Wie es ist, mitten in der Pandemie die große Liebe zu finden

© Marit Blossey

Im Sommer 2020 haben wir drei frisch verliebte Paare gefragt, wie es sich anfühlt, sich während einer Pandemie, mitten im Lockdown, kennenzulernen. Drei Menschen haben uns ihre Geschichte erzählt: von ersten Dates auf Abstand, langen Gesprächen über Zoom und dem commitment, für jemand anderen zur festen Kontaktperson zu werden. Love in Corona-Times – seltsam anders, ziemlich kompliziert und auch ganz schön romantisch.

Fast forward: anderthalb Jahre später. Seitdem ist viel passiert. Erst gab es da einen langen Winter, mit diesem endlosen Lockdown. Monatelang zu Hause auf der Couch zu hocken, das bedeutet natürlich viel frisch verliebte Zweisamkeit – aber vielleicht auch die erste große Belastungsprobe. Dann kam die Impfung, die Außengastro, der Sommer – das Leben fühlte sich auf einmal wieder fast normal an. Das bedeutete auch, dass man mit einer Person, mit der man vielleicht schon monatelang zusammen war, nun zum ersten Mal zusammen in ein Restaurant, eine Bar oder einen Club ging: Was, wenn auf einmal Eifersucht eine Rolle spielte? Was, wenn man außerhalb der Komfortzone gar nicht so gut zusammenpasst? Was, wenn der*die Partner*in unfreundlich zu Kellner*innen ist, und man findet das erst jetzt heraus?

Wir haben bei den Menschen, mit denen wir damals gesprochen haben, nachgefragt, wie es ihnen heute geht. Zwei der drei Beziehungen haben gehalten. Was hat sich seit ihrem Kennenlernen verändert? Und wie hat die Pandemie ihre Beziehung beeinflusst?

JULIA, 23, HAMBURG

Julia und ihre Freundin lernten sich im März 2020 auf Bali kennen – ungefähr drei Tage, bevor Corona die Welt zum Stillstand brachte. Beide mussten ihre Reise abbrechen und flogen nach Hause, die eine nach Deutschland, die andere in die USA. In den Wochen des ersten Lockdowns (die Älteren werden sich erinnern) führten sie täglich stundenlange Gespräche über Zoom. Zwei Monate später hielten sie es nicht mehr aus und buchten Flüge nach Irland – damals eines der wenigen Länder, das sowohl US-Amerikaner*innen als auch deutsche Staatsbürger*innen einreisen ließ — and the rest is history. "Ich glaube, so eine Pandemie stellt eine Beziehung ganz anders auf die Probe. Unsere Beziehung ist so viel tiefer geworden", sagt Julia heute.

© privat

Inzwischen sind sie in Hamburg, Julias Heimatstadt, in eine gemeinsame Wohnung gezogen. Zu diesem Zeitpunkt waren sie seit anderthalb Jahren ein Paar. Als ich Julia treffe, ist sie gerade aus L.A. zurückgekehrt, wo sie gemeinsam bei der Familie ihrer Freundin die Weihnachtsferien verbracht haben. "Wir mussten aufgrund unserer verschiedenen Nationalitäten viele Entscheidungen treffen, die andere Paare vielleicht eher ein paar Jahre aufschieben", erzählt Julia.

Sie haben früh über Themen gesprochen, die bei anderen Paaren vielleicht erst später auf den Tisch kommen: Wollen sie Kinder? Wo wollen sie beruflich hin und müssen sie dafür ortsgebunden sein? Wollen sie erstmal in Deutschland leben oder in den USA? Wie stellen sie sich ihr Leben vor, wenn sie älter sind? "Dazu kam natürlich, dass Corona diese Entscheidungen auch beeinflusst und verändert hat. Ohne Pandemie wäre ich vielleicht weniger ängstlich gewesen, den Wohnort und damit auch Job zu wechseln. Aber gerade bin ich froh um meinen sicheren Job und würde nur sehr ungern den Ort wechseln, um in der aktuellen Situation nach einem neuen Job in der Eventbranche zu suchen".

Wir mussten aufgrund unserer verschiedenen Nationalitäten viele Entscheidungen treffen, die andere Paare vielleicht eher ein paar Jahre aufschieben. Dazu kam natürlich, dass Corona diese Entscheidungen auch beeinflusst und verändert hat.
Julia, 23

Die letzten anderthalb Jahre waren für Julia und ihre Freundin mit Erfahrungen und Entscheidungen gefüllt, für die andere Paare vielleicht eher drei oder vier Jahre brauchen. Vielleicht ist das auch einer der Gründe, warum sie sich so sicher sind – und sich im Oktober 2021 verlobt haben: "Wir wussten einfach, dass es das ist, was wir wollen. Also haben wir es einfach gemacht".

SOPHIE, 25, KÖLN

Die Beziehung von Sophie* und ihrem Freund Moritz* begann ganz klassisch mit einem Bumble-Date im Park, auf Abstand. Ein paar Wochen und viele Spaziergänge später waren sie zusammen. Das erste Jahr ihrer Beziehung war sehr intensiv, sagen sie heute: "Wir haben uns fast jeden Tage gesehen. Natürlich hatten wir immer noch unseren eigenen Alltag, Arbeit und Uni, aber wir haben fast jeden Abend miteinander verbracht und eben auch nicht viele andere Menschen gesehen, weil wir recht vorsichtig waren und uns ziemlich genau an die Corona-Regelungen gehalten haben".

Dieses erste Jahr war wunderschön. Sie hatten sehr viel Zeit zusammen und haben viele schöne Dinge gemeinsam unternommen; ihren Jahrestag feierten sie, indem sie ihr erstes Date nachstellten, am gleichen Ort wie damals, mit dem gleichen Wein.

© Marit Blossey

Dann kam die Normalität des Sommers, und sie kam für die beiden tatsächlich mit voller Wucht. Sophie begann ein Auslandspraktikum und aus dem "Wir sehen uns jeden Tag"-Modus wurden sie direkt in eine Fernbeziehung katapultiert. Noch dazu waren die Reisebeschränkungen anfangs noch sehr streng. "Das war auf jeden Fall eine Hürde: Wir haben uns erstmal zwei Monate gar nicht gesehen, das war ein harter Bruch dazu, dass wir uns vorher jeden Tag gesehen haben", erzählt Sophie.

Die Normalität des Sommers kam für die beiden tatsächlich mit voller Wucht. Sophie begann ein Auslandspraktikum, und aus dem "Wir sehen uns jeden Tag"-Modus wurden sie direkt in eine Fernbeziehung katapultiert.
Sophie, 25

Als Sophie aus dem Ausland zurückkehrte, begann Moritz kurz darauf ein Erasmussemester. Sie beide mussten in den letzten Monaten lernen, Wege zu finden, wie ihre Beziehung in dieser völlig neuen Situation funktionieren kann. Das Reisen wurde irgendwann zum Glück einfacher, und heute achten die beiden darauf, dass zwischen ihren gemeinsamen Wochenenden nicht zu viel Zeit vergeht.

Die Umstellung war krass, aber inzwischen haben sie in der Fernbeziehung einen guten Rhythmus gefunden, sagen beide. Moritz' Auslandssemester neigt sich dem Ende, und beide freuen sich darauf, im Frühling wieder in der gleichen Stadt zu sein – vorerst. "Vor allem, weil absehbar ist, dass unsere Zukunft auch in den kommenden Jahren nicht immer am gleichen Ort stattfinden wird, freue ich mich schon wieder sehr auf diese Zeit", erklärt Moritz. "Wenn es einfach keinen Grund gibt, sich nicht jeden Tag zu sehen – und sei es, um nach unterschiedlichen Tagen zusammenzukommen und gemeinsam einzuschlafen."

*Name von der Redakteurin geändert.

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