Arbeitszeit und Biorhythmus: In unserer Jobwelt muss sich etwas ändern

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von Philipp Kienzl

Um Geld zu verdienen, sitze ich in Büros vor Bildschirmen. Das war schon immer so, mein Studium war darauf ausgerichtet, als Teilzeit- und Vollzeitangestellter habe ich nichts anderes gemacht. Ich tippe und klicke den ganzen Tag mit dem Anspruch, gute Arbeit zu leisten. Das Problem: Beinahe alle Firmen haben mir das erschwert.

Die moderne Arbeitswelt verspricht mithilfe eines lockeren Arbeitsumfeldes mehr Flexibilität und Agilität. Ein Open-Space-Großraumbüro und keine feste Sitzplatzordnung mehr. Genau diese Arbeitsbedingungen sind es aber, die es mir nicht erlauben, 100 Prozent geben zu können. Das will ich genauso wenig, wie es jeder Arbeitgeber von mir wollen sollte.

Ohne Schlaf kein Output

Es gibt Frühaufsteher*innen, sogenannte Lerchen, und es gibt Spätaufsteher*innen, die Eulen – das ist längst wissenschaftlich bestätigt. Bei sämtlichen meiner bisherigen Jobs wurde von mir erwartet, zu einer frühen Uhrzeit im Büro zu sein, meistens zwischen acht und neun Uhr morgens. Leider bin ich aber sowas von eine Eule. So früh anwesend zu sein, ist qualvoll für mich und ein halbwacher Mitarbeiter bringt keinem Unternehmen etwas.

Als Spätrhythmiker beginne ich nämlich frühestens um etwa elf Uhr zu funktionieren, vorher läuft mein Kopf nicht mit voller Kapazität. Vorher arbeite ich langsamer, unkonzentrierter und mache vermehrt Fehler. Jedes Unternehmen, dessen frühen Arbeitszeiten ich unterliege, verliert dadurch einen potenziell höheren Output.

Eulen und Lerchen: zwei unterschiedliche Chronotypen mit unterschiedlichen Leistungsvermögen zu unterschiedlichen Tageszeiten. Wenn wir von der nachvollziehbaren Maxime ausgehen, ein Unternehmen, von Ausnahmen wie NGOs abgesehen, möchte seinen Gewinn maximieren, dann sollte es doch alles daran setzen wollen, die Arbeitsbedingungen seiner Mitarbeiter*innen zu optimieren. Eine Eule ist nicht faul, nur weil sie später zu funktionieren beginnt.

Eine Eule ist nicht faul, nur weil sie später zu funktionieren beginnt.

Mein Arbeitskreislauf sieht manchmal so aus:

  1. Am Montag wache ich mit Hassgefühlen gegen meinen Wecker auf. Fahre übermüdet und schlecht gelaunt zur Arbeit.
  2. Den Kampf gegen die Müdigkeit setze ich im Büro fort. Versuche mich krampfhaft und daher erfolglos zu konzentrieren. Die Arbeit bleibt größtenteils auf der Strecke. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr Zeitdruck und Stress sitzen mir im Nacken.
  3. Am Nachmittag pushe ich meine Produktivität mit einer zu großen Menge Kaffee. Wäre ich ausgeschlafen, würde jetzt meine produktivste Phase beginnen.
  4. Es ist Feierabend, bevor ich meine Aufgaben richtig zu Ende bringen kann. Stattdessen fahre ich unzufrieden und gestresst nach Hause. Oder mache Überstunden.
  5. Mit einer Überdosis an Koffein im Blut liege ich hellwach im Bett und führe nun den Kampf gegen das Wachsein. Bangend zähle ich die wenigen Stunden bis zum nächsten Weckerklingeln. In der Nacht wache ich mehrmals auf.
  6. Am Ende der Woche bin ich stark übermüdet, mit meiner Leistung unzufrieden und besorgt. Auch das Wochenende nutze ich nicht, um auszuschlafen. Schließlich ist Wochenende. Zurück zu Punkt Eins.

Großraumbüros, nein danke

Nicht nur mit unpassenden Arbeitszeiten, auch mit unvorteilhaften Raumkonzepten habe ich schlechte Erfahrungen gemacht. Großraumbüros erleichtern die Interaktion und Kommunikation, heißt es in vielen Unternehmen. Sie sollen uns uns produktiver und kreativer machen. Minimaler Einsatz von Trennwänden und Türen sei das vermeintliche Erfolgsmodell für ein besseres Miteinander schlechthin. Hippe Start-ups schwören darauf, auch Korporationsriesen wie Google und Facebook lobpreisen es.

Wer bereits in so einem Umfeld gearbeitet hat, weiß, dass die Idee eine Kehrseite hat. Wenn es um Produktivität geht, ist gerade das Großraumbüro das schlimmste Arbeitsumfeld, das ich mir vorstellen kann. Ein Open Office ist ein Unterbrechungstyrann, ein Privatsphärenkiller und ein Produktivitätverweigerer. Ja, ein Open Office erhöht die Kommunikation – wenn Tratschen, Lachen und Lästern dazuzählen. Zur jobbezogenen Interaktion trägt es nicht viel bei. Im Gegenteil: es frustriert. Ich höre, wenn ein Kollege zwei Räume weiter von einem Apfel abbeißt und ich höre das Schlurfen der Kollegin, die ihre Beine nicht richtig heben kann. Alles. Lenkt. Ab. Ich helfe mir darüber hinweg, indem ich mir mit Kopfhörern basslastige Musik in die Ohren jage, die mich ein bisschen weniger ablenkt. Eine Notlösung.

Ich höre, wenn ein Kollege zwei Räume weiter von einem Apfel abbeißt und ich höre das Schlurfen der Kollegin, die ihre Beine nicht richtig heben kann. Alles. Lenkt. Ab. Ich helfe mir darüber hinweg, indem ich mir mit Kopfhörern basslastige Musik in die Ohren jage, die mich ein bisschen weniger ablenkt. Eine Notlösung.

Viele Studien lassen am Großraumbüro-Hype zweifeln und zeigen deren Probleme auf. Um eine zu nennen: 2013 fanden australische Wissenschaftler*innen heraus, dass Angestellte in Großraumbüros aufgrund der hohen Ablenkung frustrierter waren und schlechter arbeiteten. Fast die Hälfte empfand das Fehlen eines Geräuschschutzes aka Trennwände als signifikantes Problem, mehr als 30 Prozent der Befragten wünschten sich auch einen Sichtschutz aka Trennwände. Die Interaktion mit Kolleg*innen hingegen – genau die Problemlösungskompetenz, die man Open Offices nachsagt – wird in keinem der unterschiedlichen Bürotypen leichter.

Not-so-Fun-Fact: Neben der mentalen kann sogar die physische Gesundheit unter dem Konzept des Gemeinschaftsbüros leiden. Je mehr Leute sich ein einzelnes Büro teilen, desto höher ist die Zahl der Krankmeldungen. Ein Bazillus muss bei Leuten, die sich die Atemluft teilen müssen, eben nicht so weit reisen.

Jagd nach dem Platz

Oft kommt es in Unternehmen vor, dass zum Großraumbüro noch die Freiheit der eigenen Sitzplatzwahl kommt. Ganz ehrlich: Diese Freiheit will ich nicht. Eine freie Sitzordnung bedeutete bei meinen bisherigen Arbeitgeber*innen meist, dass es weniger Tische als Mitarbeiter*innen gibt. Manchmal nur ein, zwei weniger, manchmal sogar nur halb so viele. Überraschenderweise klappte es dank Krankheit, Urlaub oder Auswärtsterminen trotzdem immer irgendwie. Das Leidigste aber ist die allmorgendliche Jagd nach einem freien Platz, die nicht selten auf der Couch in der Ecke oder am Schreibtisch der Kolleg*innen endet. Jeder Arbeitgeber gibt mir damit das Gefühl, nicht wertgeschätzt zu sein.

Dazu gehört, dass der Tisch zu Feierabend frei- und saubergeräumt werden muss, schließlich sollen es die Nachbesetzer*innen auch schön haben. Das ist zwar verständlich, aber nimmt wie immer Arbeitszeit. Wohin mit dem Zeug? Keine Ahnung. Das Ergebnis ist, dass ich meine Besitztümer im gesamten Großraumbüro verteile und oft auch nicht mehr wiederfinde. Wenn die Privatsphäre bis dahin noch nicht flöten gegangen ist, ist sie es jetzt.

Dabei haben natürlich nicht alle Unternehmen eine Wahl. Kleine Firmen, die schnell wachsen, müssen sich oftmals vorübergehend mit unzureichenden Räumlichkeiten auseinandersetzen.

Leistung statt Stunden

Diese ganzen Probleme ließen sich mit einer alternativen Personalführungsstrategie vermeiden. Zum Beispiel mit dem Result-Only Work Environment (ROWE), bei dem die Mitarbeiter*innen nicht mehr für die Zeit, die sie im Büro verbringen, bezahlt werden, sondern nur für ein bestimmtes Arbeitsergebnis. Das würde bedeuten, dass jeder seine Arbeitsleistung, die er normalerweise in ein striktes fünf mal acht Stunden-Format quetschen muss, egal wie und egal wo und egal wann erbringen könnte – solange das Arbeitsergebnis stimmt. Jeder könnte seine Arbeitsweise den eigenen Produktivitätsspitzen anpassen.

Ein Vorteil dieser Strategie ist, dass es keine Trittbrettfahrer*innen mehr erlaubt. Diejenigen, die sich bisher mithilfe von Facebook und YouTube durch ihren Acht-Stunden-Arbeitstag geschummelt haben, fallen bei ROWE durch das System. Denn alles, was am Ende zählt, ist die erbrachte Leistung – und die könnte man auch um drei Uhr morgens erbringen. Was spricht dagegen? Dass alle Arbeitgeber ihre Mitarbeiter*innen nicht mehr beobachten und kontrollieren können? Das müssten sie gar nicht. Wer Leistung statt Stunden belohnt, sortiert automatisch aus. Übrig bleiben engagierte und talentierte Menschen, ein Best-Case-Szenario für jedes Unternehmen, oder?

Dieser Artikel erschien zuerst auf ze.tt.

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