ARTVERGNÜGEN #69 – Die Wool Week im Bikini Berlin

Wenn man sich nicht zu niesen traut, weil das im Hals schmerzt: Wollsocken und Wolljacke! Wolle schafft jenes behagliche Gefühl, das man sich in solchen physisch und mental sensiblen Situationen so dringend herbeisehnt. Wolle verbindet – beim Knäuelteambuilding, an Wolle Petrys Handgelenk, beim gemeinsamen Strick-Happening. Für meine Oma war Wolle eine Art Grundlebensmittel. Sie war der Überzeugung, dass man mit Wolle und Salz, sollte die Wirtschaftskrise unseren gesamten Besitz entwerten, einen guten Beitrag zum Überleben der Gesellschaft leisten kann.

Die weltweite Initiative "Campaign for Wool" hat zur Mission, über die vielseitigen Eigenschaften und Stärken der Wolle als erneuerbare und biologisch abbaubare Alternative zu synthetischen Fasern aufzuklären. Der Initiator The Woolmark Company hat anlässlich dieser Themenwoche einen Schäfer aus Brandenburg samt seiner 15 Merinoschafe, Fashion- und Produktdesigner sowie die Design- und Kunsthochschule écal aus Lausanne ins Bikini Berlin eingeladen. Der Schweizer Sportartikelhersteller Mover unterstützt das Projekt der renommierten Hochschule.

Bei der Recherche nach Wolle in der Kunst führt kein Weg an Guerilla Knitting vorbei, also die Verkleidung öffentlicher Objekte durch bunte Fäden. Die Bewegung startete 2005 in Texas – um gestrickten Überbleibseln einen Daseinssinn zu geben – kam 2010 nach Frankfurt und war seitdem nicht mehr aufzuhalten. Die künstlerische Stadtklamotte ist aber wirklich nicht der erste Auftritt von Wolle in der Kunstgeschichte. Surrealist Marcel Duchamp nutzte 1942 "16 Miles of String", um eine Barriere zwischen den Ausstellungsbesuchern und den gezeigten Malereien herzustellen.

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"16 Miles of String", Marcel Duchamp (1942)

Etwas später machte sich Rosemarie Trockel als Strickkünstlerin einen Namen. Ihr "signature piece" sind bis heute ihre Strickbilder: "Sie hat das Triviale zur Kunst, hat mit der weiblichsten und am meisten belächelten handwerklichen Technik international Schule gemacht. Heute werden die Strickbilder der deutschen Künstlerin Rosemarie Trockel auf dem Weltmarkt zu sechsstelligen Summen gehandelt", kommentierte 2006 die Zeitschrift Emma. Aber auch Pasta aus Garn wurde serviert – Kochen ist ja schließlich auch weiblich. Food-Stylistin Jessica Dance erweiterte diese kulinarischen Simulationen übrigens kürzlich auf Menü-Skala.

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"Comfort Food", Jessica Dance und David Sykes

Das wollene Spiel mit der Imagination zog 2009 in Hornbachs "Haus der Vorstellungen" auf der Torstraße ein. Die japanische Künstlerin Chiharu Shiota kreierte ganze Räume aus dem natürlichen Zwirn. Ihre Wollfäden durchzogen schwarz die Räume und krochen rot die Fassade nach oben. In bis zu 800 Kilo Wolle spinnt sie mit ihren Installationen Gegenstände ein. "Using 150 balls of black wool yarn, Shiota took three days to weave Infinity", schreibt das "Art in America"-Magazin. Das klingt philosophisch. "Infinity" ist aber ganz simpel der Titel einer ihrer vergangenen Ausstellungen.

"Infinity" beschreibt aber trotzdem auch die Unendlichkeit, die die Fäden annehmen, die niemals zu enden scheinen, die sich gegenseitig umschlingen. Wolle kreiert hier vor allem Negativräume durch das, was sie umgrenzt, aber offen lässt. Shiotas Installationen sind ein Spiel mit Leichtigkeit, dem Imaginären, der Körperlich- und ihrer Vergänglichkeit.

Und jetzt, im Jahr 2014 während der Wool Week, zeigen also Studenten der écal Installationen aus Merinowolle, die die Aggregatszustände der Faser erforschen (Seraina Lareida), mit ihrer Leichtigkeit (Dominic Schlögel) und ihrer möglichen Verarbeitung (Vincent Dechelette, Caroline Niebling und Charlotte Baverel) spielen. Die poetischen und humorvollen Installationen hatten übrigens auf der Art Basel 2014 ihre Premiere.

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Außerdem könnt ihr im Bikini Kleidung von URBANARA und Andreas Murkudis kaufen, am Montag mit Merinoschafen von der Terrasse der Mall aus Affen besichtigen und am Mittwoch und Donnerstag stricken lernen.

 

Wool Week im Bikini Berlin
Ausstellungseröffnung: 20. Oktober 2014
Ausstellung bis 25. Oktober 2014
Eventfläche des Bikini Berlin, Erdgeschoss vor dem Panoramafenster
Eintritt: kostenlos

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Dieser Artikel wurde von der Wool Week gesponsert.

Titelbild: © Wool Week
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