40 DAYS OF EATING #38 – Cordobar

© Mit Vergnügen

Heute gibt es Wein und Wein und ach, noch mehr Wein. In der Cordobar, die eigentlich eine Weinbar ist, aber einen Sternekoch in der Küche stehen hat.


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Maria, erzähl uns von deinem Tag.

Wie so häufig in den letzten Wochen schleppe ich mich halb verkatert ins Büro, setze meine Brille auf und organisiere, schreibe, beantworte, dementiere. Von den lieben Kolleginnen gibt es den täglich prüfenden Speck-Griff in die untere Rückenpartie - da setzt es nämlich angeblich als erstes an. HAHA, da haben sie die Rechnung ohne mich gemacht. Ein ausgetüfteltes heimliches Sportprogramm á la: "Oh nee, Schlüssel vergessen, zurück in den dritten Stock. Oh nee, jetzt das Handy vergessen, wieder zurück in den dritten Stock. Ja, den Müll kann ich ja auch noch runter bringen" - plus die maximale Auslastung unseres Büro-Mixers, welcher mir grüne Flüssignahrung in Massen verschafft, bewahrt mich vor größeren, körperlichen Ausmaßen und dank zweier Jobs und des damit verbundenen Zeitmangels bin ich in Topform - vielleicht ein klitzekleines bisschen müde. Dies alles ist jedoch nicht möglich ohne ein Mindestmaß an Zuarbeit gewisser involvierter Menschen. Also soll mir Sophia das Abendoutfit mit ins Büro bringen. Aus dem Bringen wird ein Bummeln und sie vergisst die lebensnotwendige Strumpfhose, was bei mir auf komplettes Unverständnis stößt.

Wo habt ihr heute gegessen?

Es gibt - OH FREUDE - Wein! Wir führen eine mittellange Wanderung durch Mitte durch, begleitet von einigen Motzanfällen meinerseits, weil ich ja die falsche Strumpfhose tragen muss. Die heutige Lokalität befindet sich in der Großen Hamburger Straße. Meiner Meinung nach total unpassender Name, sieht es doch hier aus wie in Paris - in der Cordobar.

Was hast du bestellt und wie hat das geschmeckt?

Wir werden von Willi begrüßt und er sagt irgendwas, das wir nicht verstehen. Ich bitte ihn, Rücksicht auf uns zu nehmen, immerhin sind wir Ossis und unser Berlinerisch hat sich absolut nicht mit seinem hart österreichischen Dialekt vertragen. Also schalte ich komplett ab und studiere die Weinbibel, die zwar in großen Lettern, für mich jedoch trotzdem ebenfalls komplett unverständlich ist. Hinter der Hälfte der Weine prangt ein dicker Stempel "selbst getrunken". Das ist mir direkt sympathisch. Leider verpasse ich bei meinen Studien die Bestellung und schmause nun lecker Brot - angenehm begleitet durch aufgeschlagene Butter und eine Rote-Beete-Reduktion - ohne Vorspeisen. Zur Hauptspeise gibt es wieder Tatar. Und weil wir heute alles ins Ostdeutsche übersetzen, heißt es bei uns Mett, was uns von Willi eine hochgezogene Augenbraue beschert. Es wurde sich essenstechnisch den lokalen Bedürfnissen angepasst und daher gibt es auch noch Berliner Leber mit Rotweinreduktion (Leberwurst mit Soße) und angemessene Weinbegleitung. Den Koch lernen wir auch kennen - und zwar aus zwei Gründen: 1. Er möchte damit angeben, dass er zum allerersten Mal Tofu gekocht hat und unsere Reaktion studieren. 2. War ich so bekloppt, nach Pfeffer und Salz zu fragen. Ganz schlimm. Macht das nie! Ist auch total unnötig. Nach dem besten Tatar (METT) dieser Serie bin ich bereits so satt, dass ein Nickerchen jetzt echt super wäre - jedoch wird jetzt noch ordentlich aufgetischt. Überleckere Blutwurstpizza im waschechten Pizzakarton und ein Lammnacken, der vom Knochen fällt, sobald man ihn nur anatmet (Wir atmen unser Essen an). Das Dessert wird mit einer Gruppe freundlicher Mädchen geteilt, die uns mal Hallo sagen wollten.

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Wie ist der Service dort?

Wie schon gesagt, wir verstehen nur die Hälfte, bekommen aber alles. Österreichischer Charme liegt in der Luft. Der unterscheidet sich nicht groß vom Berliner Charme. Man disst sich liebevoll, pöbelt ein wenig, tut unterkühlt und am Ende gibt es Umarmungen und anerkennende Schulterklopfer. Selten einen so lustigen und "charmanten" Service erlebt. Die Gespräche gehen über die bloße Bestellung hinaus und wir schnattern uns fest.

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Was gefällt dir an dem Laden besonders, was nicht?

Stilvoll eingerichtet mit wunderbaren Neonlettern, die uns schon beim Essen an den nächsten Morgen erinnern: "RESTALKOHOL IS A PAINFUL DRUG" - meiner Meinung nach komplett geschäftsschädigend. Mir gefällt hier besonders gut, dass sich eine exzellente Küche (Koch hat für verschiedene Sternerestaurants in Frankreich und Belgien gearbeitet) als "Weinlokal" getarnt in einem Pariser Café mitten in Berlin versteckt. Außerdem mag ich es, dass alle Speisen in die Mitte der Tafel gestellt werden. So essen alle von allem. Dieses Prinzip beobachten Sophia und ich immer öfter und wir finden es toll.

Wie würdest du die Menschen im Restaurant beschreiben?

Menschen, die gerne stilvoll genießen, ohne sich dabei komplett abschotten zu wollen. Schon aber eher Anzugträger, die einen guten Wein und sehr gutes Essen zu schätzen wissen.

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Mit wem würdest du definitiv nicht hierher kommen?

Mit der Truppe (T-SHIRTS "ABI 2013"), die uns gerade beim Hackeschen Markt fast über den Haufen gerannt hat.

Worüber habt ihr gesprochen?

Tatsächlich fast nur über den Laden. Willi hatte echt keinen Schimmer, wen er sich da in die Küche geholt hat. Er dachte sich so: "Joah, mache ich mal 'nen Laden für guten Wein auf". Dann holt der sich da so einen Koch rein... Jetzt ist es ein Spitzenrestaurant! Außerdem haben wir über Wein gesprochen - also Willi. Wir haben ihn ab und zu mit total haltlosen Zwischenrufen unterbrochen, die allesamt falsch waren. Es gab liebevolles Augenrollen seinerseits und geduldiges Anlernen der unwissenden Brut (uns).

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Was hast du Neues über Sophia gelernt?

Sophia mag ausschließlich Riesling. Egal, wie teuer der andere Tropfen sein mag, der uns da mit großen Gesten angeboten wird: Es muss Riesling sein.

Das Beste an diesem Essen...

Ganz ehrlich: Es war alles durchweg sehr, sehr gut. Ich würde mich bei einem zweiten Besuch nicht entscheiden können, was ich jetzt noch einmal bestellen sollte - oder besser gesagt, was nicht!

Möchtest du noch etwas sagen?

Ich muss leider früher gehen, weil ich noch auf ein Fest muss. Der Transport dahin wird von mir kurzerhand organisiert: 15 Minuten später steht ein Freund mit seinem Porsche vor dem Lokal. Alles richtig gemacht.


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Sophia, erzähl uns von deinem Tag.

Ich latsche mit dem nasenlosen Hund durch die Stadt und wir genießen das gute Wetter. Ist das jetzt schon der Frühling? Der Tag ist ansonsten eine Aneinanderreihung von Langweiligkeiten: Zimmer aufräumen, arbeiten, Dinge erledigen. Kann es noch unspannender sein? Wohl kaum! Um mich aus meiner Langweile zu retten, machen das Männchen und ich am Abend eine kleine Radtour nach Mitte und holen Maria von der Arbeit ab. Die ist gar nicht erfreut, schließlich sind wir zehn Minuten zu spät und dann habe ich Schussel auch noch die Hälfte des Abendoutfits für Maria vergessen. Die Stimmung ist kurz vor dem Kippen, da fällt mir der Trick mit der frischen Luft wieder ein und ich überrede sie, den Weg zum Restaurant zu laufen. Wie immer habe ich recht und so kommt es, dass ich mit einer grummeligen Maria das Büro verlasse und mit einer gut gelaunten Maria im Restaurant eintreffe. Das Leben kann so einfach sein.

Wo habt ihr heute gegessen?

In der Cordobar in Mitte.

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Was hast du bestellt und wie hat das geschmeckt?

Also EIGENTLICH ist das ja hier eine Weinbar und gar nicht auf Küche ausgelegt. Trotzdem: In der Cordobar haben wir so gut gegessen wie bisher nur sehr selten. Immer wieder werden uns heute Leckereien an den Tisch gebracht und Marie gibt bereits nach der ersten Runde auf. Aber ich beginne noch einmal ganz von vorn. In der Cordobar genießt man ausgezeichnete Weine und dazu werden tapasähnliche kleine Gerichte gereicht. Da wir nur begrenzt multitaskingfähig sind, kommen die Speisen in Intervallen zu uns, was Maria aber nicht so richtig schnallt und sich deswegen schon bei der ersten Runde den Bauch mit Tatar vollhaut. Richtig, Tatar. Again. Wie ungewöhnlich für unsere kleine Hackprinzessin. Den Anfang macht sehr gutes Brot (Fotografin Caro klaut die Reste) und aufgeschlagene Butter, welche mit einer Rote-Beete-Reduktion durchzogen ist. Sieht aus wie Zucker, schmeckt aber ganz anders. Essen wir hier gerade wirklich Butter pur? Außerdem bekommen wir noch Pimentos mit Käsesoße (hammergut!!!), geröstete Salatherzen mit Kohlrabi und Schwarzbrotcroutons, Rosenkohl mit Lakritzsoße, Granatäpfeln und Tofu (Koch hat angeblich das erste Mal mit Tofu gekocht, schmeckt aber trotzdem sehr gut) und einen gemischten Teller mit Dips und Pamps zum Lamm. Alle Speisen sind durchweg einfach nur ein Träumchen. Und selbstverständlich bekommen wir eine Weinbegleitung, schließlich befinden wir uns in einer Weinbar. Nach dem fünften Glas schreibe ich nicht mehr mit, aber hier eine kurze Zusammenfassung, falls es jemanden interessiert: Muskato aus Österreich, Riesling von der Mosel, Grüner Veltiner aus Wachau, Spätburgunder aus Würtemberg und und und. Die Weinberatung ist auf jeden Fall sehr gut und nur ein Wein fällt bei mir durch, den habe ich allerdings wieder vergessen, denn wer merkt sich bitte schlechte Weine?

Wie ist der Service dort?

Hipster-Falko aka Willi schmeißt den Laden hier. Wir haben ernsthafte Probleme ihn zu verstehen, denn der feine Herr kommt aus der Steiermark und macht da auch kein Geheimnis draus. Wir überlegen kurz, ob wir ins Englische welchseln sollen, aber leider verstehen wir auch da seinen Akzent nicht. Zum Glück haben wir ja den besten Dolmetscher der Welt: den Wein. Und da alle Besoffenen ja in eine Art Esperanto verfallen, sind auch unsere Kommunikationsprobleme vom Anfang bald kein Thema mehr. Mit Willi verstehen wir uns also prima, fehlt noch der Koch. Der kommt nämlich "wutschnaubend" an unseren Tisch gestürmt als wir Salz und Pfeffer verlangen. Das hat sich hier noch niemand getraut, also werden wir erst einmal so richtig gedisst und verarscht. Man könnte also sagen, es war Liebe auf den ersten Blick, was man daran erkennt, dass Herr Koch sich 'ne ganze Weile zu uns setzt und wir rege miteinander schnattern.

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Was gefällt dir an dem Laden besonders, was nicht?

Hier gibt es keine Weinkarte. Hier gibt es ein Weinbuch! Ich mag die Deko in dieser Bar sehr gerne, Weinregale treffen auf freche Sprüche in Leuchtröhrenschrift. Der Laden lädt wirklich zum Verweilen ein und so kommt es, dass ich bis drei Uhr nachts hier bliebe. Also das ist jetzt mein Ernst. Auch noch erwähnenswert: Hier wird den Gästen sogar der Aufenthalt auf dem Klo spannend gestaltet: Aus den Lautsprechern ertönt ein Fußballkommentator und berichtet von irgendeinem Spiel zwischen Deutschland und Österreich. Ich kenne mich nicht aus mit Fußball, aber am Dialekt und den bissigen Kommenataren bei Toren auf deutscher Seite wird schnell klar: Der is doch parteiisch! Wir befinden uns also ganz offensichtlich in einer österreichischen Lokalität.

Wie würdest du die Menschen im Restaurant beschreiben?

Heute passiert etwas, was mich total überrascht hat. Wir mümmeln gerade den Nachtisch auf, den ich oben mal einfach locker flockig vergessen habe (Ich wiederhole: Wir befinden uns in einem Weinlokal. Mit Weinbegleitung.), da spricht uns plötzlich eine kleine Horde zuckersüßer Mädchen an: "Wir lieben euren Blog!" Wir sind völlig verdattert und wissen gar nicht, was wir sagen sollen. Ach, das liest echt jemand? Da wir uns nicht anders zu helfen wissen, teilen wir mit den Damen unseren Kuchen. Etwas später melden sich die Leute vom Nachbartisch: "Welche Folge ist das denn jetzt?" Bitte was? Wow, das überrascht mich jetzt wirklich. Und dann waren die noch alle so unfassbar nett und interessiert und einfach nur zuckersüß. Danke an euch! Gegen 1 Uhr verbschiedet sich Fotografin Caro und auch ich muss mich auf den Weg machen. Aber da habe ich die Rechnung ohne die drei lustigen älteren Herren an der Bar gemacht. Und wieder muss ich betonen: Wir befinden uns in einer Weinbar. Die Herren ignorieren meine Einwände, dass es ja schon eeeheeeecht spät ist und so sitze ich noch bis 3 Uhr nachts in senioriger Runde und unterhalte mich angeregt. Also in der Cordobar gibt es echt super Leute!

Mit wem würdest du definitiv nicht hierher kommen?

Mit Menschen, die man schnell wieder loswerden will, denn hier versackt man ganz gerne mal.

Worüber habt ihr gesprochen?

Über richtig guten Wein, die Kunst der Weinherstellung und darüber, dass Maria und ich ganz offensichtlich keinen Schimmer davon haben. Also lassen wir uns alles ganz genau von Willi erklären und er lässt sich von uns die Welt des Food Bloggings erklären und gegenseitig staunen wir über die verrückte Welt des jeweils anderen.

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Was hast du Neues über Maria gelernt?

Maria hat langsam die Schnauze voll vom essen gehen. Außer es gibt Tatar.

Das Beste an diesem Essen...

Alles!

Möchtest du noch etwas sagen?

Hilfe! Wer trägt mich nach Hause?


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Gestern waren Maria und Sophia im NENI im 25hours Hotel. Alle Folgen 40 DAYS OF EATING gibt es hier.

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Location: Cordobar, Große Hamburger Straße 32, 10115 Berlin

Fotos: Caroline Weinkopf

Text: Maria und Sophia Giesecke

Titelfoto: Franziska Taffelt

Artwork: Frau Grau

Produktion: Mit Vergnügen

(Ja, "40 Days of Eating" ist eine Adaption von "40 Days of Dating".)

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