Alles kann, nichts muss – Wie ich meine Freundinnen vom Kit Kat überzeugte

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Nackte Schwänze baumeln an ihren Besitzern. Manche stehen vor Aufregung. An einigen stecken Ringe, andere sind in Peniskäfigen eingesperrt. Harte Nippel lassen die entblößten Brüste ihrer Besitzerinnen in einem besonders schönen Licht erscheinen. Das Pärchen rechts von mir schaut sich noch immer lustvoll in die Augen, während er an ihrem pinkfarbenen Strap-on rumspielt. Links an der Säule hockt ein Fetisch-Hund, der lechzend nach seinem Gebieter jault. Hinter mir auf der Couch fummeln zwei. Es ist zu dunkel, um zu erkennen, ob er schon in sie eingedrungen ist oder ob sie ihn noch zappeln lässt. Lustvolle Blicke erreichen mich und meinen Körper. Er ist bedeckter als so manch anderer hier, aber vielleicht hat das auch einen gewissen Reiz für die Männer, die seit Stunden versuchen, eine Verbindung zu mir herzustellen. Ich lächele, genieße und schließe meine Augen.

Das Gespräch ist eines der schönsten, offensten und ehrlichsten Gespräche unserer bisherigen Freundschaft

Ein paar Tage später berichte ich in meiner Küche von meinem Besuch im Kit Kat. Fünf Augenpaare gucken mich schockiert an. Im nächsten Moment flammt bei meinen Freundinnen eine gewisse Neugier auf. „Muss man nackt sein?“ „Muss man Sex haben?“ „Muss man zu allem ‚ja‘ sagen?“ Ich lache: „Nein, man muss gar nichts, kann aber alles – das ist ja das Schöne!“ Das Gespräch, das darauf folgt, ist eines der schönsten, offensten und ehrlichsten Gespräche unserer bisherigen Freundschaft.

Ich kann mich noch an den Skandal erinnern, als in meinem 3000-Seelen-Dorf ein Gasthaus zu einem Swingerclub umgebaut wurde. An die Gespräche meiner Eltern und deren Freunden, die alles andere als begeistert waren, dass dieses Haus der Lust nun zur Nachbarschaft gehört. Ich war noch zu jung, um alles zu verstehen, aber ich merkte, dass eine gewisse Angst vorhanden war. Aber Angst vor was? Angst vor dem eigenen Körper, der eigenen Lust oder dem schlechten Ruf, wenn ein Bekannter mitbekommt, dass man Swingern geht?

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Heute, fast 20 Jahre später, kann ich die Angst von meinen Eltern zu einem gewissen Teil nachvollziehen – zumindest insoweit, als dass es wirklich nicht einfach ist, in so einem kleinen Kuhdorf etwas geheim zu halten. Umso mehr genieße ich es, heute in Berlin zu wohnen, mich an einer gewissen Anonymität zu erfreuen und dadurch so viel mehr Freiheit und Leichtigkeit zu verspüren. Die Freiheit beginnt für mich ab dem Zeitpunkt, an dem ich an der Garderobe überflüssige Klamotten ablege, in ein sexy Outfit schlüpfe und für den Abend keine weiteren Wertsachen außer meiner Garderobenmarke und Bargeld in einer Zipper-Beutel bei mir trage. Im Kit Kat muss man nicht zwingend nackt sein, um sich frei zu fühlen, aber manch einem hilft es, um dem Alltags-Ich zu entfliehen.

Die Freiheit beginnt für mich ab dem Zeitpunkt, an dem ich an der Garderobe überflüssige Klamotten ablege.
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Die Atmosphäre im Kit Kat ist fesselnd, respektvoll und ja, auch sehr lustvoll. Der Sex und die Freiheit sind in der Luft spürbar. Hier kann jeder so sein, wie er will. Niemand wird ausgelacht, durch das Fehlen der Kleider fällt beim Kennenlernen auch jede Kategorisierung weg. Man lernt den Gegenüber mit allen Dellen und Muttermalen kennen. Es gibt keine Hipster, Schnösel oder Proleten, sondern einfach nur Menschen. Es bestätigt sich einmal mehr der Eindruck: Kleider machen Leute. Zu oft lassen wir uns vom ersten oberflächlichen Eindruck leiten. Selbst ich ertappe mich oft dabei, wie ich versuche, Menschen anhand der Kleidung festzunageln und nehme mir dabei die Chance, interessante Persönlichkeiten wahrzunehmen.

Es gibt keine Hipster, Schnösel oder Proleten, sondern einfach nur Menschen.

Durch das Handyverbot ist zudem die Aufmerksamkeit extrem hoch. Kein Whatsapp, kein Facebook, kein Alltag. Man ist physisch und psychisch anwesend, es gibt keine Ablenkung, keine Ausreden. Oft weiß ich nicht einmal, wie spät es ist. Das ist für mich oft der beste Beweis, dass der Abend gut war: Wenn ich im Hier und Jetzt sein konnte und total abgeschaltet habe.

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Das Kit Kat ist ein großer Abenteuerspielplatz für Erwachsene, die gern alle Facetten ihres Körpers und ihrer Lust ausprobieren möchten. Ob es ein Club für all meine Freundinnen sein könnte, wage ich zu bezweifeln. Und doch: Ein paar Wochen später begleiten mich zwei von ihnen. Die anfängliche Nervosität ist bereits beim Betreten des Clubs verflogen. Schnell merken sie, dass ihre Befürchtungen angestarrt oder ungewollt berührt zu werden, nicht der Realität entsprechen. Von Stunde zu Stunde merke ich, wie sie sich immer wohler fühlen und der Stolz auf ihren Körper steigt. Bald schon haben sie beim Tanzen vergessen, in welchem Club wir eigentlich sind – und der Fetisch-Hund an der Säule gehört für sie bereits zum Inventar.

Ich ertappe mich oft dabei, wie ich versuche, Menschen anhand der Kleidung festzunageln und nehme mir dabei die Chance, interessante Persönlichkeiten wahrzunehmen.
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