Eure Kinder machen euch zu Langweilern

© Rike Schäfer

Die Kolumne „Cool trotz Kind“ ist für alle Eltern da draußen. Und für die, die es werden wollen. Autor Clint erklärt, wie ihr auch mit Kind euer Gesicht wahren könnt. Vor euch und der Welt. In dieser Folge enthüllt er, was euch WIRKLICH als Eltern erwartet.

Kann man cool bleiben, auch wenn man ein Kind hat? Wer das ernsthaft fragt, dem möchte ich mal einen typischen Wochentag eines erwerbstätigen Elternteils beschreiben. Stellt euch nur mal so aus Jux vor, ihr werdet frühmorgens von einem sehr lauten Menschen aus dem Schlaf gerissen. Der Wecker wäre schon viel zu früh dran gewesen. Aber hier steht nun jemand, der euch NOCH eine Stunde früher aufscheucht.

Und damit nicht genug. Dieser Quälgeist ist voller Tatendrang. Mit dem er euch zu dieser gottlosen Zeit anstecken will. Zähneputzen, Waschen, Anziehen, Frühstücken – als ob das nicht an sich schon unlösbare Aufgaben wären. Und jetzt sollt ihr das auch noch bei jemand anderem vollbringen. Der es sich zur heiligen Pflicht gemacht hat, euch nach Strich und Faden zu sabotieren. Denn nachdem er nun sämtliche Pferde scheu gemacht hat, zieht er es vor, doch wieder ein gemächliches Tempo einzuschlagen.

Wenn man vom eigenen Kind sabotiert wird

Ihr schafft es immer GERADE so, das Kind rechtzeitig in die Kita zu bringen. Zu dem Zeitpunkt seid ihr schon vier Stunden wach und mit den Nerven am Ende. Derart zerrüttet quält ihr euch nun durch die öffentlichen Verkehrsmittel oder kilometerlange Staus. Um euch dann an irgendeiner Bohrmaschine krumm zu buckeln.

Denn ihr müsst Geld verdienen. Um das verfressene Kind zu ernähren. Wenn es euch richtig schlimm getroffen hat, habt ihr sogar einen Job, bei dem ihr euer HIRN anstrengen müsst. Da bleibt nicht viel übrig von eurer Persönlichkeit. Und Vorsicht: Nach Feierabend dürft ihr deshalb trotzdem noch nicht ins Bett. Nein, jetzt müsst ihr das Kind wieder abholen und euch mit ihm BESCHÄFTIGEN. Und der Haushalt erledigt sich auch nicht von allein.

Ihr müsst kochen und Staub saugen und Wäsche waschen. Und am Abend wieder endlos diskutieren und womöglich hirnrissige Kinderbücher vorlesen, damit euer Nachwuchs eventuell irgendwann einschläft. Das dankt er euch, indem er noch ein paar Sonderaufgaben einstreut und zum Beispiel einfach mal KRANK wird. Lungenentzündung oder Maul-und-Klauen-Seuche. Irgendein schöner Kita-Keim, mit dem er zuallererst euch ansteckt.

Mit Kind bleibt nicht viel übrig von eurer Persönlichkeit

Na, zum Deibel, da frag ich euch: Wie soll man unter solchen Umständen denn bitte cool bleiben? Oder jung, unternehmungslustig, originell? Nüscht is. Ihr werdet zu den langweiligsten Langweilern, die sich auf dem Erdenrund jemals gegenseitig die Klinke in die Hand gedrückt haben, ich sag’s euch!

Ihr glaubt doch wohl nicht ernsthaft, dass euer Kind euch auch nur eine Sekunde an Freizeit zugesteht? Da habt ihr euch aber geschnitten. Natürlich gibt es Illusionen von Freiheit. Wenn ihr zum Beispiel was mit anderen Eltern unternehmen dürft. Mit den Kindern in den Park gehen oder ins Schwimmbad. Das fühlt sich im ersten Moment vielleicht wild an. Aber glaubt mir, das ist die schlimmste Falle.

Denn es ist ja nicht so, dass die anderen Eltern euch aus diesem Schlamassel raus helfen. Im Gegenteil, die reiten euch noch tiefer hinein. Statt mal was Unverfängliches zu erzählen, einen Schwank aus ihrer Jugend oder ihrem Arbeitsleben, geht es WIEDER nur um die Kinder. Schön gelackmeiert steht ihr dann da. Und begreift langsam, dass sich das nicht mehr ändern wird. Und wenn, dann erst in zwanzig Jahren, wenn die Brut aus dem Haus ist.

Ihr glaubt doch wohl nicht ernsthaft, dass euer Kind euch auch nur eine Sekunde an Freizeit zugesteht?

Klar könnte ich auch von der anderen Seite berichten. Dass so ein Kind unglaublich BEREICHERND ist. Stimmt ja sogar. Letzte Woche war ich mit meiner Tochter im Bürgeramt. Der Anlass war eher unerfreulich und da saß auch wirklich ein niederträchtiges Exemplar Mensch auf der anderen Seite des Schreibtisches. Dieser Sachbearbeiter fand es lustig, meiner Tochter neckische Fragen zu stellen. Eine absurde Situation.

„Was ist denn in deinem Kopf drin?“, wollte er irgendwann wissen.

„Marmelade“, sagt meine Tochter.

„Und im Kopf von deinem Papa?“

„Schokolade.“

„Und was ist in meinem Kopf.“

„Ein Frosch.“

Das fand ich erhellend. Da hat der Kerl zwar gelacht, aber danach auch die Schnauze gehalten. Und ich war stolz auf meine Tochter. Es stimmt schon, durch so ein Kind kriegt man einen ganz neuen Blick auf die Welt. Das Problem ist, dass man irgendwann NUR noch diesen Blick hat. Ich meine, es ist eh schon schwierig genug, ein interessanter Mensch zu bleiben.

Worauf ich eigentlich hinaus will? Darauf, dass man keine Kinder kriegen soll? Mitnichten! Kriegt ruhig Kinder. Ich wollte euch nur vorwarnen. Man trägt ja eine gewisse Verantwortung. So wie jeder einzelne die Verantwortung trägt, dieses Universum mit seiner Existenz zu bereichern. Es wenigstens zu versuchen. Und nicht als pragmatischer, dumpfbackiger Langweiler zu enden.

Mit Kind ist das schwierig. Weil ihr euch damit noch mehr Fremdbestimmung ins Leben holt. Aber wenn ihr es schafft, dann dürft ihr wahrhaftig stolz auf euch sein. Dann seid ihr echte Lebenskünstler. Ich drück euch die Daumen.
Und jetzt entschuldigt mich, meine Tochter ruft.

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