Berliner am Sonntag: Ewig frühstücken und Hörbücher hören mit Mieze

© Hella Wittenberg

Der Sonntag ist heilig! Wir haben uns gefragt, was waschechte Berliner an diesem besten Tag der Woche eigentlich so tun? Lassen sie alle Viere gerade sein oder wird doch gearbeitet, was das Zeug hält? Sind sie „Tatort“-Menschen oder Netflix-Binger, Museumsgänger oder festgewachsen am Balkon? Brunchen sie mit Freunden oder trifft man sie allein im Wald beim Meditieren an? Wir haben bei unseren liebsten Berlinern nachgefragt.

Das sagt Mieze von der Band Mia. über ihren Sonntag

Ich glaube, es gibt mehr Sonntage, an denen ich im Tourbus aufwache als zuhause. Deshalb ist ein Sonntag in Berlin ein ganz besonderer Tag für mich. Ich liebe Berlin am Sonntag ganz besonders. Es ist der Moment, in dem ich die Akkus aufladen kann.

Sonntagvormittag: Kaffee-Koma und ewig frühstücken

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8 Uhr: Für mich ist der Sonntag grundsätzlich der trödeligste Tag der Woche. Das Entschleunigen und Verlangsamen wird da richtig zelebriert. Das geht auch ziemlich gut, weil an dem Tag die ganze Stadt viel ruhiger ist. Aber trotzdem gelingt es mir nicht besonders lange im Bett zu fläzen. Ich stehe vielleicht eine halbe Stunde später als sonst auf. Das macht meine innere Uhr nun mal mit mir. Viel Denken geht da aber noch nicht. Mit maximal verstrubbelten Haaren und in meinem riesigsten Kuschelpullover mache ich also erst einmal Kaffee. Und dann noch mehr Kaffee und dazu ein paar Kekse. Für alles andere bin ich noch zu müde.

10.30 Uhr: Jetzt habe ich auch endlich eine Bürste und eine Jeans gefunden. Es kann also raus zum Frühstücken gehen. Ich probiere mich an Sonntagen durch sämtliche Frühstücksscafés der Stadt. Immer mit Freunden oder der Familie. Das darf gerne länger werden. Auf meinem Teller sind dann meist Pancakes mit Bacon und Ahornsirup oder Eggs Benedict zu finden. Dazu natürlich noch mehr Kaffee.

Sonntagnachmittag: Herumtrödeln und Candy Crush

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13 Uhr: Der Punkt ist erreicht, an dem ich nicht mehr auf die Uhr schaue. Es geht raus aus dem Frühstücksgetümmel. Jetzt wird spaziert. Eigentlich egal wohin. Flohmarkt am Boxhagener, Fehrbelliner oder Arkonaplatz – geht alles. Das sind übrigens die Orte, an denen ich immer denke: „Ach hier sind alle abgeblieben!“ Denn auf dem Weg dahin kann es einem schon passieren, dass man durch menschenleere Straßen spaziert. Ich mag, dass es auf der einen Seite so ruhig in der Stadt ist, auf der anderen hingegen diese sonntäglichen Hotspots gibt. Weitere Optionen für den Nachmittag sind Drachensteigenlassen auf dem Teufelsberg oder einfach im Wald herumlaufen. Hauptsache so lange draußen sein bis die Wangen rot und die Hände kalt sind.

Ich brauche das. Denn in mir herrscht immer eine Unruhe und diese Unruhe finde ich in der Stadt widergespiegelt. Ich brauche die Umgebung, um sie aufzugreifen, darüber zu schreiben, um das Echo zu haben. Aber ich benötige eben auch den Rückzug. Und dafür gehe ich in den Wald und sammle beispielsweise Pilze. Ich finde es wichtig, mir dafür Zeit freizuschaufeln. Denn Tage, Wochen oder sogar Monate sind schneller vorbei als man denkt und man hat vergessen, die Akkus aufzuladen.

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16 Uhr: Wenn ich Lust habe, geht es noch über einen Foodmarket, zum Beispiel im Thaipark oder in die Markthalle Neun. Dann mache ich mich langsam auf den Heimweg und arbeite mich in der Bahn durch eine Klatschzeitschrift oder wenn es ganz schlimm läuft, spiele ich Candy Crash. Oft genug erwische ich mich aber auch dabei, wie ich Mails beantworte. Ich denke dann, dass ich ja quasi vorarbeite. Und dann bin ich jeden Montag aufs Neue enttäuscht, dass andere gar nicht wie ich schon was weggearbeitet haben, und mich montags gleich mit Mails, Anrufen und weiteren To-Dos bombardieren. Diesen Strudel mag ich an Montagen nicht. Ich hätte vor zwanzig Jahren sicher nicht gedacht, wie viel Orga hinter dem Musikmachen steckt – das ist schon witzig.

Sonntagabend: Hörbücher hören und Kochshows bingen

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18 Uhr: Entweder ich lasse Musikskizzen von den Mia.-Jungs oder Hörbücher für meinen Podcast laufen. Ich recherchiere auch Biografien, bereite Interviews vor oder puzzle an Liedtexten. Es kommt auch nicht selten vor, dass ich alles gleichzeitig mache. Dann habe ich die Ruhe dafür. Ich genieße diese heimeligen Stunden ohne Ende. Ich komme vom Hundertsten ins Tausendste. Es fängt damit an, dass ich diese eine Stelle noch mal suchen möchte, die ich im Podcast vorspielen will, dann spule ich eine Stunde lang alles durch und finde die Stelle natürlich nicht, aber dafür zehn andere, die mich zum Nachdenken bringen. Daraufhin fange ich an zu googlen. Wann hat die Person das eigentlich geschrieben? In welcher Phase ihres Lebens? Ich liebe es, dafür Zeit zu haben, weil danach kein nächster Termin geplant ist. Ich kann einfach jedem Gedanken nachgehen, der mir gerade kommt.

Ich kann auch so viel Hörbücher hören, wie ich möchte. Und Hörbücher sind nun mal genau mein Ding. Ich habe viel mehr Hörbücher als Musik. Weil meine Leidenschaft das Wort ist. Ich liebe es zu lesen und zu gucken, wie andere Leute mit Worten spielen. Ich finde es immer wieder faszinierend, wie man Figuren so viel Leben geben kann, dass sie für mich zu Menschen werden. Besonders genial ist es, wenn Dinge hängenbleiben, noch lange nachdem das Hörbuch vorbei ist. Mein Liebling ist und bleibt „Der Koch“ von Martin Suter, gelesen von Heikko Deutschmann. Wenn ich eine Pause vom Hören für den Podcast brauche, dann höre ich das. Ich mag Suters klare Sprache. Die ist so gar nicht blumig. Irgendwie sauber. Das hat für mich eine unfassbare Energie.

21 Uhr: Sonntags wird gekocht und zu der Zeit brutzelt immer schon irgendwas im Ofen. Ich koche leidenschaftlich gerne. Das ist wie Meditieren. Ich trage ja Kontaktlinsen und schneide deshalb auch besonders gerne Zwiebeln. Da muss man nämlich nicht weinen. Und bei unseren Mädchenabenden bin ich auch wirklich die Schnippelmiez. Ich mag es halt, Sachen kleinzuschnippeln! Aber jeden Tag geht das gar nicht mit dem Kochen. Früher gab es bei mir zuhause auch ganz häufig Stulle mit Brot. Also belegte Brote. Aber gerade am Sonntag hat man Zeit fürs Kochen. Und selbst wenn wir auf dem Thaimarkt waren und da was gekauft haben, wird das zuhause total oft noch mit was gepimpt. Mit dem, was halt so noch da ist. Zwiebelchen, Lauch – da kann man noch einiges rausholen. Und dann ist das behaglich. Zusammen essen, reden, mit dem Flow gehen und nicht auf die Uhr schauen. Man sieht ja dann schon, wenn es dunkel wird.

Sonntags wird aber grundsätzlich auf dem Sofa zu Abend gegessen. Gerne gucke ich dann mit meinen Liebsten „Kitchen Impossible“ oder so was und wir kommentieren das Geschehen als ob es um unser Leben ginge. Ich natürlich am leidenschaftlichsten, denn ich habe einfach das Jurygen in mir. Ich habe ja auch gar kein Pokerface und das gilt auch für meine verbalen Äußerungen. Hashtag no filter! Ich haue alles raus. Ich habe immer Verbesserungsvorschläge. Selbst wenn ich nicht ganz im Stoff bin, kann ich doch sehr überzeugend meine Meinung vertreten. Aber vor allem finde ich es witzig, während einer Kochsendung zu essen. Das ist, als würde man etwas Gemeinsames machen. Ich finde es aber auch richtig schön, bei Fashion- oder Modelshows so was wie Gulasch mit Nudeln oder was mit ganz viel Käse zu futtern, während es bei denen um Gramm und Kilos und Spiegel geht. Einfach herrlich!

23.30 Uhr: Feierabend. Aber aus irgendwelchen Gründen dauert es noch mindestens eine Stunde, bis ich den Weg ins Bett finde. Eins ist jetzt schon klar: Montag kommt immer zu früh.

Wort zum Sonntag: Der innere Frieden ist wichtiger als anderen zu gefallen.

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