"Berlin muss wieder vibrieren": Ein neues Kulturbündnis will das urbane Leben in Berlin retten

Bazooka der Regierung, Corona-Soforthilfen und Überbrückungskredite – davon hat die Berliner Kreativwirtschaft in letzter Zeit viel gehört und ja, es gab kurzfristige Finanzspritzen, die (zumindest) ein temporäres Überleben im Auge der Krise ermöglichten, von einer Absicherung und einem Weiterexistieren der kulturellen Betriebe über die Krise hinaus, kann aber nicht die Rede sein. Die Hilfen sind nur ein Anfang. Großveranstaltungen bleiben weiterhin untersagt, die Hürden (Hallo Bürokratie- und Verwaltungsdschungel!) für kreative Um- und Zwischennutzungen von (Open Air)Räumen, die das kulturelle Leben weiterhin ermöglichen würden, sind zu groß und die Hoffnung, die Tourist*innen würden in der Ferienzeit in die Stadt zurückkehren, wurde enttäuscht.

Wie geht es in Berlin also jetzt weiter? Wie kann die einzigartige, urbane Kultur unserer Stadt langfristig überleben, wenn ihr bis auf Weiteres die Luft zum Atmen abgeschnürt wird? Die Sorge um die Zukunft des Szenestandorts Berlin ist berechtigt und braucht deshalb dringend Lösungen, neue Konzepte und Support – auch über die Krise hinaus. Weil sich politisch nur wenig bewegt, haben sich zahlreiche Unternehmen und Vertreter*innen aus der Kulturbranche und Kreativwirtschaft jetzt zu einem Bündnis zusammengeschlossen, um dem Zerfall des urbanen Lebens mit geballter Power und öffentlichkeitswirksam etwas entgegenzusetzen.

ONE BERLIN möchte den "Szenestandort Berlin" retten, der gerade "einen leisen Tod stirbt", wie es in einer Mitteilung heißt. Auf einer Pressekonferenz im Hotel Michelberger wurde die Initiative, zu der sich unter anderem verschiedene Musiker*innen, DJs, Club- und Festivalbetreiber*innen, aber auch Hoteliers, Gastronom*innen und Sterneköch*innen der Stadt und viele mehr bekennen, heute Morgen vorgestellt. Durch den Zusammenschluss will man vor allem eins: selbst aktiv werden, nachhaltige Ideen für die Zukunft des urbanen Lebens in Berlin verteidigen und neu erarbeiten, damit die Hauptstadt wieder "vibriert", wie Sternekoch Tim Raue, einer der zahlreichen Unterzeichner, heute betonte.

Über die Notwendigkeit urbanen Lebens – ein offener Brief

Auch wenn das soziale Miteinander langsam in die Stadt zurückkehre, das kulturelle und urbane Leben Berlins verkümmere zusehends oder liege bereits brach. Soziale Orte müssten deshalb schnell wiederbelebt werden, um ein komplettes Sterben des Szene- und Kulturstandortes Berlin zu verhindern. Wenn nichts dagegen getan wird, dann büße Berlin eine Menge seiner Anziehungskraft, seiner Diversität und auch seiner zukünftigen Entwicklungschancen ein, da sind sich alle Unterstützter*innen von ONE BERLIN einig.

Das urbane und kulturelle Leben gehört zur DNA Berlins, deshalb sei es jetzt an der Zeit, etwas gegen die zum Teil dramatischen Entwicklungen zu tun und Einsatz zu zeigen, um irreversible Schäden zu vermeiden. In einem ersten Schritt haben sich die Initiator*innen von ONE BERLIN deshalb in einem offenen Brief an den Berliner Senat und die Abgeordneten gewandt, in dem nicht nur die akuten und aktuellen Probleme der Branchen benannt werden, sondern der vor allem konkrete Forderungen und Maßnahmen beinhaltet, die für die Zeit nach der Corona-Krise wichtig sind, damit urbanes Leben in Berlin weiter existieren kann.

Das Bündnis fordert branchenübergreifende "strukturelle Änderungen und Erleichterungen" in Politik und Verwaltung, "die das urbane Leben Berlins nach der Pandemie aus einem tödlichen Eindämmungsschlaf erwecken" und forciert einen offenen Dialog. Heute Abend treffen sich die Initiator*innen zur Auftaktveranstaltung, um an weiteren Konzepten, konkreten Vorschlägen und Lösungen zu arbeiten. Wir halten euch über das Projekt auf dem Laufenden. Hier könnt ihr euch die Pressekonferenz noch einmal anschauen. Bei Instagram und Twitter werdet ihr ebenfalls weiterhin informiert.

One Berlin, Kulturbündnis
Pressekonferenz One Berlin © Insa Grüning

Die Forderungen von ONE BERLIN

Solange der gewerbliche Lockdown anhält und Kontaktbeschränkungen gelten

Übernahme der Mietzahlungen für die Geschäftsräume bis zur kompletten Aufhebung

Aussetzung von Gewerbe- und Körperschaftssteuer für Veranstaltungsbetriebe, Gastronomie, Hotellerie und Filmwirtschaft.

Aussetzung von steuerlichen Vorauszahlungen.

Massive zeitliche und administrative Erleichterung der Beantragung von finanziellen Hilfen.

Für zwei Jahre ab Januar 2021

7% Umsatzsteuer für Berliner Veranstaltungsbetriebe, Gastronomie, Hotellerie und Filmwirtschaft

Halbierung der Gewerbesteuer

Aussetzung der Körperschafts- und Einkommenssteuer

Nachtruhe ab 24 Uhr

Schankvorgärten bis 2 Uhr

mobiles veranstaltungsbezogenes Gaststättengewerbe im öffentlichen Straßenland für ausgewählte bestehende kulturell wertvolle oder einer nachhaltigen Lebensweise verpflichtete Unternehmen

TA Lärm an im Dialog festgelegten Orten von wichtigen Versammlungsstätten oder alltagskulturell wichtigen Gebieten aussetzen und durch Ausnahmegenehmigungen ersetzen

Mittelfristig / langfristige Entwicklungsbedingungen

Festsetzung von Teilen von Grünflächen für Veranstaltungen unter freiem Himmel für temporäre Nutzungen - auch in Freibädern - für alle Formen temporärer Nutzung von Theater bis Gastronomie, um vielen Akteur*innen statt einzelnen Protagonist*innen den Weg zu ebnen.

Neue Berliner Definition des Begriffs „Vergnügungsstätte“ mit speziellem Zuschnitt auf Wettbüros, Glücksspiel und Prostitution und großzügige Auslegungspraxis für Ansiedlung definierter für urbanes Leben wichtiger Betriebsarten, die durch die BauNVO massiv eingeschränkt werden.

Erleichterung der Genehmigung temporärer Nutzungsänderungen bis zu zwei Jahren auf dieser Grundlage durch beschleunigte Verfahren oder reine Anzeigepflicht.

Zu den Erstunterzeichner*innen gehören unter anderem: Nadine und Tom Michelberger vom gleichnamigen Hotel, Tim Raue, der Club Watergate, die Aktivistin und Unternehmerin Stefanie Witt (Green Market), Yoram Roth von Clärchens Ballhaus, der Aktivist Philip Siefer (Demokratiefestival), Markus Ossenvorth vom Festival Nation of Gondwana, die Messeveranstalter Bernd Neff (Berlin Travel Festival) bzw. Robert Stolt und David Trümner von Future of Festivals, der technische Eventausstatter Daniel Schaefers (edelmat), Oliver Koletzki (A tribe called kotori), Nicolas Solar Lozier (Behind The Tree), Fetsum vom Berliner BxB-Festival, die Co-Working-Urgestein Ansgar Oberholz und Theo Ligthart (Freimeisterkollektiv). Insgesamt sind auf der Liste bereits 30 Unterzeichner*innen zu finden.

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