Berliner*innen am Sonntag: Krimis lösen mit Kilian Kerner

© Hella Wittenberg

Der Sonntag ist heilig! Wir haben uns gefragt, was waschechte, zugezogene oder ganz frisch gebackene Berliner an diesem besten Tag der Woche eigentlich so tun? Lassen sie alle Viere gerade sein oder wird doch gearbeitet, was das Zeug hält? Sind sie „Tatort“-Menschen oder Netflix-Binger*innen, Museumsgänger*innen oder festgewachsen am Balkon? Brunchen sie mit Freund*innen oder trifft man sie allein im Wald beim Meditieren an? Wir haben bei unseren liebsten Berliner*innen nachgefragt.

Das sagt der Modedesigner Kilian Kerner über seinen Sonntag

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Ist der Sonntag ein besonderer Tag für dich?

Das ist schon ein wichtiger Tag für mich. Samstags arbeite ich oft noch oder treffe mich mit Freunden, aber sonntags versuche ich allein zu sein. Ich rede an dem Tag auch kaum.

Hast du feste Sonntagsrituale?

Ja, bei mir sieht jeder Sonntag gleich aus. Erst mal schlafe ich bis um 11 Uhr oder so aus, gucke Netflix und esse was. Nachmittags habe ich meine zwei Stunden Tennistraining, danach gammele ich rum und gucke wieder Netflix. Früher habe ich da viel mehr gearbeitet.

Woher kommt dieser Wandel?

Na ich bin 40! In den letzten Jahren habe ich gelernt, was mir gut tut und was ich wirklich brauche. Deshalb lese ich nach 21 Uhr keine E-Mails mehr. Ich bin ein Mensch, der lange braucht, um abzuschalten. Und mit Serien denke ich zur Abwechslung mal nicht über meine Sachen nach. Sondern darüber, warum jemand gemordet hat. Ich liebe nämlich alle möglichen Kriminalsachen, insbesondere „How to Get Away with Murder“. Ich würde auch richtig gerne beim FBI arbeiten. Ich denke, ich hätte dafür ein Gespür.

Ist der Sonntag vor der Berlin Fashion Week anders?

Es gibt natürlich mehr zu tun. Gerade weil ich für Häagen-Dazs junge Modeschüler auf eine Fashion Show auf dem Mercedes Platz am 6. Juli vorbereite, bei denen dann einer als Gewinner hervorgeht. Ich finde es schön, die Erfahrungen aus 17 Jahren in der Branche weitergeben zu können. Aber die Aufgabe für die Studenten ist schon schwer, denn sie haben als Vorgabe drei Stoffe und müssen in der Gruppe eine Kollektion machen. Da muss man lernen, das eigene Ego auszuschalten.

Das klingt schwierig.

Es ist die Realität. Die meisten werden nicht ihr eigenes Label gründen. Diesen Humbug kann man sich abschminken. Aber viele glauben, die Branche hätte nur Glamour und Champagner zu bieten. Eine Modenschau ist nur für die Zuschauer Glamour, aber nicht für die Designer. Man sieht ja nicht mal seine eigenen Sachen auf dem Catwalk. Mode ist eine Illusion. Man verkauft Träume. Denn wer hat schon die Figur der Models? Niemand. Es ist meiner Meinung nach auch nicht erstrebenswert. Und sie laufen auch nicht, wie man normal läuft. Sie sind geschminkt, wie man normal nicht geschminkt ist.

Deine Kollektion „Day off und der erste Moment“ hast du ebenfalls von Häagen-Dazs inspirieren lassen und stellst diese auch am 1. Juli in Berlin vor, richtig?

Ja genau. Die Idee entstand an einem Sonntag. Ich lag morgens in meinem Bett und habe mich auf den freien Tag gefreut. Da habe ich sogar ein Selfie von mir gemacht und an einen Freund geschickt, obwohl ich das sonst hasse. Und dann kam ich mit Häagen-Dazs ins Gespräch, denn was ist besser, als an einem Day off Eis zu essen? Eigentlich sollten es drei Outfits werden, die vom Eis inspiriert werden. Aber jetzt sind es neun, weil ich das so cool fand.

Mode ist eine Illusion. Man verkauft Träume.
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Wen willst du sonntags überhaupt nicht sehen?

Niemanden, der was von mir will. Das gönne ich auch den anderen – dass sie einen Tag mal nichts von mir hören. Auf Arbeit kann ich sehr anstrengend sein. Denn ich habe halt meine klaren Vorstellungen und weiß genau, was ich will. Ich weiche davon nicht ab.

Hast du ein How-to zu so einem Selbstbewusstsein?

Ich weiß mittlerweile, was ich geschafft habe – aus dem Nichts. Aber ich strotze nicht vor Selbstbewusstsein. In meinem Liebesleben bin ich nicht so, da bin ich eher schüchtern. Im Privaten will ich nicht nur fordern. Wenn man immer seinen Willen durchsetzen muss, kann man irgendwann nicht mehr. Mir ging das in der Vergangenheit so.

Wie hast du gemerkt, dass sich etwas ändern muss?

Nach zwölf Jahren durcharbeiten, Stress haben und eine Aktiengesellschaft führen, gab es irgendwann den Punkt, an dem es nicht mehr ging. Ich lag im Bett und habe meine Beine nicht mehr gespürt. Da weiß man, dass man etwas tun muss. Es hatte auch alles keinen Inhalt mehr.

Hattest du Freunde, die in der Zeit für dich da waren?

Ja, ich habe Glück in meinem Leben. Ich habe sehr gute Freunde, aber nicht viele. Weil ich das auch nicht zulasse. Ich will gar nicht zu vielen Leuten mein Innerstes zeigen.

Und nicht mal diese Freunde willst du am Sonntag sehen?

Na manchmal gehen wir was essen. Ich liebe ja Griechisch und es gibt in Pankow, wo ich wohne, das Olivenbaum. Da gibt es richtig gutes Gyros. Wobei man schon viel Hunger haben sollte, denn die Portionen sind riesig. Ich esse immer alles auf. Das ist so gut! Aber so was wie Feiern ist nicht mehr mein Ding. Ich gehe seit zehn Jahren gar nicht mehr aus.

Ich lag im Bett und habe meine Beine nicht mehr gespürt. Da weiß man, dass man was tun muss.

Warum ist Berlin dann noch der richtige Ort für dich?

Ich habe mich noch nirgends so zuhause gefühlt wie hier. Ich kriege schnell Heimweh. Nach einer Woche Urlaub wird’s kritisch. Ich habe auch schon Sachen abgebrochen, weil ich wieder nach Berlin wollte. Was schon komisch ist, denn Beziehungen finde ich hier schwierig. Alles ist so unverbindlich. Davon habe ich die Schnauze voll. Ich will, dass es zählt, was gesagt wird.

Mit deinem Label war es vor 3 Jahren vorbei und du hast sogar die Rechte an deinem Namen verloren. Was bereust du?

Es war nie mein Ziel eine Aktiengesellschaft zu führen. Aber ich hatte eine. Wenn man mir jetzt fünf Millionen auf den Tisch legen würde, um wieder eine AG zu gründen, ich würde ablehnen. Ohne mit der Wimper zu zucken. Nie, nie wieder! Denn das ist eine böse Welt, mit vielen bösen Menschen. Es wird sehr viel gelogen, sehr viel getrickst. Und dass das meinen Namen trug, war die blödeste Entscheidung meines Lebens. Es ist auch das Einzige, was ich bereue. Ich habe meinen Namen dafür abgegeben. Ich war plötzlich ein Börsenkurs und wurde auch so behandelt. „Heute Morgen bist du fünf Euro wert, jetzt nur noch 3,50 Euro und oh, jetzt ist es ganz in den Keller gegangen!“ Also was ich da erlebt habe… Aber das ist mittlerweile abgehakt für mich. Das interessiert mich nicht mehr. Und ich arbeite jetzt eben auch nicht mehr an Sonntagen.

Wort zum Sonntag: Ruht euch mal so richtig aus!

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