wurden mit der Sony Alpha 7 II gemacht.

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