Warum bin ich eigentlich noch nicht berühmt?

© Hella Wittenberg

In ihrer Kolumne "Fragen an das seltsame Leben" stellt Autorin Ilona Fragen zu den großen, aber vor allem zu den kleinen, unscheinbaren Rätseln des Alltags. Dieses Mal: Wo bleibt der große Ruhm?

Bescheidenheit war noch nie meine Stärke. Mein Berufswunsch als Kind war daher sehr schnell sehr klar: ich wollte reich und berühmt werden. Sehr viel Geld, Juwelen und mehrlagige Abendroben aus Chiffon, das klang gut. Womit ich berühmt und reich werden würde, war mir dabei im Grunde egal. Unbescheiden wie ich war, vertrat ich mein Bestreben mit großer Selbstverständlichkeit, und ich hatte mir auch schon einen Komplizen ausgesucht: Thomas Gottschalk. Zwischen 1995 und 2003 war “Wetten, dass..?” jeden zweiten Samstag der einzige Zeitpunkt, an dem meine Familie als solche stattfand. Wir versammelten uns alle bei Multivitamin-Saftschorle im Schlafanzug vor dem Fernseher im großelterlichen Wohnzimmer und ich durfte so lange aufbleiben, bis die Sendung zu Ende war.

Der blonde Onkel musste also etwas Besonderes sein. Ich beschloss daher recht früh, dass ich, egal in welcher Funktion, unbedingt einmal auf seiner Couch sitzen und über mich reden müsse, während meine Familie und ein paar Millionen andere mir dabei gebannt zuhörten – eine Anekdote, über die sich auch Therapeuten übrigens immer wieder sehr freuen. Dass da immer große Schalen mit Haribo auf dem Tisch in der Mitte standen, machte die Aussicht nur noch attraktiver. Wie würde man also in diese Sendung eingeladen und auf diese Couch gebeten, ohne sich dafür eine dieser albernen Wetten ausdenken zu müssen? Man musste reich und berühmt sein, so viel verstand ich. Zwar wusste ich noch nicht wie, aber das weiß man in diesem Alter ohnehin bei den wenigsten Dingen.

Die Jahre vergingen, “Wetten, dass..?” verlor in meinem Universum zunehmend gegen Germany’s Next Topmodel und ich wurde zwar nicht sofort reich und berühmt, aber immerhin Klassensprecherin und gewann einen Vorlesewettbewerb. Auszeichnungen, so fand ich, waren ein guter Anfang für mein künftiges Dasein als schillernde Persönlichkeit und würden sich später auch gut in einem Feuilleton-Artikel über mich machen. Zügig zog ich aus und lebte fortan im Internet, wenngleich ich lieber direkt eine Ausbildung zur A-Prominenten begonnen hätte. Ein Aushilfsjob im gehobenen Einzelhandel hielt mich über Wasser. Ich fühlte mich nach drei Jahren zwischen Vorlesungssaal und Verkaufsfläche schlecht auf meinen künftigen Weltruhm vorbereitet, aber ich wusste, dass ich keine andere Wahl hatte. Immerhin hat einmal Jo Gerner ein Hemd bei mir gekauft.

Bewerbung als Berühmtheit (Vollzeit)

Seit über einem Jahr bin ich nun schon in Berlin und immer noch nicht berühmt. Das ist schlicht und ergreifend erschütternd. In dieser Stadt geht doch sonst alles so irre schnell. Warum wurde ich hier noch nicht entdeckt als, naja, ich? Immerhin besitze ich alle notwendigen Eigenschaften, die man als vorbildliche Berühmtheit braucht. Im Grunde könnte ich auf der Stelle eine Bewerbung für eine Vollzeitstelle am Starlet-Himmel abschicken, durch die recht hohe Fluktuation wird da ja regelmäßig ein Platz frei. Für den Anfang würde mir sogar eine Schwangerschaftsvertretung für Enie van de Meiklokjes reichen. Hier eine Liste meiner Qualifikationen:

Ich bin egozentrisch, prätentiös und verfüge über einen angemessen hohes Aufmerksamkeitsbedürfnis.
Ich kann nicht mit Geld umgehen, deswegen brauche ich sicherheitshalber viel davon. Sehr viel.

Ich finde Champagner nicht übertrieben lecker, wäre aber gewillt, mich im Dienste der Sache daran zu gewöhnen und mir einen gewissen berufsfördernden Alkoholismus zuzulegen.

Ich bin psychisch so stabil wie eine Dreijährige ohne Mittagsschlaf und im Allgemeinen entweder sehr gut oder sehr schlecht gelaunt, dabei aber verlässlich unterhaltsam.

Ich weiß, wie ein perfekt künstliches Hollywood-Lächeln geht (man muss die Zunge an den Gaumen pressen, sonst schreiben die Klatschblätter was von Doppelkinn) und habe mehrere vorteilhafte Posen für’s Blitzlichtgewitter bereits vor dem Spiegel geübt. Es sieht immer noch ein wenig unbeholfen aus, aber soweit ich weiß, gibt es dafür professionelle Hilfe.

Ich habe zudem einen Hang zur Exzentrik und kann glaubwürdig divenhaft auftreten, wie zum Beispiel letzten Sommer, als ich mit den Worten “Ich kann hier nicht essen, es riecht zu sehr nach VOLLMILCH” öffentlichkeitswirksam ein Café verließ.

Ich fahre diskret und würdevoll Taxi, wenngleich mir auf der Rückbank immer ein wenig übel wird, aber man muss gewisse Opfer bringen.

Ich bin eitel genug, um mich ab einem gewissen Alter schönheitschirurgisch verunstalten zu lassen, um wieder ins Zentrum medialer Aufmerksamkeit zu rücken. Wobei ich zugeben muss, dass ich mich nicht allzu gerne fotografieren lasse, schon gar nicht mit Blitz oder heimlich aus Gebüsch heraus an schlechten Tagen, wenn ich aussehe wie der junge Putin.

 

Dirk von Lowtzow hat neulich meine Freundschaftsanfrage auf Facebook abgelehnt, aber er kann es noch nicht besser wissen.

Überhaupt bräuchte ich in Sachen Privatsphäre ein wenig Rückendeckung von, sagen wir, vier bis acht Bodyguards, ein kleines Team von Anwälten für den Fall, dass private Bilder an die Öffentlichkeit gelangen sollten und eine Entourage aus vertrauten Personen, die mich regelmäßig in den Arm nehmen und für mich Hater-Kommentare auf Instagram löschen. Ab einem gewissen Grad der Bekanntheit fände ich auch eine Doppelgängerin wünschenswert, die sensationshungrige Reporter ablenkt, während ich mal wieder in Ruhe im Bioladen einkaufe, oder mit meiner Mutter oder meinem alten Freund Karl Lagerfeld telefoniere. Der könnte mich dann auch gleich stilistisch beraten und wir würden uns so oft wie möglich in Paris auf eine Cola Light verabreden. Auch das macht ja einen guten Promi aus: sagenumwobene Freundschaften zu anderen Lichtgestalten der Pop- und Hochkultur. Dirk von Lowtzow hat neulich meine Freundschaftsanfrage auf Facebook abgelehnt, aber er kann es noch nicht besser wissen.

Am Ende wäre ich auch bereit, reich und einsam zu sterben, vorausgesetzt, man benennt nach meinem Ableben keine Grundschulen oder Straßen in hässlichen Neubausiedlungen nach mir. Auf meinem Grabstein würde das Rezept für meine beliebten Erdnuss-Brownies stehen, denn ich möchte als große Wohltäterin erinnert werden.

Angebote direkt ans Management

Auch wenn ich nicht nachvollziehen kann, warum der güldene Staffelstab der A-Prominenz bisher an mir vorbeigegangen ist, halte ich guter Hoffnung weiter die Stellung in der fünften Reihe. Immerhin wurde ich schon mehrfach auf der Straße angesprochen. Natürlich erntete ich dann große Augen, wenn ich mein Autogramm schwungvoll auf Stadtpläne und Smartphones zeichnete, aber es ist einfach wichtig, nahbar und bodenständig zu bleiben.

Wer also von einer freien Stelle hört oder gerade auf der Suche ist nach einem unterqualifizierten, überambitionierten Jungtalent ohne Berufserfahrung, aber dafür umso mehr Ehrgeiz, den erfolgsgepflasterten Weg des Ruhmes in Designerschuhen hinabzuschweben: Angebote direkt an mein Management beziehungsweise mich. Bitte nur ernstgemeinte Zuschriften.

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