Was bringen Denkmäler, an die nach kurzer Zeit keiner mehr denkt?

© Andreas Bohlender

Berlin wird um ein weiteres Denkmal reicher. Namhafte Politiker, Historiker und Museologen engagieren sich seit geraumer Zeit für die Realisierung eines neuen Monuments, das den Opfern der deutschen Besatzung in Polen zwischen 1939 und 1945 gewidmet werden soll. Nun wurde bekannt: Am 1. September 2019, zum 80. Jahrestag des Kriegsbeginns, soll das Memorial am Askanischen Platz in Kreuzberg eingeweiht werden.

Schon im Vorfeld des Beschlusses mussten die Initiatoren einige Kritik einstecken. Allen voran die Frage, warum ein Denkmal errichtet wird, das einer einzigen Nation gewidmet ist und nicht allen Opfern der NS-Diktatur – in Osteuropa, in der Welt, unabhängig von ihrer Nationalität, der ethnischen Zugehörigkeit und Religion.

Geht es um Aussöhnung? Dann muss man sich die Frage gefallen lassen, was Aussöhnung heute bedeutet. Der Kniefall Willy Brandts 1970 in Warschau war ein nachhaltiges und starkes Zeichen. Aber ein verhältnismäßig unspektakuläres Mahnmal im Hier und Jetzt, kann das etwas bringen? Zumal die rechtspopulistische Regierung Polens gerade nicht auf Versöhnung, sondern auf Konflikte aus ist. Zuletzt wurden vom Partner im Osten neue Reparationszahlungen gefordert. Eine Bitte, die die Regierung sang- und klanglos abschmetterte.

Im Volkspark Friedrichshain gibt es bereits ein Denkmal, dass der polnischen Bevölkerung gewidmet ist. Es heißt „Denkmal des polnischen Soldaten und des deutschen Antifaschisten“ und ist eindeutig politisch eingefärbt. Es ist verständlich, dass nun ein wertfreies Pendant errichtet werden soll. Doch wer will das eigentlich jenseits der intelektuellen Elite? Böse Zungen könnten jetzt behaupten, es wird den Polen als Kompensation zugestanden. Ein paar Tausend Euro und jede Menge Symbolik, statt millionenschwerer Wiedergutmachung.

Wer will das eigentlich jenseits der intelektuellen Elite?
Generalfeldmarschall von Moltke © Pixabay

Bastionen gegen das Vergessen?

Dazu kommt noch, dass Berlin ohne Frage die Stadt der Denkmäler ist. Kürzlich berichteten wir über das Parlament der Bäume, ein Mahnmal im Regierungsviertel, das unter Denkmalschutz gestellt wurde, aber in großen Teilen der Bevölkerung gänzlich unbekannt ist. Wer sich einen Überblick über die Denkmäler Berlins verschaffen will, kann sich auf der Website des Landesdenkmalamts Berlin eine Liste herunterladen, die – und das ist kein Scherz – fast 1000 Seiten umfasst.

Allein der Bezirk Mitte beherbergt mehrere hundert Denkmäler, darunter so berühmte wie die Weltzeituhr, das Holocaust-Mahnmal oder die Quadriga auf dem Dach des Brandenburger Tors. Weitaus weniger bekannt sind die altgermanische Büffeljagd im Tiergarten (nähe Siegessäule), die Fußballspieler in Gesundbrunnen (Behmstraße 38-40) oder die Mahnung an Tschernobyl im Klostergarten (Klosterstraße 71). Es ist kaum vorstellbar, dass das neue Monument ebenso populär wie das Stelen-Mahnmal wird.

Grundsätzlich ist es schwer, Argumente gegen Denkmäler hervorzubringen. Sie sind buchstäblich eiserne Bastionen gegen das Vergessen, sie überdauern die Zeit und geben Denkanstöße. Dennoch ist nicht zu dementieren, dass über Berlin die Denkmalflut eingebrochen ist. Naturdenkmäler, Baudenkmäler, Gartendenkmäler in Erinnerung an Krieg, Flucht, Vertreibung, Genozid, für und gegen Kommunismus. Dazu all die preußischen Statuen und Skulpturen gefeierter Generäle, Fürsten und Denker. Wer kann mit diesen heute noch irgendetwas anfangen?

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Auf der anderen Seite prägen Denkmäler unsere Kieze. „Der verlassene Stuhl hinter dem leeren Tisch vor dem umgestürzten Stuhl“ (Koppenplatz) ist ein Symbol für die Eile der vor dem Holocaust flüchtenden Juden. Für mich war es als Kind das unangefochtene Zeichen meines Spielplatzes. Noch heute bleibe ich bei jedem Besuch davor stehen und halte inne. Im Laufe der Jahre wurde mir die Bedeutung klar und ich habe darüber nachgedacht.

Ist es nun klug, das neue Mahnmal zu errichten? Sicher, wenn es eine klare Aussage trifft und nicht sofort in Vergessenheit gerät, wenn es zum Hotspot für Touristen, Berliner und Schulklassen avanciert. Andernfalls sollte man es lieber sein lassen.

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