DAS LEBEN DER ANDEREN #14 – Crossfitter Felix Mühlnickel

Felix Mühlnickel ist 175cm groß und wiegt 80 Kilo. Er kann 230 Kilo Kreuzheben, 90 Liegestütze am Stück, 5 Kilometer in 19,30 Minuten laufen und 2 Minuten im Handstand stehen. Felix findet, der Mensch ist dafür vorgesehen, sich zu bewegen: „Der Mensch ist Jäger und Sammler, das ist seine Natur“. Er zieht seine kleine Lederjacke aus und trinkt einen Cappuccino. Unter seinem T-Shirt wölbt sich sein Trizeps wie eine kleine transplantierte Honigmelone, als er nach der Tasse greift. Die Segel eines tätowierten Dreimasters luken unter dem Stoff hervor, darunter eine große Motte und vom Ellenbogen bis zum Handgelenk eine lange große Axt.

„Der Mensch muss rennen können, sich ducken, Sachen anheben und wegwerfen“, sagt Felix. Er will nicht Bodybuilder genannt werden, er ist Crossfitter. Er trainiert Ausdauer, Beweglichkeit und Kraft, gleichberechtigt. Es geht ihm um die reine Leistung in allen Bereichen und nicht nur um die Modellierung des Körpers. Darum, die Körperleistung auf ihr Maximum auszureizen, um den Wettkampf mit sich selbst. Er hält kurz inne und überlegt: „Aber wenn ich ehrlich bin, ich find's schon geil, dass man auch geil aussieht.”

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Er sagt das so, als würde er gerade zugeben, mal als Callboy gearbeitet zu haben.

Früher hat Felix einmal Politikwissenschaften studiert und sogar abgeschlossen. Er sagt das so, als würde er gerade zugeben, mal als Callboy gearbeitet zu haben. Er schüttelt den Kopf und lacht, als könne er gar nicht mehr verstehen, wer er damals war. Wenn Felix jetzt morgens aufwacht, dann freut er sich auf sein Workout. Er sieht sehr glücklich aus, als er das sagt.

Vor einem halben Jahr hat er zusammen mit einem Freund sein eigenes Crossfitstudio gebaut. Es steht auf dem Raw-Gelände in Friedrichshain und heißt „Die Axt“. Es ist der wahr gewordene Rocky-Traum aus rohem Beton, schwarzem Gummi, Stahl und Autoreifen. Man trainiert hier vorwiegend in der Gruppe zu lautem Hip Hop oder Techno, aber jeder an seinem ganz individuellen Limit. „Manchmal kommt da richtig Berghainfeeling auf”. Frauen sind ebenfalls dabei, „auch die Mitte-Püppis aus ihren Agenturen kommen hier nach 'nem Espresso zum Auspowern vorbei.”

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Seine Freunde nennen ihn den breitesten Hipster Berlins

Sport verändert den Menschen und "Crossfit makes better people", so das Motto. Es gibt für Felix nichts Befriedigenderes, als zu sehen, wie er die Leute glücklicher macht. Denn er hat etwas Positives zu geben. Er sei kein „schmieriger Immobilienmakler“, der sein Geld mit „Bad Karma“ verdient: „Ich mache meine Kunden gesünder, schöner und glücklich.” Felix ist leidenschaftlich Coach, Crossfit ist seine Religion, seine Begeisterung springt einen an. Er selbst sagt, es sei ein bisschen wie eine Sucht.

Felix redet viel und schnell, er lacht oft und auch problemlos über sich selbst. Er sagt, seine Freunde nennen ihn den breitesten Hipster Berlins, wegen seiner Röhrenjeans und des kleinen Rucksacks. Aber er würde nichts an sich ändern wollen. Er überlegt, „vielleicht 5 cm mehr", aber dann sei er ja quasi Adonis. Pause. Er lacht laut und sagt dann: „Das Beste ist ja, ich mein das auch noch total ernst.”

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Seine Ehrlichkeit ist völlig entwaffnend und irgendwie macht das alles total Sinn. Er hat gefunden, was ihn ausfüllt, er kann es, er liebt es und er tut es. Sechs Tage die Woche. Wenn er über seinen Körper spricht, dann ist das so, als spreche er über eine dritte Person. Er sei sich selbst sein Publikum, sagt er. Zuhause hat er einen großen Spiegel und natürlich steht er oft davor. Seine Freundin findet das Ganze eher albern. „Die ist so wie Du”, meint er und lacht: „Sieh bitte danach aus, aber quatsch mich nicht damit voll”.

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Die tollen Fotos von Felix in seinem Crossfitter-Studio „Die Axt“ hat Kyra Sophie geschossen. Vielen Dank!
Beim letzten Mal hat sich unsere Autorin Anja mit Lo Graf von Blickensdorf getroffen. Alle Beiträge über "Das Leben der Anderen" findet ihr hier. 

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