ABENDBROT MIT SARAH und Tommy Tannock #15 – Bite Club in Mitte

Jamie XX sieht nicht unbedingt so aus, als würde er sich viel aus gutem Essen und geselligem Beisammensein machen. Blass und elegisch tendelte der Frontmann von The XX letzten Sommer über die Bühne des "Night and Day"-Festivals im Berliner Plänterwald. Zu diesem Zeitpunkt konnte man noch nicht erahnen, dass dieses Konzert den Startschuss für die respektable Food-Karriere eines anderen Londoners aus dem erweiterten Bekanntenkreises des Sängers setzten würde. Tommy Tannock, heute stadtbekannt als Macher des Bite Clubs, Streetfood-Posterboy und Vorzeige-Foodie, hatte die Idee, das Konzert mit einem Foodcourt zu bereichern. Für sein Vorhaben konnte er unter anderem die Macher der Bar Raval, Bully‘s Bakery und Glut & Spaene für die Verpflegung der Festival-Kids gewinnen. Noch etwas windschief in den ehemaligen Vergnügungspark gezimmert, sollten die Buden nicht nur seine Karriere, sondern die Berliner Food-Szene ordentlich verändern.

Bis dato hatte Tommy hat seine kulinarische Neugier als Redakteur des TimeOut Magazines ausgelebt; bis heute arbeitet er für verschiedene Magazine wie Vice Munchies, Cereal oder Monocle Radio. Bevor er dann vor vier Jahren nach Berlin zog, brachte er japanischen Kindern in Tokio Englisch bei und aß sich durch die Restaurant- und Imbisslandschaft der japanischen Hauptstadt.

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Zum späten Mittagessen treffen wir uns in der neuen Dependance des Bite Clubs in Mitte. Auf einem Parkplatz hinter der Platoon Kunsthalle in der Schönhauser Allee hat Tommy hier gemeinsam mit seiner Partnerin Miranda Zahediah einen kleinen Ableger des Bite Clubs auf der Hoppetosse initiiert. Als wir gegen 15 Uhr ankommen, sind die Bänke bereits gut gefüllt. Musik dröhnt aus den großen Boxen, die Sonne heizt den Asphalt auf tropische Temperaturen.

Zampano Tommy flitzt in blauem Sommeranzug zwischen den Ständen hin und her, posiert kurz für ein Foto, entschuldigt sich für seine Hektik und drückt uns zwei Margaritas in die Hand. "Wollen wir eine kleine Runde drehen?", fragt er und ist schon auf dem Weg zum ersten Stand. "Magst du Caponata?", "Wie siehts aus mit Ceviche?" – eh ich mich versehe, befördert Tommy eine Auswahl an verschiedensten Snacks auf einen Biertisch. Wir setzen uns.

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Tommys Augen leuchten, wenn er über sein Lieblingsthema redet. Der Erfolg von Streetfood im Generellen und dem Bite Club im Speziellen verwundert ihn nicht. Er spricht von Essen als neuen "social signifier"; das Interesse an dem Thema gehe weit über simple Geschmackspräferenzen, Gesundheitsaspekte oder Nachhaltigkeit hinaus. Bourdieu und Bratwurst, Spätzle & de Saussure – für Tommy spielen sich die interessantesten Entwicklungen der Popkultur auf dem Teller und hinterm Herd ab.

Die Szene, die sich darum entwickelt, verbindet nerdiges Nischenwissen über japanische Fermentierungsmethoden oder baskisches Edelfleisch von alten Milchkühen mit vor Kurzem noch undenkbarer Lässigkeit. "Essensverkäufer mit Uniabschlüssen und Twitteraccounts" hat die Expat-Gazette Exberliner die Jungs und Mädels hinter ihren Ständen passend charakterisiert und auch bei Tommy merkt man schnell, dass er wirklich Ahnung von der Materie hat.

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Wir machen die Probe aufs Exempel. Die Auberginen-Caponata von Orlando gewinnt auf dem kleinen, ölgetränkten Pappteller sicher kein Schönheitswettbewerb, schmeckt aber super. Auch wenn ich Fan von der Variante bin, bei der der säuerliche Auberginen-Mansch durch Rosinen noch ein bisschen süßer wird. Weiter geht es mit einem Biss in eine mit Ceviche gefüllte Taco-Shell von Bebe Rebozo, die eine leckere und vor allem leichtere Ergänzung zur Caponata ist. An den mit Chili und Limettensaft marinierten Fischsalat der Cevicheria in der Dresdnerstraße reicht sie aber nicht heran. 

Großartig sind die Ananas-Tacos "al Pastor" von Taco Kween. "Al Pastor" bedeutet, dass das Fleisch – bzw. in dieser kreativen, vegetarischen Variante die Ananas – wie ein Schawarma-Spieß gegrillt wird und in dünne Scheiben geschnitten im Taco-Fladen landet. Mit einer ordentlichen Portion feurigen Soße ergibt dies ein tolles, süß-scharfes Sommeressen. Yum! Die Arepas von MariaMaria, eine Art Maisfladen aus Venezuela, kommen mit Pulled Pork dagegen leider etwas uninspiriert und trocken daher. Aber das vergesse ich mit einem Schluck meines Smoothies aus Eis, frisch pürierten Erdbeeren und Cachaça sofort. Als krönenden Abschluss gönnen wir uns ein Eiscreme-Sandwich der charmanten Jungs von Zwei Dicke Bären, César Cotta and Cieran Rockwell. Die Cookies und das Eis haben in langer Tüftel-Arbeit eine fast ähnlich weiche Konsistenz, sodass man herzhaft in das "Sandwich" beißen kann, ohne einen Krümelregen oder erfrorene Zähne zu befürchten.  

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Während wir uns verabschieden, strömen immer mehr Leute in den Hof. Ob sich der Streetfood-Hype irgendwann wieder legt? Ich glaube erstmal nicht. Im Endeffekt geht es bei dem bunten Treiben ja um die Urzelle des Sozialen: Zusammenkommen und gemeinsam tolles Essen entdecken. Wie könnte das jemals aus der Mode kommen?

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Wer Lust auf interessante Snacks und gute Musik bekommen hat, sollte sich schonmal den 25. Juli vormerken - dann feiert der Bite Club auf der Hoppetosse sein 1-jähriges Jubiläum.

Bite Club Mitte
Schönhauser Allee 9
10119 Berlin

Jeden Samstag 12:00 – 22:00 Uhr, zu den WM-Spielen länger

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Vielen Dank an Anna Rose für die Bilder! 

Vor zwei Wochen war Sarah in der Brasserie Lamazère essen. Noch mehr Essen findet ihr in unserer Abendbrot-Rubrik.

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