DAS LEBEN DER ANDEREN #4 – Der fliegende Blitz

© Matze Hielscher

In den Medienberuf kam Constanze Lüdtke ganz zufällig. Sie zog mit 20 nach Berlin, war bei einem Videodreh einer ihrer damaligen Lieblingsbands Jennifer Rostock und hat dort deren Manager kennen gelernt, der ihr einen Job und einen Spitznamen gegeben hat. Constanze hatte keine Ahnung von diesem Berufsfeld, wusste nicht, dass es zu jeder Band auch ein Management geben sollte, aber ab diesem Moment organisiert sie Fotoshootings, betreut ihre Lieblingsband auf Tour, feiert und arbeitet viel und hat eine Visitenkarte auf der „Conny Flash“ steht. Vier Jahre später hängt sie den Traumberuf, von dem sie nie geträumt hat, an den Nagel und bewirbt sich als Constanze Lüdtke um einen Ausbildungsplatz zur Stewardess.

"Ich habe extra eine Interviewstimme für euch eingeübt“ beginnt sie, als wir uns an ihrem Küchentisch in ihrer WG in Neukölln zusammenfinden. Sie ist ein wenig müde, trägt einen Hoodie und Wohlmütze und sieht aus wie ein Passagier auf einem Langstreckenflug. Nur die sehr akkuraten roten Fingernägel lassen ihren akkuraten neuen Job erkennen. Am Tag zuvor ist sie zwei Mal von Berlin nach London geflogen, jetzt hat sie ein paar Tage frei.

Wir fragen sie, ob wir mit Constanze Lüdtke oder Conny Flash reden? „Ich war schon immer mehr Conny als Constanze. Alle nennen mich Conny, auch auf meinem neuen Job. Constanze Lüdtke ist ein bisschen mehr Hirn. Ich dachte am ersten Schulungstag, das wird jetzt Constanze Lüdtke, die da arbeitet. Nach dem zweiten Tag wusste ich aber, das wird nicht funktionieren. Ohne das Conny-Flash-Sein kann ich da nicht arbeiten. Ich bin nämlich frech, und Conny Flash ist frech und das ist das, was mich in meinem Job sehr oft rettet.“ Constanze Lüdtke wird mehr durchkommen, wenn sie 40 sein wird. „Constanze, Konstante, Contenance – das kann und will ich gerade noch nicht so richtig.“

Wieso hat sie dann ihren Job im Musikbusiness, der wie maßgeschneidert scheint, gegen einen seriöseren Job in einem der klassischsten deutschen Unternehmen eingetauscht? „Ein Job, der cool ist, fordert auch von einem, dass man cool ist und zwar permanent.“ Immer noch und gerade im Nachhinein ist sie sich sicher, dass der Wechsel das Beste ist, was ihr jemals passiert ist. Sie wollte und konnte irgendwann eben nicht mehr permanent cool und erreichbar sein. Sie wollte nach Hause gehen und der Job sollte vorbei sein.

Als Stewardess weiß sie, dass sie manche Tage zu den besten ihres Lebens machen kann. Sie liebt die Arbeit mit ihrer Bordcrew, sie freut sich, wenn sie ihren Pferdeschwanz hinter die Schulter schnipsen und ihre Einweisung-Choreografie vorführen kann. Im Gegensatz zu früher ist die Teamarbeit jetzt rein professionell. Damals hat sie nicht nur im Büro etwas falsch gemacht – es war auch ein privates Versagen. „Ich glaube, in Wirklichkeit ist mir das einfach zu persönlich, diese Musikbusiness-Szene.“ Ihr Chef, der Musikmanager, hat ihr zwar immer gesagt, wie sehr sie  hineinpassen würde, aber sie selbst kam sowohl mit dem zu großen privaten Bezug, als auch mit dem permanent wechselhaften Leben zwischen Tour und Bürojob nicht klar. Ihr neuer Arbeitgeber hat für jeden Arbeitsablauf ein Regelwerk. Von der Begrüßung bis zur Füllmenge der Trinkbecher, vom Einstecktuch bis zur Haarlänge ist alles definiert.

Viele der Gäste sind beim Boarding schlecht gelaunt und unfreundlich. An guten Tagen schafft Conny es aber mit ihren Kollegen die Stimmung zu verändern. Das hat sie gelernt. „Ich kann mit jedem, der ins Flugzeug steigt, umgehen. Wenn ich eine Woche fliege, dann bin ich fix und alle, weil ich so viele Endorphine produzieren musste, aber meine Seele ist davon unberührt.“

Und was sie besonders mag: Dass man auch mal Lob bekommt. Nach eine komplizierten Flug bekam sie ein paar Tage später eine Mail vom Chef. Das kennt sie aus dem Medienbereich gar nicht: Da hat sie sich zwar mit allen großartig verstanden, aber gelobt wurde man nie direkt und offiziell. In den lockeren Firmen bekommt man kein offizielles Lob, auf das man stolz sein kann. Weil der ganze Umgang lockerer ist. Wenn man sich gut kennt, wird oft vergessen einfach mal zu sagen: Hast du gut gemacht. Punkt.

Beim rausgehen erzählt Conny, dass sie manchmal von einer eigenen Airline träumt und die würde dann natürlich Flash Airlines heißen - mit Constanze Lüdtke als Geschäftsführerin.

 

DAS LEBEN DER ANDEREN erscheint in Kooperation mit Greatest Berlin.
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