Kann man cool bleiben, auch wenn man ein Kind hat?

© Clint Lukas

Ich weiß ja nicht, wie’s euch geht. Eine knifflige Sache ist das. Aber ich musste schon etliche Bekannte abschreiben, als sie Eltern geworden sind. Manche von denen waren sogar meine Freunde. Vor der Schwangerschaft. Aber dann ging es los. Warum drehen die alle so durch? Man könnte fast meinen, das Kinderkriegen sei ein völlig neuartiges Phänomen. Und dass unsere Gesellschaft erst lernen muss, damit umzugehen.

Ein Beispiel: Neulich treff ich meinen Kumpel Micha auf der Straße. Vor zehn Jahren waren wir mal ziemlich dicke. Er ist inzwischen Vater, genauso wie ich.

„Wow, deine Kleine hat ja schon voll lange Haare!“
„Klar“, sag ich. „Die wachsen halt so.“
„Also Ella hat jetzt einen TOTAL komischen Schlafrhythmus. Sie schläft zwar gut ein, aber dann wird sie immer nochmal wach, so um neun. Dann muss ich jedes Mal mit ihr raus für zwei Stunden, voll anstrengend.“
„Hm. Und kellnerst du noch? Erzähl mal was von den Jungs.“
„Ach, da ist alles beim Alten. Aber ELLA will jetzt dauernd, dass ich sie rumtrage. Morgens schon, nach dem Aufwachen. Sonst schreit sie. Und sie isst nichts anderes mehr außer Nudeln. Und wie geht’s mit deiner Kleinen jetzt so? Ist ja ein süßer Zwerg.“

Spätestens in dem Moment möchte ich weglaufen. Ich meine, warum will er wissen, wie’s meiner Tochter geht? Er kennt sie doch gar nicht. Genauso gut könnte er fragen, was meine Oma so macht.
Ich freu mich ehrlich darüber, ihn zu sehen. Warum können wir uns nicht über gemeinsame Bekannte austauschen? Oder in alten Geschichten schwelgen? Es ist fast so, als würde man aufhören ein eigenständiger Mensch zu sein, sobald man ein Kind kriegt.

Es ist fast so, als würde man aufhören ein eigenständiger Mensch zu sein, sobald man ein Kind kriegt.

Und sowas passiert mir andauernd. Gerade bei Leuten, von denen man es nicht erwartet hätte. Im einen Moment sind sie noch krasse Player, die sich von nichts beeindrucken lassen. Arbeitsleben, Liebeskummer, Beziehungskrisen. All die großen und kleinen Katastrophen meistern sie mit Bravour. Aber kaum sind sie schwanger, fangen sie an hysterisch zu werden. Kaufen sich Ratgeber, benutzen Schwangerschafts-Apps. Treiben sich in so vielen Foren rum, dass sie zu jedem erdenklichen Thema jede erdenkliche Meinung kennen und sich dadurch erst recht verrückt machen lassen.

Das ist doch kein Zustand!

Aber das ist doch kein Zustand! Und vor allem: Was soll das Kind von einem denken, wenn man derart kopflos von einer Misere in die nächste taumelt? Wir haben doch Vorbildfunktion.

Gerade gestern hab ich auf dem Spielplatz eine Frau mit ihrem Sohn beobachtet. Der wollte einfach mal ein bisschen im Dreck wühlen, aber ständig geistert sie um ihn rum.
„Schatz, nimm das nicht in den Mund. Hast du Hunger? Willst du was essen? Was trinken? Schau mal, die Mama hat Tee dabei. Ist dir kalt? Du bist ganz kalt. Warte, ich creme dich mal ein.“

Der Junior sitzt belämmert im Sand, überwältigt vom Redeschwall. Und dann kommt der VATER von der Arbeit und wird auch sofort in Beschlag genommen.

„Schatz, warum bist du so spät?“, fragt sie.
„Die Avus ist dicht.“
„Schau bitte, der Aaron ist ganz kalt. Zieh ihm mal seine Jacke an.“

Die Panik in den Augen des Mannes, während er die Taschen nach der Jacke durchsucht. Wird er die richtige finden? Er will fragen, aber verkneift es sich.

„Die rote“, ruft seine Frau ungeduldig. „Nein, in der ANDEREN Tasche!“

Er wird immer hektischer. Schließlich macht sie es selbst. Als er zur Auflockerung eine Begebenheit aus seinem Arbeitstag erzählen will, unterbricht sie ihn: „SCHA-ATZ! Das interessiert hier jetzt grade niemanden.“

Wie bewahre ich mir trotz Kind einen letzten Rest Würde?

Okay, solche Szenen kommen auch dadurch zustande, dass manche Paare sich nie wirklich einig sind. Die stillschweigende Übereinkunft fehlt. Vielleicht hätten sie sich irgendwann trennen sollen. Stattdessen hängen sie nun in ihrer privaten Hölle zusammen. Aber ich bin mir auch sicher: Oft würde es helfen, wenn man einfach etwas mehr Gelassenheit an den Tag legt. Coolness, wenn ihr so wollt. Man muss keine Angst vor den eigenen Kindern haben. Die sind doch so klein!

Man muss keine Angst vor den eigenen Kindern haben. Die sind doch so klein!

Gelassenheit. Klingt leichter, als es ist? Dann nehm ich euch an die Hand. Superdaddy Clint zeigt euch den Weg durch den Dschungel. Das soll kein Erziehungsratgeber werden. Sondern ein Handbuch für Eltern: Wie bewahre ich mir trotz Kind einen letzten Rest Würde?

Kriegt Kinder, solange ihr jung seid

Mein erster Ratschlag ist einfach: Kriegt Kinder, solange ihr jung seid. Es ist bescheuert, sein Leben aufzuteilen und sich zuerst dem Projekt „Karriere“ zuzuwenden, um dann mit 35 oder 40, als fertiger Mensch, den ganzen Fokus auf das Projekt „Kind“ zu legen. Da wird man zwangsweise neurotisch. Euer Kind soll auch an eurer eigenen Entwicklung teilhaben. Damit es merkt, dass ihr Menschen seid. Nicht nur Eltern.

Natürlich kann man auch gar keine Kinder kriegen. Man kann sein Leben allein der Kunst weihen oder einer anderen höheren Sache. Man kann auch die FDP wählen. Ohne Kind bleibt man halt irgendwie immer ein Egoshooter. Das ist nicht schlimm. Aber die letzten Geheimnisse sozialer Kompetenz wird man allein nicht ergründen. Und ein echter Lebenskünstler ist man auch nur, wenn man beides hinkriegt: Selbstverwirklichung und Kind.

Ein echter Lebenskünstler ist man auch nur, wenn man beides hinkriegt: Selbstverwirklichung und Kind.

Puh, ziemlich harter Tobak. Ich muss mich noch an die Ratgeber-Rolle gewöhnen. Der Superdaddy geht jetzt erstmal ein Bier trinken, um wieder klar zu werden im Kopf. Ihr hört dann wieder von mir.

Die Kolumne „Cool trotz Kind“ ist für alle Eltern da draußen. Und für die, die es werden wollen. Autor Clint erklärt, wie ihr auch mit Kind euer Gesicht wahren könnt. Vor euch und der Welt. Er redet sich dabei mitunter um Kopf und Kragen, aber bis jetzt sind ihm Frau und Kind noch nicht weggelaufen. Das ist Episode 1.

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