DAS LEBEN DER ANDERN #3 – Besuch bei der BSR

Einen Mitarbeiter der Berliner Stadt Reinigung – kurz BSR - zu treffen und ihm ein paar persönliche Fragen zu stellen, gestaltet sich in etwa so schwer, als würde man Madonna und Lady Gaga gleichzeitig interviewen wollen. Das gilt übrigens auch für Polizisten, Fahrkartenkontrolleure, die Frau, die uns Strafzettel unter die Scheibenwischer steckt und die Kassiererin vom REWE.

Für „Das Leben der anderen“ wollen wir uns mit Menschen treffen, die diese Stadt am Laufen halten. Doch unsere schöne Serie musste im letzten Monat viele Absagen kassieren. Die immer gleiche Antwort: „Kein Interesse.“ Begründung: „Wollen wir einfach nicht.“ Das Leben der anderen wird von Pressesprechern und Chefs besser abgeschirmt als das Wohnzimmer eines Filmstars.

In Anbetracht der Jahreszeit wollen wir einen Herren vom Winterdienst treffen, einen, der uns mit seiner Kehrmaschine vom Schneematsch erlöst. Wir wollen ein bisschen bei ihm mitfahren und nebenbei über sein Leben und seinen Beruf plauschen. Nachdem wir uns zur Presseabteilung der BSR durchgefragt haben, kassieren wir erst einmal eine Absage, bevor wir uns schließlich im Konferenzraum der BSR wiederfinden. Gemeinsam mit Uwe Münke, der Kraftfahrer bei der Berliner Stadtreinigung ist und – ja – dem Pressesprecher der BSR, der uns mit Adleraugen bewacht und sich Notizen zu unserem Gespräch macht. Er hat uns vorher verdeutlicht, dass wir keine privaten Fragen stellen dürfen, nur Fragen im Bezug auf die BSR.

Uwe Münke arbeitet seit 1989 hier. Wir erfahren, dass seine genaue Berufsbezeichnung „Kraftfahrer bei der Berliner Stadtreinigung“ - und er damit Unikraftfahrer ist. Auf die lustige Frage, ob denn der Winterdienst im Sommer frei hätte, schüttelt er den Kopf: „Nein, im Sommer werden mit der Gehwegkehrmaschine die Gehwege und Straßen gereinigt. Im Winter ist das Schnee- und Granulatbeseitigung.“ Sowieso gibt es für jede Jahreszeit eine Beschäftigung. Das Jahr besteht aus: Blütenzeit, Straßenreinigung, Laubzeit, Winterdienst. So dreht sich die Sonnenuhr der BSR. Über weiße Weihnachten freut sich Herr Münke trotzdem, hat er doch einen Sohn, der den Schnee liebt wie jedes Kind. Aber er sagt: „In die Stadt gehört eigentlich kein Schnee.“ Trotz Winterdienst macht Uwe Winterurlaub in Österreich. „Schnee macht Spaß, solange man damit nicht arbeiten muss.“

Münke ist ein waschechter Berliner mit Schnauze. Im Kreuzberger Wrangelkeiz aufgewachsen, lebt er aber seit 14 Jahren mit seiner Familie in Altglienicke. Im Wrangelkiez hat er eine tolle Kindheit verlebt, doch er bemerkt auch, dass sich diese Gegend in den letzten Jahren extrem verändert hat. Früher gab es rund um die Schlesischen Straße kleine Schuster- und Buchläden - die Gegend war eine reine Arbeitergegend, in der man sich wohl und sicher fühlte und den Nachbarn kannte. Viele seiner Urkreuzberger Freunde, von denen er niemals gedacht hätte, dass sie dort jemals wegziehen, leben mittlerweile auch nicht mehr dort. Der sympathische Münke ist jemand, der viel erlebt hat, stundenlang darüber reden könnte wie es vor und nach dem Mauerfall in genau dem Kreuzberg war, in dem sich Herr Lehmann im gleichnamigen Buch rumgetrieben hat. Aber wir sind ja bei der BSR. Der Pressesprecher schaut immer noch böse, das Gespräch stockt. Da wir noch ein schönes Foto brauchen, lassen wir Kreuzberg außen vor und reden über die lustigen BSR Sprüche auf den Papierkörben und die Signalfarbe Orange.

In der Umkleidekabine, dem privatesten Platz, den das Gebäude hergibt, dürfen wir dann ein Portrait von Uwe Münke machen. Nach ein paar Schnappschüssen müssen wir uns umpositionieren, da auf einem der Spinde ein Aufkleber eines Fußballvereins klebt. Zu viel private Information. Wollen sie einfach nicht.

„Das Leben der Anderen“ erscheint in Kooperation mit GREATEST BERLIN.

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