"Nach der Natur": 11 Highlights der Ausstellung im Humboldt Forum

© Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss / Foto: Alexander Schippel

"Nach der Natur" lautet der Titel einer Ausstellung im Humboldt Forum, die sich mit den Auswirkungen globaler Umweltveränderungen auseinandersetzt. Der Clou des Ganzen: Die Werksschau setzt den Fokus nicht nur auf vom Menschen verursachte Umformungen der Natur und von Lebensräumen – sondern nimmt auch die Wechselwirkungen zwischen Natur und Gesellschaft in den Blick.

Ohne Wissenschaft wäre die Welt heutzutage sicher nicht die, die sie ist. Allerdings ist auch die Wissenschaft im Laufe Wege gegangen, die sich als Sackgasse erwiesen und zu neuen Problemen führten. Das Humboldt Labor trägt dem auf rund 750 Quadratmetern mit einer Vielzahl an Exponaten Rechnung und sorgt damit für Aufsehen:

Die Forschungswand im Humboldt Labor wurde erst vor Kurzem beim diesjährigen ADC-Wettbewerb mit dem Grand Prix in der Kategorie "Kommunikation im Raum/Event" ausgezeichnet. Gratulation! Wir haben die Ausstellung "Nach der Natur" bereits besucht und haben euch hier 11 besondere Stücke herausgepickt, auf die (und natürlich auch deren Geschichte) ihr einen Blick werfen solltet.

1. Mit dem interaktiven Fischschwarm beginnt eure Reise

© Humboldt-Universität zu Berlin / schnellebuntebilder / Foto: Phil Dera

Schon der Eingang zum Humboldt Labor wird zum wissenschaftlichen Abenteuer: Die interaktive Projektion eines Fischschwarms begleitet euren Weg und reagiert naturgetreu auf euch: Kommt ihr ihm zu nahe, zerstreut er sich und formiert sich an anderer Stelle neu. 

Die Message ist klar: Ökosysteme sind empfindlich und bedroht und können ohne Ineinandergreifen und Zusammenhalt nicht so funktionieren, wie sie sollen.

2. Tierpräparate: Jagdgebaren unter wissenschaftlichen Aspekten

© Humboldt-Universität zu Berlin, Zoologische Lehrsammlung Foto: Phil Dera

Forscher*innendrang und Kolonialgeschichte gingen früher oftmals Hand in Hand. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es in Kolonien erste staatliche Bestimmungen zum Schutz von Wildtieren, weil schon damals viele Arten gefährdet waren.

Auch die Wissenschaft profitierte von diesem Gebaren: Naturkundemuseen sammelten schon früh Tierpräparate wie diese Hand eines Schimpansen, um so mehr über dessen biologische Eigenheiten zu erfahren. Das Humboldt Forum nähert sich unter ethischen Gesichtspunkten dieser Thematik.

3. Korallen aus Kuba zeigen gesellschaftliche Zusammenhänge von Forschung

© Museum für Naturkunde (MfN) Berlin Foto: Matthias Heyde

Wissenschaftler*innen und Präparator*innen des Instituts für Spezielle Zoologie und des Zoologischen Museums der Humboldt-Universität zu Berlin brachten in Zeiten der deutschen Teilung diese wunderschönen Korallen aus Kuba in die DDR – und sie gingen in ihrem Forscher*innendrang alles andere als umweltschonend zu: Die späteren Exponate wurden nach ihrem ansprechendem Äußeren ausgewählt und der Natur entnommen. Ein Riff sollte in Berlin originalgetreu nachgebaut werden – ein Prestigeprojekt, das nie realisiert wurde.

Stattdessen blieben viele der Objekte jahrzehntelang im Archiv. Ein wenig bekanntes Kapitel von Wissenschaft im Kalten Krieg, dass das Humboldt Forum nicht unerwähnt lassen möchte.

4. Afrikanische Masken verdeutlichen Inbesitznahme von Kulturgut

© Humboldt-Universität zu Berlin Foto: Phil Dera

Afrikanische Holzmasken gehören bis heute zu wichtigen Exponaten ethnologischer Museen und sind nicht selten im Zuge der Kolonialisierung in die jeweiligen Häuser geraten. Sie erfüllten das europäische Bedürfnis nach Exotik. Dass diese Inbesitznahme oftmals mit Gewalt gegenüber der einheimischen Bevölkerung verbunden war, sollte nicht vergessen werden. In der Ausstellung "Nach der Natur“ findet sich auch eine Maske, von dem Künstler Remouald Hazoumè aus Benin. Er karikiert: "Von Afrikanern erwartet man, dass sie Masken machen. Also mache ich Masken".

In diesem Fall thematisieren die Masken von Hazoumè allerdings noch etwas anderes: Sie sind kein Raubgut, sondern aus Plastik – und zwar aus dem von Benzinkanistern, mit denen in vielen Ländern Afrikas auf gefährliche Art und Weise Benzin geschmuggelt wird.

5. Minerale als Zeichen kolonialer Ausbeutung

© Technische Universität Bergakademie Freiberg, Mineralogische Sammlung / Foto: Philipp Plum

Diese Minerale sind ein Überbleibsel der Ausbeutung deutscher Kolonialgeschichte. Sie stammen aus dem Bergbaurevier Tsumeb in Namibia, vormals Deutsch-Südwestafrika, dessen Rohstoffe Kupfer, Blei und Zink zu Zeiten der Industrialisierung und Elektrifizierung sehr gefragt waren.

Abgebaut wurden diese von den Einheimischen allerdings meistens nicht freiwillig. Die Kolonialherren zwangen sie vielmehr zur Minenarbeit, bei der Arbeitsschutz nicht existent und Kinderarbeit wiederum allgegenwärtig war. Ein Zustand, der sich leider bei der Grubenarbeit in vielen Ländern bis heute nicht geändert hat.

6. Auch Robert Kochs Nobelpreis-Urkunde ist nicht makellos

© Humboldt-Universität zu Berlin, Universitätsarchiv Foto: Antonia Weiße

Auch in der Geschichte Robert Kochs gibt es dunkle Kapitel: Im Rahmen einer Forschungsreise durch die deutschen Afrikakolonien experimentierte er an an Betroffenen der Schlafkrankheit mit Medikamenten – nicht alle überlebten diese Prozedur, andere waren ihr Leben lang davon gezeichnet..

Auf der anderen Seite führte seine Forschung zu bahnbrechenden Erkenntnissen, besonders im Bereich der Bakteriologie, die vielen Menschen das Leben rettete. Allen voran steht natürlich seine Forschung über Infektionskrankheiten und die Entdeckung des Tuberkulose-Erregers, wofür er den Nobelpreis erhielt, dessen Urkunde in der Ausstellung "Nach der Natur" zu sehen ist.

7. Ein Portrait betont die Wichtigkeit wissenschaftlichen Denkens

© Humboldt-Universität zu Berlin / Foto: Philipp Plum

Ob der Chemiker Caspar Neumann tatsächlich so stattlich wie auf dem Portrait war, lässt sich heute nicht mehr sagen. Die Darstellung von Gelehrten sollte im 18. Jahrhundert immer Autorität und ihren Status als neue gesellschaftliche Elite darstellen. 

Was wir jedoch kennen, ist seine federführende wissenschaftliche Rolle. Neumann war königlicher Hofapotheker in Berlin und trieb in dieser Rolle die Entwicklung der Pharmazie zur universitären Wissenschaft voran. Und dass fundiertes, faktenbasiertes Denken vor purer Meinungsbildung stehen sollte, haben uns manche vorlauten Mitbürger*innen in den letzten Jahren eindrucksvoll bewiesen. Zum Glück haben Menschen wie Caspar Neumann gezeigt, wie wichtig Wissenschaft wirklich ist. 

8. Ein Hemd als Zeuge des Raubbaus von Mensch und Natur

© Familie Klütsch, Wesseling /Foto: Matthias Heyde

Dieses ausgestellte Hemd und das darin enthaltene Stück Pappe ist Beweis einer der menschenverachtendsten Industriezweige der Welt: Fast Fashion. Der Urheber der Zeilen, der Textilarbeiter Gazi S. aus Bangladesch, versteckte diesen Hilferuf 2005 zu einer Zeit, als die unmenschlichen Arbeitsbedingungen der Beschäftigten erst aufgedeckt wurden.

Heute gelten die Fabriken des südasiatischen Landes als vorbildlich – was keine beruhigenden Nachrichten sind: Die umwelt- wie menschengefährdende Profitindustrie ist einfach in Staaten mit geringeren Standards weitergezogen, was wiederum existenziell bedrohlich für Bangladeschs Arbeiterklasse ist.

9. Schuhe zum Erkenntnisgewinn von Migration

© Undocumented Migration Project/Jason De León, Los Angeles, California, USA, Foto: Jason de Léon

Auch hinter diesen auf den ersten Blick durchgelatschten Tretern steckt natürlich eine Geschichte – und es ist eine, deren Ausgang wir leider nicht kennen und deshalb nicht wissen, ob sie tatsächlich gut geendet hat. In diesen Schuhen hat nämlich jemand auf der Suche nach einem besseren Leben von Mexiko aus die unwirtliche, ja wirklich lebensgefährliche Sonora-Wüste durchquert, um auf diesem Weg illegal die USA betreten zu können.

Weshalb sie zurückgeblieben sind, ist schnell erklärt: Migrant*innen lassen Fluchtutensilien wie diese oft liegen, um in frischer Kleidung weniger aufzufallen. Auch aus archäologischen Gesichtspunkten interessant: Wissenschaftler*innen erhalten so wichtige Indizien über Wege von Migration und über ihre Umstände. Das Humboldt Forum trägt dieser Forschung mit dem Ausstellungsstück Rechnung.

10. Äpfel als frühe Ausprägung der Obstbaukunde

© Universität Greifswald, Institut für Botanik und Landschaftsökologie, Herbarium und Botanisches Museum, Foto: Elke Seeber

Der Name Heinrich Arnoldi wird nicht vielen ein Begriff sein, wissenschaftlich hat sich der Porzellanmanufakteur jedoch unsterblich gemacht. Schon im 18. Jahrhundert produzierte er 455 Modelle von Äpfel­n, Birnen, Zwetschgen und weiteren Obstsorten inklusive detailreicher Beschreibungen in punkto Anbau.

Die Äpfel des Arnoldi’schen Obst-Cabinets wurden dann zu Lehrzwecken an wissenschaftliche Institute, aber auch an Obstbauern verkauft und gelten heute als wichtige Exponate zur Bestimmung der damaligen Artenvielfalt und der Entwicklung des Obstanbaus sowie der damit einhergehenden Veränderungen des Baumbestandes. Viele der Sorten sind heute aber schon ausgestorben.

11. Strandgut gibt Aufschluss über die Verschmutzung der Weltmeere

© Humboldt-Universität zu Berlin / Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, digitale Reproduktion: Jester Blank GbR

Und auch dieses Exponat könnte kaum unscheinbarer sein, bedenkt man seine Bedeutung. Hierbei handelt es sich um 2018 in England angespültes Treibgut, das stellvertretend für acht Millionen Tonnen Müll (!!!) steht, der unsere Weltmeere jährlich verschmutzt und Schätzungen zufolge den Tod von 100.000 Meeressäugetieren und 1.000.000 Seevögeln verursacht.

Im Normalfall würde es rund 450 Jahre dauern, bis sich das Objekt im Meer in Mikropartikel zersetzt hat. Das Problem: Besagter Kleinkunststoff bleibt immer noch eine Gefahr für die Umwelt, wird von Tieren verschluckt und gefährdet sie. Durch angespülte Objekte wie diese kann nachvollzogen werden, welchen Weg Müll durch die Meeresströmungen zurücklegt und wie stark er sich dadurch zersetzt. 

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