Unsere 11 Kunsttipps für November
Es wird Herbst und damit kalt und dunkel. Und so wird auch die Kunst nach einem extrovertierten Sommer wieder introvertierter. Sie befasst sich mit den ausgebeuteten und den bedrohten Menschen. Sie fragt wie wir eigentlich im Austausch mit der Natur aber auch der uns umgebenenden Architektur leben. Und es wird angezweifelt, ob wir in der Zukunft überhaupt noch eine aktive Rolle in der Gestaltung unserer Welt spielen. Große Themen mit großer Bedeutung.
1 How to talk with birds, trees, fish, shells, snakes, bulls and lions im Hamburger Bahnhof
Empfohlen aufgrund akuter Relevanz. In "How to talk with birds, trees, fish, shells, snakes, bulls and lions" werden Fragen wie die Folgenden analysiert: Kann ein Mensch eine Schlange sein? Kann ich einen Vertrag mit einem Baum schließen? Kann ein Huhn mir helfen, mit meinen Vorfahren zu sprechen? Durch die Sprache diverser Medien befassen sich die Künstler dieser Ausstellung mit den essenziellen, wechselseitigen Beziehungen zwischen Menschen und anderen Lebewesen an bedrohten Orten unseres Planeten. Kommunikation als Lösung?
2 Alicja Kwade in der König Galerie
Was ist es, das die Welt „im Innersten zusammenhält“? Alicja Kwade nimmt sich einer Frage an, die schon Goethes Faust beschäftigt hat. Auch scheinbar feste Materialien wie Marmor sind nicht wirklich starr, sondern eine Anordnung von Atomen. Mit Entitas schaut Alicja Kwade in die Zwischenräume: die Zwischenräume des Wissens, der Wahrnehmung, von Materialitäten aber auch von Momenten. Ihre Skulpturen und die gesamte Installation von Entitas trägt die Botschaft, dass alles auch immer anders sein könnte.
3 Frank Gehry und Hans Scharoun im Max Liebermann Haus
Anlässlich der 50-jährigen Städtepartnerschaft zwischen Los Angeles und Berlin werden die Werke zweier Architekten gezeigt, die beiden Metropolen zeitlose Landmarks beschert haben: Hans Scharoun verdanken die Berliner ihre Philharmonie, die Kalifornier Frank Gehry ihre Walt Disney Concert Hall – um nur zwei von vielen Meisterwerke zu nennen. Aquarelle, Skizzen und bisher ungesehene Zeichnungen des Expressionisten Scharoun und des Dekonstruktivisten Gehry zeigen den visionären Ideenreichtum der Ikonen, darunter auch Gehrys nie umgesetzte Pläne für die Museumsinsel.
4 Lee Bul im Martin-Gropius-Bau
Lee Bul ist eine der bedeutendsten Künstlerinnen Koreas. In ihren Arbeiten reflektiert sie über historische und politische Diskurse, Herausforderungen der Globalisierung und technischen Fortschritt, sowie das ewige Streben nach menschlicher Perfektion. Die multimediale Ausstellung "Crash" lädt auf eine immersive Zeitreise ein. Dies ist aber nicht nur eine Reise durch ihr Werk, sondern vor allem durch die Geschichte ihres gespaltenen Landes. Die Lage des Martin-Gropius-Baus am ehemaligen Mauerstreifen ist daher der ideale Ausgangspunkt für Lee Bul’s erste Soloausstellung in Deutschland.
5 Ed Atkins bei Isabella Bortolozzi
Es ist nicht das erste und sicherlich nicht das letzte Mal, dass ich eine Ausstellung von Ed Atkins empfehle. "Old Food" im Martin-Gropius-Bau war sein letzter dystopischer, verstörender, kritischer, hochstilistierter Coup in Berlin. Jetzt kommt er mit "Bloom" zu Isabella Bortolozzi. Was soll ich da noch groß recherchieren? Es ist Ed! Ed Atkins!
6 Sex Work im Museum Frieder Burda Salon Berlin
Ein Jahr ist es nun her, seit die #metoo-Bewegung ins Rollen gebracht wurde. Seitdem besteht zumindest ein gesteigertes Bewusstsein für Missstände und Handlungsbedarf. In diese Debatte reiht sich die Ausstellung "Sex Work" ein. Das gleichnamige Video von Candice Breitz steht im Dialog mit Arbeiten aus den 70ern von William N. Copley. Beide Künstler fechten die Stigmatisierung von Sexarbeit an, wenn auch aus stark unterschiedlichen Perspektiven.
7 Hendrik Czakainski in der Urban Spree Galerie
Das 21. Jahrhundert gilt als Zeitalter der Städte: Bis 2050 werden zwei Drittel der Menschheitsbevölkerung in diesen Ballungsräumen leben. Deren Organisation verlangt uns einiges ab, und momentan fürchtet man sich eher vor der Dystopie, anstatt von Utopien zu träumen. Hendrik Czakainski beobachtet, was passiert. Wie ein Forensiker untersucht er urbane Strukturen – vergangene, heutige, zukünftige – und entwirft daraus düstere und vor allem menschenleere Szenarien. Mit seinen Wandskulpturen wirft er die Frage auf: Wird der Mensch noch Teil der zukünftigen Welt sein? Gestalten wir diese noch aktiv mit oder haben wir unsere Chance bereits verspielt?
8 Maria Lassnig bei Capitain Petzel
Noch eine Ikone mit Mehrwert-Garantie: Die Arbeiten von Maria Lassnig, eine der bedeutendsten Künstlerinnnen des 20. Jahrhunderts, die weibliche Kolleginnen aber auch Martin Kippenberger und Paul McCarthy beeinflusste, gastieren wieder bei Capitain Petzel. Die Österreicherin machte sich vor allem mit ihren Arbeiten zum Thema "Body Awareness" einen Namen. Ihre Selbstporträts sind eine Manifestation davon.
9 Beatriz González im KW
Beatriz González wuchs in den 40ern und 50ern in Kolumbien auf. Die dortigen sozialen und politischen Umstände wurden zum Sujet ihrer Arbeit. Und obwohl sie sich dagegen wehrte, wurden ihr späteres Werk oft der Pop Art zugeschrieben, da es von Medien und der medialen Aufbereitung von Ereignissen inspiriert wurden. Eines ihrer bekanntesten Malereien: The Sisga Suicides I, II and III. Die Geschichte eines jungen Paares, das kurz vor seinem gemeinsamen Selbstmord ein Foto aufnehmen ließ, faszinierte González so sehr, dass sie das Bild auf die Leinwand brachte.
10 Open Studio Weekend im AR_29
Trau dich! Manchmal muss man sich auch einfach nur dem nicht vorab zu kalkulierenden Risiko hingeben und sich trauen zu entdecken. Das geht besonders gut bei Open Studios: unbekannte Räume, unbekannte Künstler. Im AR_29 könnt ihr jetzt einen Blick in die Arbeitsräume von Künstlerinnen wie Zuzanna Skiba werfen, ganz offiziell.