Unsere 11 Kunsttipps für den Februar 2019

In dieser Ausgabe des Artvergnügens nehme ich euch mit nach Marzahn, nach Albanien und sogar ins Perlflussdelta. Ihr erfahrt, wie dekorativ Politik sein kann, lernt von der Identitätskrise des Bauhaus, und ich verrate euch sogar, warum wir alle die Reinkarnation von Sisyphos sind. Viel Vergnügen mit der Kunst im Februar!

© Natalia Kepesz aus der Serie «Casino»

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Fernwärme im Schloss Biesdorf

Mit seinen 40 Jahren blickt der Stadtteil Marzahn auf eine wilde Jugend zurück und man ist geneigt zu sagen, dass es noch immer wild zugeht. Aber das ist die gewagte  Beurteilung aus der Ferne. Wie es dort wirklich aussieht, wie dort gebaut, gewohnt, gelebt wird, zeigen nun, anlässlich des 40-jährigen Bezirksjubiläums, Fotografien von Schülern der renommierten Ostkreuzschule. Über ein halbes Jahr fingen Studenten der Fachklassen Maria Sewcz und Tobias Kruse ein Marzahn ein, das mehr ist, als unsere Vorurteile erfassen.

  • Zentrum für Kunst und öffentlichen Raum – Schloss Biesdorf Alt-Biesdorf 55, 12683 Berlin
  • Eröffnung: Samstag, 16. Februar 2019, 18–23.30 Uhr | Bis 9. März 2019: täglich 10–18 Uhr, Freitag: 12–21 Uhr, Dienstag geschlossen
Edi Rama, WORKS, Ausstellungsansicht Kunsthalle Rostock, 2018. © Kunsthalle Rostock/Beise

2
Edi Rama bei Carlier | Gebauer

Ob Kunst per se politisch ist oder sein soll, sind oft gestellte Fragen. Edi Rama enthebelt diese Überlegung komplett. Der Künstler ist zugleich amtierender Ministerpräsident Albaniens. Als Bürgermeister von Tirana veränderte er die soziale Stimmung der Einwohner mit dem einfachen Mittel Farbe. Er ließ Häuser bunt streichen, was dazu führte, dass die Kriminalitätsrate sank und die Anzahl der Steuerzahler stieg. Ramas Malereien entstehen während Meetings. Eine bei Carlier Gebauer gezeigte Tapete mit seinen Malereien wird ergänzt um Skulpturen; die fertigt er aber außerhalb seiner Arbeitszeit an.

Basel Abbas and Ruanne Abou-Rahme, Still aus The Incidental Insurgents: Unforgiving Years, Pt. 2

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Persisting Realities im Kunstraum Kreuzberg / Bethanien

20 Jahre hat das CTM Festival nun schon auf dem Buckel. Und wer sich mit der Förderpolitik in Berlin befasst, weiß, dass hinter dieser Lebensdauer ein beeindruckendes Durchhaltevermögen steht. Mit dem Durchhalten beschäftigt sich die diesjährige Ausstellung des Festivals für neue Musik. Als Metapher zieht Persisting Realities Sisyphos heran, jener König, der unerlässlich versuchte, einen Felsblock den Berg hochzurollen – mit einigen Rückschlägen. Wie Sisyphos strebt unsere Gesellschaft ständig nach Stabilität und dem großen Sinn. Bisher ist das ein vergebliches Tun. Auch die Künstler dieser Ausstellung versuchen durchzuhalten, in einer Zeit, die ständig und alles in Frage stellt und feste Strukturen zum Wackeln bringt. Ist es möglich, eine gemeinsame Basis zu finden?

  • Kunstraum Kreuzberg/Bethanien Mariannenplatz 2, 10997 Berlin
  • Bis 17. März 2019, täglich 11–20 Uhr | während der CTM bis 3. Februar 2019, täglich 11–22 Uhr
Helen Marten, Fixed Sky Situation, König Galerie, 2019, Installationsansicht von Annik Wetter

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Helen Marten in der König Galerie

Und noch eine Ausstellung, die an der Stabilität rüttelt: Helen Marten hinterfragt die materielle Welt sowie unseren Platz darin und piekst dabei vor allem die Rolle und Form unserer Sprache an. Verschiedene Materialien in oft unerwarteten Kombinationen visualisieren hier, was sich eigentlich nicht visualisieren lässt: die emotionale Kapazität von Farbe zum Beispiel oder auch Begriffe von Arbeit. Eine eingängige und zugleich spielerische Art, unser aktuelles Dasein zu erschließen. 

Still aus The Fine Thread of Deviation von Evan Calder Williams und Anne Low  © Evan Calder Williams & Anne Low

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14. Forum Expanded Gruppenausstellung bei silent green

Anlässlich der Berlinale werden neue und bestehende Ausstellungsorte auf dem Areal des silent green mit rund 15 Arbeiten – Film, Video-, Sound-Installationen und Performances – bespielt. Das Forum fragt sich, was die Rolle des Bewegtbild heute ist, da wir ihm doch permanent ausgesetzt sind. Die Ausstellung reflektiert vor allem das veränderte Verhältnis zwischen bewegtem Bild und gelebtem Leben und schlägt den Bogen zwischen alten und neuen Abbildungen aktueller Themen. Mit Filmen von Harun Farocki und Clemens von Wedemeyer.

  • Silent Green Kulturquartier Gerichtstraße 35, 13347 Berlin
  • Eröffnung: 6. Februar 2019, 19 Uhr | Bis 17. Februar 2019, täglich: 11–21 Uhr | 19. Februar – 9.März 2019: Dienstag – Sonntag: 14–19 Uhr
  • 8 Euro, ermäßigt 6 Euro

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Julia Benz in der Galerie Gerken

Julia Benz war die erste Künstlerin, die ich für das Art Vergnügen interviewte. Schon damals ergriff mich ihre Energie - die persönliche ebenso wie die ihrer Malerei. Julia malt meist großformatig, farbintensiv, frei und energisch. Sie bewegt sich um die Leinwand und die Leinwand dreht sich um sie. Im Ergebnis kann man entweder baden oder versuchen, Muster und Abläufe zu erkennen. Muss man aber nicht.

Photo: Jean-Sebastian Massicotte-Rousseau 


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Saskia Groneberg und Paul Hutchinson bei Russi Klenner

Für die aktuelle Ausstellung bespielt Russi Klenner wieder sein Format der Doppelausstellung. Dieses Mal verbindet die zwei ausgewählten Künstler der Grenzgang zwischen dokumentarischer und künstlerischer Fotografie. Paul Hutchinsons Fotografien bilden Alltagsmomente ab, oft, aber nicht immer, mit menschlichem Subjekt, meist mit Referenz zu zeitgenössischer urbaner Kultur. Saskia Groneberg beleuchtet die Spannung zwischen Mensch und Natur und vor allem die Domestizierung letzterer durch urbane Architektur und andere Eingriffe.

© Bröhan-Museum

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Von Arts and Crafts zum Bauhaus im Bröhan-Museum

Beim Bauhaus nickt jeder wissentlich: Kennen wir irgendwie alle. Das war doch Gropius und Mies van der Rohe. Viel Beton, Stahl und klare Linien. Stimmt. Aber nicht alle Annahmen sind korrekt oder greifen weit genug. Damit möchte die Ausstellung im Bröhan-Museum aufräumen. Es geht um die Vorgeschichte, eine Kontextualisierung im europäischen Kontext, beispielsweise in Relation zum Wiener Jugendstil und der Glasgow School. Anhand hunderter Designs wird hier auch genauer untersucht, warum sich das Bauhaus so schwer tat, eine eigene Position zu finden.

  • Bröhan-Museum Schlossstraße 1a, 14059 Berlin
  • Bis 5. Mai 2019 | Dienstag – Sonntag: 10–18 Uhr
  • Eintritt 8 Euro, ermäßigt 6 Euro | Am 
Samstag, 16. Februar, 10–20 Uhr (Aktionstag „Berlin sagt Danke“): kostenloser Eintritt
Ausstellungsansicht Times Art Centre von graysc.de

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The D-Tale im Times Art Centre

Im Dezember eröffnete das Times Art Centre, die erste Zweitinstitution eines asiatischen Museums im Ausland. Der neue Einwohner stellt sich direkt mit Videokunst aus der Heimat vor: Das Perlflussdelta ist von internationaler Vernetzung geprägt. Der ständige Austausch mit Guangdong, Hongkong und Macau, Einflüsse benachbarter Popkultur und ein Gespür für internationale Strömungen in der Medienkunst, haben für einen experimentellen Umgang mit dem Medium Video geführt. Diese werden im Rahmen der The D-Tale in drei Episoden, mit immer wechselnden Künstlern, präsentiert.

© Grimmmuseum

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Fango vol.2 im Grimmmuseum

Schlamm, die braune Masse, die zerstört, aber auch reinigt und Material für Neues sein kann, ist Hauptdarsteller dieser Ausstellung und Recherchesubjekt der Gruppe Fango. Es geht ihnen um ein globales Thema: die gewalttätige Unterdrückung kollektiven Einsatzes und individuellen Widerstands. Das passiert überall, so auch in Italien, und das auf dem Level der Politik sowie der Medien. Mafia und Korruption sind konkrete Schlagworte der Gruppenausstellung Fango vol. 2. 

„Karin Sander – A bis Z“, Installationsansicht Haus am Waldsee, 2019, Foto: Studio Karin Sander, © Karin Sander und VG Bild-Kunst, 2019

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Karin Sander im Haus am Waldsee

Irgendwann ziehen die Schlechtwetter-Ausreden nicht mehr. Euren Sonntagsspaziergang rund um die Krumme Lanke könnt ihr dann mit einem Abstecher zum wiedereröffneten Haus am Waldsee krönen. Die Künstlerin Karin Sander zeigt dort nicht nur ihre Arbeiten seit den frühen 1990er Jahren, sondern geht auch konkret auf die räumlichen und historischen Gegebenheiten des Hauses ein. Dieses ist jetzt, nach 73 Jahren kontinuierlicher Ausstellungstätigkeit, wieder in seiner ursprünglichen Form des Baujahres 1922/23 zu bestaunen. 

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