Daten wir immer wieder dieselben Partner? – Wenn sich der neue Freund wie ein Déjà-vu anfühlt

© Hella Wittenberg

In seiner Kolumne “Romeo und Julius” erzählt Autor Julius Geschichten von seiner Suche nach der Liebe in Berlin. Von schrägen Dates, gebrochenen und geheilten Herzen und der schimmernden Hoffnung, dass es den einen Romeo da draußen geben muss. Das ist Episode 7.

„Warum lachst du denn schon wieder?“, fragt er, während er die Decke, die er gerade frisch bezogen hat, zurück auf sein Bett schmeißt. Überspielend schüttle ich den Kopf, umgreife mit meinen Armen von hinten seinen Bauch und drücke ihn, so fest ich kann, an meinen Körper. „Jetzt esse ich die kleinsten Ohren der Welt“, flüstere ich in sein rechtes Ohr und beiße in sein Ohrläppchen. „Du spinnst“, sagt er und lacht.

Das Lego-Muster und der Auflauf

„Dieses Muster der Bettwäsche!“, quieke ich am nächsten Morgen Linda übers Handy in ihre Ohrmuschel, als sie mich nach meinem Abend mit den Husky-Augen befragt. „Dieses Blockmuster von IKEA, das wie ein Lego-Baukasten-Set aussieht. Das hatten alle meine Exfreunde bisher.“ Linda lacht. „Das ist doch verrückt!“, rufe ich. „Schenken denn alle deutschen Mütter ihren Söhnen zum Einzug in die erste eigene Wohnung genau diese Bettwäsche? Und viel wichtiger: Soll sie dieses Muster dann auf eine verquere Art und Weise an ihr altes Kinderzimmer und die schönen Tage erinnern, an denen sie noch Full House waren?“ Linda lacht weiter. „Das ist doch gar nicht schlimm“, pustet sie Luft in den Hörer. „So Kleinigkeiten wiederholen sich eben. Was bei dir die Bettwäsche ist, ist bei mir der Auflauf.“

„Der Auflauf?“, wiederhole ich fragend. „Naja“, holt sie aus. „Jeder Typ, den ich bisher gedatet habe, hat mir am Anfang seinen sogenannten Spezial-Auflauf gemacht und ihn als das Gericht präsentiert, auf das er ganz besonders stolz ist. So ein Damit-bekomm-ich-dich-rum-Auflauf. Das Problem bei der Sache ist nur, dass keiner dieser Aufläufe irgendwie special war, es war ein und derselbe Auflauf. Da gab’s Kartoffeln, verschiedenes Gemüse, zu viel Sahne und ein bisschen Rosmarin fürs Auge. Genau diesen Auflauf habe ich jetzt bestimmt schon dreißig Mal gegessen.“ „Aber das ist doch verrückt!“, sage ich im Lachen mit einer besonders hohen Stimme. „Ach, irgendwie nicht. Man sucht sich halt immer wieder ähnliche Männer aus und die haben ähnliche Gewohnheiten. Aber Julius, jetzt spring deswegen nicht direkt zurück in den Strudel der zweifelnden Gedanken, in deinen Streuner-Strudel zurück. Von wegen gleiche Bettwäsche, gleiche Beziehung und so.“

„Nein. Mach ich nicht“, sage ich mit gekreuzten Fingern und steige in die S-Bahn, die mich ins Büro nach Mitte bringt.

Das französische Indie-Drama

Nach der Arbeit treffe ich Henry zum Abendessen am Paul-Lincke-Ufer und weil ich noch mehr Meinungen einholen will, erzähle ich auch ihm die Story mit der Bettwäsche. „Und mir sind noch mehr Dinge aufgefallen, die sich mit ihm wiederholen“, sage ich am Ende. „Und zwar?“, fragt Henry entnervt und eher widerwillig, weil er weiß, dass ich mich gerade in etwas reinsteigern möchte. „Sein Lieblingsfilm.“ „Was ist denn mit seinem Lieblingsfilm?“ „Sein Lieblingsfilm ist ein französisches Indie-Drama.“ „Und das ist schlimm, weil...“ „ Weil jeder meiner Ex-Freunde ein französisches Indie-Drama als Lieblingsfilm hatte. Immer mit einem schwungvollen, leicht intellektuellen Titel, der als Wandtattoo sicher auch in vielen geschmacklosen Terrakotta–Küchen klebt.“ Ausweichend schüttelt Henry den Kopf und ich merke, dass auch er meine Hysterie nicht verstehen will.

Dabei weiß ich, dass auch Henrys Frauen immer wieder ähnliche Eigenschaften haben. Alle Exfreundinnen, die ich kennengelernt habe, sprachen ausschließlich Englisch, liebten es, zu backen und immer wieder passierte es Henry, dass sie nach ein paar Dates Duftkerzen und andere kleine Accessoires in seiner Wohnung hinterließen und sie damit zu ihrer gemeinsamen Wohnung machten, ohne, dass darüber gesprochen wurde. „Ich verstehe gar nicht, warum dir das so wichtig ist“, unterbricht Henry meine Fehler-Suchmaschine. „Es ist ganz normal, dass das so ist. Der gemeinsame Nenner zwischen all diesen Typen bist schließlich du. Du suchst dir deine Männer nach Schablone Julius aus, genauso wie ich mir Frauen nach der Schablone Henry aussuche. Du wählst sie für dich, weil du sie attraktiv findest und spannend, aber nur bis zu einem gewissen Grad. Unterbewusst wählst du sie auch, weil sie dir irgendwie vertraut sind und das – bequem und einfach ist. Das Wichtige ist ja nur, dass sich die Husky-Augen in den großen Dingen, in den Eigenschaften, die dich bei deinen Exfreunden gestört haben und die euch am Ende haben auseinanderbrechen lassen, nicht wiederholen. Dass er nicht immer Recht haben muss und dich nicht runterziehen will. Dass er dich sieht.“

Auch diese Situation ist ein Dating-Déjà-vu. Seit 5 Jahren schmeiße ich in Berlin löchrige Socken weg.

„In großen Dingen anders ist“ sitzt mir Henrys Lehre wie eine von Jedi-Meister Yoda noch im Kopf fest, als ich am darauffolgenden Freitagabend meinen Rucksack für eine Nacht bei den Husky-Augen zusammenpacke. Erst schmeiße ich meine Klamotten, den Kulturbeutel und ein Buch, das ich ihm zeigen will, in den Backpack, dann greife ich zu einem Jeanshemd und einem Paar Socken, das er bei mir gelassen hat. Während ich die einzelnen Socken für die Reise ineinander stülpe, fällt mir auf, dass beide große Löcher an ihren Fußsohle haben. Ich nehme die Socken, laufe in die Küche und schmeiße sie in den Mülleimer. „Also das ist doch schon krass.“, denke ich wieder aufgewühlt, denn auch diese Situation ist ein Dating-Déjà-vu. Seit 5 Jahren schmeiße ich in Berlin löchrige Socken weg.

Ich benehme mich ziemlich schrecklich

Mit der Bettwäsche zurück im gedanklichen und ohne Socken im wirklichen Gepäck laufe ich zur S-Bahn und stelle mir einen Sekt rein. Ich werde auf einer kleinen Geburtstagsfeier ein paar seiner Freunde kennenlernen, bevor ich bei ihm im Bett lande. Da brauche ich etwas flüssigen Mut, der mich meine Nervosität und die hektischen Flecken auf meinem Gesicht vergessen lässt. Der Abend bei den Freunden ist schön, aber ich benehme mich irgendwie ziemlich schrecklich. Angetrunken lache ich über Witze, die keine sind, stelle Fragen, die keiner beantworten will und bin so laut, wie mein nüchternes Ich schüchtern leise ist. Trotzdem stehen die Husky-Augen an meiner Seite, grinsen, geben mir süße Küsse auf den Nacken und bringen mich nach Hause, ohne dass wir auf dem Heimweg eine Diskussion haben.

„Sorry wegen gestern“, sage ich beim Aufwachen am nächsten Morgen verschämt und verstecke mich unter der Lego-Bettwäsche. „Das ist okay. Ich weiß ja, dass dir das schwer fällt mit den neuen Leuten“, sagt er, stützt seinen Kopf in meine Richtung ab und zieht die Bettdecke aus meinem Gesicht, um mich zu küssen. „Du musst meine Freunde einfach nochmal in Ruhe kennenlernen. Denn, wenn sie dich so kennenlernen, wie ich dich schon kenne, dann mögen sie dich eh. Und dann bist du auch nicht mehr nervös“, streichelt er mir über den Arm und über mein Ego. „Das kenne ich noch nicht“, sagt etwas in mir und atmet langsam ein und aus. Obwohl ich seit fünf Jahren in der gleichen Bettwäsche schlafe und mir zu französischen Filmen Taschentücher an die Tränendrüsen halte, ist es mit ihm in diesem Moment ganz neu – und genau jetzt wird mir klar, was meine Freunde mir die ganze Zeit über schon sagen wollten. Meine Spinnerei ist gerade genau das: eine Spinnerei. Und wenn ich mich darauf konzentriere, was wirklich und wichtig ist, dann merke ich, dass bei ihm nicht nur das, sondern auch ganz viel anderes wunderbar neu ist. So kleine Ohren hatte schließlich noch kein Mann vor ihm. Vor allem keine, die so gut zuhören.

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