Macht mich Corona endlich zu einem besseren Vater?

© Benjamin Hiller

"Cool trotz Kind" ist für alle Eltern dort draußen. Autor Clint berichtet von seinem Alltag als alleinerziehender Vater. Die Eskapaden, die er und seine Tochter Wanda* erleben, stehen im Zeichen einer großen Sehnsucht, einer Utopie: Man kann auch mit Kind ein wildes und freies Leben führen.

Es gibt immer wieder mal Phasen, in denen ich mich für den Worst Dad Alive halte. Weil ich mit meiner Tochter Wanda auf dem Sofa herumhänge, statt nach draußen zu gehen. Da leben wir schon in einer der aufregendsten Städte der Welt und nehmen nichts davon wahr. Ganz einfach aus dem Grund, weil ich ein fauler Sack bin.

„Papa, darf ich eine Brause trinken?“

„Aber nur, wenn du mir noch ein Bier mitbringst.“

„Was machen wir, wenn Jack Sparrow zu Ende ist?“

„Dann schauen wir den nächsten Teil, oder?“

Im Winter haben wir unsere Tage auf Reisen verbracht, sind in Museen gefahren, um dort zusammen zu zeichnen. Da war ich zufrieden mit mir, auch wenn ich spürte, dass wieder eine phlegmatische Phase im Anrollen ist. Vor zwei Wochen waren wir noch im Museum der Kommunikation, ein fabelhafter Ort, weil Kinder sich dort völlig selbstständig beschäftigen können. Wir hatten die Ausstellungsräume für uns allein. Damals habe ich auch noch von Corona-Hysterie gesprochen. Und mich gefreut, dass die S-Bahnen so leer waren.

Inzwischen leben wir alle in einem Quarantäne-ähnlichen Zustand. Und ich fühle mich so erlöst, wie schon lange nicht mehr. Meine Faulheit wird nun nicht mehr als Laster angesehen, sondern als Maßnahme zur Seucheneindämmung. Einfach himmlisch! Wanda ist froh, dass sie auf unbestimmte Zeit kitafrei hat. Und begleitet mich enthusiastisch zur Arbeit.

Meine Faulheit wird nun nicht mehr als Laster angesehen, sondern als Maßnahme zur Seucheneindämmung.

Natürlich gibt es auch Schattenseiten. Wir mussten unseren Ostertrip nach Venedig canceln. Selbst Wien, wo wir normalerweise alle paar Wochen hinfahren, ist jetzt tabu. Dazu kommen all die Sachen, von denen Wanda nichts weiß. Künstlerfreunde und Gastronomen, die vor dem Ruin stehen. Ein Gesundheitssystem, das zu kollabieren droht. Und natürlich sterben auch Menschen.

Wanda sieht, dass im Supermarkt die Regale leer sind. Und schnappt neugierig jede Nachricht über geschlossene Grenzen auf.

„Warum kann man nicht mehr vorne in die Busse einsteigen?“, fragt sie.

„Wahrscheinlich sind mal wieder die Türen kaputt.“

„Ich glaube, es ist wegen dem Virus.“

„Ja, ich glaube auch."

Man müsste schon blind sein, um nicht zu merken, dass es in ihrem kleinen Gehirn arbeitet. Sie kann die Geschehnisse um sich herum nicht einordnen, weil sie noch nie etwas Vergleichbares erlebt hat. Anfangs habe ich mit dem Gedanken gespielt, ehrlich zu sein. Und ihr zu sagen, dass es mir genauso geht. Aber wäre das für sie nicht noch beunruhigender?

Es ist sowieso Zeit für Veränderungen

Ich habe mich stattdessen für eine demonstrative Gelassenheit entschieden. Dass wir uns in einer Ausnahmesituation befinden, kann ich nicht leugnen. Und das will ich auch gar nicht. Dafür ist alles zu offensichtlich und auch zu spannend. Der Trick ist, dass ich vor Wanda so tue, als wäre eine Pandemie etwas, das alle paar Jahre vorkommt. Wie ein besonders heißer Sommer. Man muss sich ein wenig umstellen, hier und da besser mal in den Schatten gehen. Aber insgesamt nichts, worüber man aus dem Häuschen geraten müsste.

Mal sehen, was noch kommt. Grundsätzlich finde ich, war es höchste Zeit für eine Veränderung. Noch vergifteter als vor Corona konnte das gesellschaftliche Klima kaum werden. Natürlich geht alles immer noch schlimmer. Aber gerade bin ich hoffnungsvoll. Die Menschen sind auf sich selbst zurückgeworfen, fangen an, solidarisch zu werden. Leistungsdruck ist keine Doktrin mehr, sondern geradezu verpönt. Könnte doch sein, dass daraus etwas Gutes entsteht.

Aber gerade bin ich hoffnungsvoll. Die Menschen sind auf sich selbst zurückgeworfen, fangen an, solidarisch zu werden. Leistungsdruck ist keine Doktrin mehr, sondern geradezu verpönt. Könnte doch sein, dass daraus etwas Gutes entsteht.

Auf jeden Fall habe ich gestern einen der schönsten Tage seit langem mit Wanda verbracht. Und das, obwohl wir faul waren. Wir haben nach der Arbeit zusammen gekocht und gebadet. Während sie Bibi Blocksberg gehört hat, konnte ich endlich meinen 1000-Seiten-Wälzer von Evelyn Waugh fertig lesen. Auf der Wiese hinter dem Haus wachsen Tausende von Krokussen, der Frühling ist da. Wenn ich die Wahl habe zwischen Chillen und Panik, entscheide ich mich lieber fürs Chillen.

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