Unsere 11 Kunsttipps für den Dezember 2017
Hand aufs Herz: Wie viele Ausstellungen habt ihr euch 2017 wirklich angeschaut? Jetzt ist noch mal Zeit das Kunstkarma aufzuladen. Meine letzten Tipps für euch in diesem Jahr.
1 Guy Bourdin. Image Maker | Helmut Newton. A Gun for Hire | Angelo Marino. Another Story im Museum für Fotografie
Helmut Newton und Guy Bourdin galten als Starfotografen der Vogue Paris und revolutionierten die Modefotografie des späten 20. Jahrhunderts. Guy Bourdin, ausgebildeter Maler und Autodidakt an der Kamera, irritierte vor allem mit surrealistischen und teils verstörenden Kompositionen: Derartige ungewöhnliche Körperhaltungen und vermeintliche Gewaltdarstellungen waren bis dahin ungesehen in der Modefotografie. Ergänzt werden die zwei Legenden durch Angelo Marino, einstiger Assistent von Helmut Newton: ein stiller Beobachter, der nicht die Mode, sondern das Alltägliche in den Mittelpunkt stellt und hier eine Art fotografisches Tagebuch ausstellt.
2 Wu Chi-Tsung im Künstlerhaus Bethanien
Wu Chi-Tsung schafft wunderschöne poetische Bilder. Das könnte man so stehen lassen – dann aber auch nicht, weil doch sehr viel mehr hinter den Arbeiten steht. Chi-Tsung stellt Fragen zu Realität und Illusion in unseren digitalen Leben. Er vermischt neue und alte Techniken, chemische Substanzen und traditionelle Materialien wie chinesisches Reispapier. Im Zusammenspiel mit natürlichen Einflüssen wie Sonnenlicht entstehen Bilder die an traditionelle Malereien erinnern, aber eben mit zeitgenössischen Mitteln entstanden sind.
3 Time (capsule)& Space (ship) im Ex-WMF
Graffiti-Künstler sind es gewohnt, unter Zeitdruck zu arbeiten – und idealerweise ungesehen. Nachdem die Street Art aber zuletzt einen Move von der Straße ins Museum gemacht hat, wird sie nun auch auf die Bühne geholt: heute Abend teilen sich der Graffiti-Künstler SuperBlast und Jay „One“Ramier die Bühne mit Musikern, die den Takt für die Malerei vorgeben. Samon Kawamura ist Instrumental-Hip-Hop-Produzent und mit Max Herre Teil des Produzenten Teams KAHEDI, Almut Lustig Schlagzeugerin und Percussionistin, die mit Komponisten wie Karl-Heinz Stockhausen gearbeitet hat und mit renommierten Choreographen und Tanztheatern der Stadt kollaboriert.
4 Nordwind Festival
Seit sieben Jahren zieht der Nordwind regelmäßig durch Berlin: Das gleichnamige Festival agierte zunächst als nordisches Showcase der Kunst, bezog dann auch die russische Szene ein und umarmt nun sogar den afrikanischen Kontinent. Auf den ersten Blick eine ungewöhnliche Paarung. Aber Ricarda Ciontos, Gründerin und künstlerische Leiterin von Nordwind, fand einige Parallelen, unter anderem in der Auseinandersetzung der Völker mit ihrer postkolonialen Vergangenheit. Das Thema „Songs of a melting iceberg – Displaced without moving“ beschreibt den Moment der Transformation, wo sich das Alte verflüchtigt und etwas Neues die Möglichkeit hat, zu entstehen. Neben Performances umfasst das Festival auch zwei Ausstellungen. Die finnische Künstlerin Dafna Maimon zeigt in der Galerie Wedding Arbeiten zum Thema "Displacement" (bis 13.1.). Das dänische Künstlerkollektiv The Other Eye of the Tiger hat im Bethanien ihr umstrittenes "Märtyrermuseum" errichtet.
5 Peter Piller bei Barbara Wien
Peter Pillers ursprünglicher Berufswunsch: Beamter. Das Kategorisieren und Ordnen bereite ihm größte Befriedigung – „wenn man etwas wegsortiert hat, ist es wegsortiert“, erklärt er. Ihm ekelt vor dem Gewollten in der Kunst, weswegen er auch nicht wirklich selbst produziert. Lieber sammelt er Bilder aus Zeitungen und Archiven, wie beispielsweise Luftbildaufnahme ländlicher Wohngegenden, die derzeit auch im Boros Bunker ausgestellten werden. Bei Piller ist nichts bewusst inszeniert, und darum zeigt er bei Barbara Wien auch eigene Fotografien von Vögeln, die ihrem eigenen Willen folgen und nicht tun, was ein Naturfotograf im Sinn gehabt hätte. Aber genau das ist ein echter Peter Piller.
6 John Beech bei Daniel Marzona
John Beech steht der Kunst ebenfalls skeptisch gegenüber, auf jeden Fall der High Art. Er beweist, dass auch im scheinbar banalen, missachteten Schönheit liegt: im Mülleimer, im Container, in Werkzeugen. Und dann wird bearbeitet. Farbübertragung, Übermalung, Drucke die die Spuren des Entstehungsprozesses nicht kaschieren und damit Wertschätzung bekommen.
7 Joel Meyerowitz . Why Color? im C/O Berlin
Photoshop hat uns längst in eine illusorische Welt manövriert. Und dank Instagram-Filter kann inzwischen jeder in sekundenschnelle die Realität schön zeichnen. Da stelle man sich Zeiten vor, als eine Bildentwicklung Stunden dauerte und das Resultat anschließend schwarz-weiß vor einem lag. Joel Meyerowitz wuchs auf, als in den 60ern die Welt farbig wurde. Er, ein Wegbereiter der New Color Photography, experimentiert gezielt mit Farbe, reduziert sich aber auch bewusst auf simples schwarz-weiß. Er fing Alltagsmomente in New York ein, porträtierte seine Europareise und fertigte in den 70ern Lichtstudien am Cape Cod der amerikanischen Ostküste an, die ihn wohl endgültig zu einer lebenden Legende machten.
8 Jorinde Voigt in der König Galerie
Im Dezember ehrt die König Galerie Jorinde Voigt, die ich wirklich nicht zum ersten Mal empfehle. Voigt schafft es, komplexe wissenschaftliche Inhalte in eine filigrane Form zu bringen, die die Schwere des Inhalts komplett auflöst: Mal verwebt sie Partituren für Orchester, mal Goethes Faust in ihren Illustrationen. Ihre Bilder sind Netzwerke in Bewegung und zugleich von einnehmender Stille.
9 Indigenous Australia Masterworks im me Collectors Room Geschlossen
Die National Gallery of Australia ist im Besitz der weltweit größte Sammlung traditioneller und moderner Kunst indigener Australier zwischen dem frühen 19. Jahrhundert und der Gegenwart. 100 Werke daraus haben jetzt die weite Reise nach Berlin, in den me Collectors Room, angetreten. Erst Mitte des 20.Jahrhunderts wurde australische Kunst überhaupt als Kunst anerkannt; davor galten Objekte, Zeichnungen und Malereien als Artefakte. Diese Ausstellung zeigt eine heutige Stilvielfalt, die es dem europäischen Betrachter unmöglich macht, erwartete Folklore-Klischees bestätigt zu sehen.
10 Oliver Laric im Schinkel Pavillon
Alles was Oliver Laric für die Arbeit braucht, gibt es bereits. Im gleichnamigen Video beobachtet er „Versionen“ der Architektur, im Film, in der Welt. Die Spannung zwischen Original und Kopie sind eine Art rote Linie in allem was Laric tut; auch von seinem Lebenslauf existieren multiple Versionen: er sei in Leipzig und Innsbruck, sei weiß und schwarz. Der Mann, der sich nicht festlegt, verehrt Interpretationen von Werken oft mehr als das wirkliche Werk – seine Favoriten habe er teilweise noch nie gesehen, sie wurden ihm nur beschrieben. Mit „Panoramafreiheit“, seiner ersten institutionellen Soloausstellung, verweist er mit drei neuen Skulpturen, Geschöpfe und Charaktere der Mythologie, Folklore und Fantasie, auf das Recht des Copyrights und der Schwierigkeit der Autorenfrage.
11 Meisterschülerpreis der UdK im Haus am Lützowplatz
Drei MeisterschülerInnen der UdK haben eine Jury besonders überzeugt und erhalten zur Auszeichnung den Meisterschülerpreis ihres Uni-Präsidenten und die Teilnahme an einer exklusiven Ausstellung. Lisa Peters würdigt mit ihrer Arbeit die Superkräfte der Frau. Rafael Ibarra lässt Shakespeare mit seinen Kindheitserinnerungen korrelieren. Und Gary Schlingheider protzt wieder mal mit Minimalismus und Zurückhaltung.